Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen
Leitsatz
1. Nicht angelegtes Geldvermögen kann —ebenso wie die vom Großen Senat des (BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95) ausdrücklich erwähnten, ihrer Art nach ertraglosen Wirtschaftsgüter— nur Gegenstand einer Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen sein, wenn sich der Übernehmer im Übergabevertrag verpflichtet, eine ihrer Art nach bestimmte, ausreichend ertragbringende Vermögensanlage zu erwerben.
2. Beruft sich der Übernehmer darauf, dass für die Zukunft ausreichend hohe Nettoerträge zu erwarten sind, sind der Ertragsprognose in der Regel die Nettoerträge im Jahr der Übergabe und in den beiden folgenden Jahren zugrunde zu legen. Die eine Verbesserung der Ertragslage versprechenden Umstände müssen im Zeitpunkt der Vermögensübergabe bereits konkret bestimmbar sein.
Gesetze: EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1a
Instanzenzug: (EFG 1999, 602) (Verfahrensverlauf),
Gründe
I.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und werden für die Streitjahre 1994 und 1995 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Mit notariellem Vertrag vom übertrugen die Eltern des Klägers diesem eine in W gelegene Eigentumswohnung. Der Kläger verpflichtete sich zur Übernahme der dinglich gesicherten Verbindlichkeiten und zur Zahlung eines nach § 323 der Zivilprozessordnung (ZPO) abänderbaren monatlichen Betrags von 1 000 DM „als dauernde Last” an seine Eltern (§ 2). In derselben Urkunde übertrugen die Eltern ihrem zweiten Sohn ein in F gelegenes Grundstück zu Alleineigentum. Als Gegenleistung verpflichtete sich dieser, an seine Eltern 330 000 DM zu zahlen, „welche diesen Betrag ihrem Sohn R.…(dem Kläger) schenken” (§ 4). „Nachrichtlich” ist in dem Vertrag erwähnt, dass der Kläger von seinen Eltern zusätzlich 300 000 DM als Zweckschenkung zum Erwerb einer Immobilie erhalten sollte. Nach Erhalt verwendete der Kläger diesen Betrag zum Erwerb einer Immobilie in L.
In den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre beantragten die Kläger, jeweils 12 000 DM zum Abzug als Sonderausgaben (dauernde Last gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1a des Einkommensteuergesetzes —EStG—) zuzulassen. Dem folgte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) nicht.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 1999, 602).
Die Kläger beantragen, das aufzuheben, die geltend gemachten Leistungen als dauernde Last anzuerkennen und die Steuer entsprechend zu ermäßigen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Während des Revisionsverfahrens hat das FA die Einkommensteuer für die Streitjahre zuletzt am geändert.
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
1. Die Revision führt bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung. Denn Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens waren noch die Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre vom bzw. in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom . An deren Stelle traten die während des Revisionsverfahrens erlassenen Änderungsbescheide. Diese Bescheide sind gegenüber den früheren Steuerfestsetzungen neue Verwaltungsakte, die den Regelungsgehalt des jeweils vorangegangenen Bescheids in sich aufgenommen und teilweise zugleich der Höhe nach verändert haben. Da dem FG-Urteil noch die früheren Einkommensteuerbescheide zugrunde lagen, ist dieses durch die während des Revisionsverfahrens geänderten Steuerfestsetzungen gegenstandslos geworden (, BFH/NV 2001, 1291; Senatsentscheidung vom X R 44/00, BFH/NV 2002, 1409; , BFHE 201, 86, BStBl II 2003, 350, jeweils zu § 68 FGO n.F.).
Mit der Aufhebung der Vorentscheidung fallen die tatsächlichen Feststellungen des FG nicht weg (BFH in BFH/NV 2001, 1291). Der Senat kann dennoch nicht gemäß §§ 100, 121 FGO in der Sache selbst entscheiden, weil die Sache nicht spruchreif ist.
2. Als Sonderausgaben abziehbar sind die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und dauernden Lasten, die nicht mit Einkünften im Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG). Dauernde Lasten sind in vollem Umfang abziehbar, Leibrenten hingegen nur mit dem Ertragsanteil, der sich aus der Tabelle des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG ergibt. Demgegenüber dürfen die in § 12 EStG genannten Ausgaben weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden, „soweit in den §§ 10 Abs. 1 Nrn. 1, 2 bis 9, 10b und §§ 33 bis 33c (EStG) nichts anderes bestimmt ist”. Von diesem Abzugsverbot erfasst werden u.a. freiwillige Zuwendungen und Zuwendungen aufgrund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht (§ 12 Nr. 2 EStG).
Die anlässlich einer Vermögensübergabe zur Vorwegnahme der Erbfolge vereinbarten Versorgungsleistungen (private Versorgungsrente) unterscheiden sich von Unterhaltsleistungen i.S. von § 12 Nr. 1 EStG „durch ihre Charakterisierung als vorbehaltene Vermögenserträge; sie enthalten auch deshalb keine Zuwendungen des Vermögensübernehmers aufgrund freiwillig begründeter Rechtspflicht i.S. von § 12 Nr. 2 EStG”. Diese Aussage im Beschluss des Großen Senats des (BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847) wird u.a. wie folgt erläutert: „Denn die steuerrechtliche Zurechnung der Versorgungsleistungen zu den wiederkehrenden Bezügen und Sonderausgaben beruht auf dem Umstand, dass sich der Vermögensübergeber in Gestalt der Versorgungsleistungen typischerweise Erträge seines Vermögens vorbehält, die nunmehr allerdings vom Vermögensübernehmer erwirtschaftet werden müssen.” Dem Beschluss liegt mithin die entscheidungsleitende Vorstellung zugrunde, dass der Übergeber das Vermögen ähnlich wie beim Nießbrauchsvorbehalt ohne die vorbehaltenen Erträge, die ihm nunmehr als Versorgungsleistungen zufließen, übertragen hat.
Dies hat der Große Senat des BFH in seinem Beschluss vom GrS 1/00 (BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95) bekräftigt: „Maßgebendes Kriterium für die Frage, ob ein Wirtschaftsgut Gegenstand einer unentgeltlichen Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen sein kann, ist die Vergleichbarkeit mit dem Vorbehaltsnießbrauch. Die Vermögensübergabe muss sich so darstellen, dass die vom Übernehmer zugesagten Leistungen —obwohl sie von ihm erwirtschaftet werden müssen— als zuvor vom Übergeber vorbehaltene —abgespaltene— Nettoerträge vorstellbar sind.” Wiederkehrende Leistungen, die nicht aus den erzielbaren Nettoerträgen des übernommenen Vermögens gezahlt werden können, sind nicht als dauernde Last abziehbar. Sie sind Entgelt für das übernommene Vermögen (Großer Senat in BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95).
3. Hinsichtlich der Art des übergebenen Vermögens, das Grundlage für die Vereinbarung von als dauernde Last anzuerkennenden Versorgungsleistungen sein kann, hatte die bisherige Rechtsprechung seit jeher unterschieden zwischen der Übergabe von Geldvermögen und den unter der Bezeichnung „existenzsichernd” zusammengefassten Vermögensarten. In ersterer Hinsicht hatte die Rechtsprechung dem sog. Unterhaltskauf die steuerliche Anerkennung versagt, mit dem —gestützt auf eine den Wert des übergebenen Vermögens und den Barwert von wiederkehrenden Leistungen abgleichende „50 v.H.-Grenze” des Abschn. 123 Abs. 3 der Einkommensteuer-Richtlinien a.F. (EStR a.F.)— übergebenes Geld in eine dauernde Last mit dem (nahezu) doppelten Barwert umgewandelt werden sollte (vgl. Senatsentscheidungen vom X R 136/88, BFHE 167, 375, BStBl II 1992, 609; vom X R 46/97, BFHE 189, 497, BStBl II 2000, 188). Der Grund für diese Einschränkung ist durch den Systemwechsel zu einer folgerichtigen Dogmatik des Ertragsvorbehalts entfallen. Der Große Senat hat hierzu unter Bezugnahme auf die Entscheidung des erkennenden Senats in BFHE 189, 497, BStBl II 2000, 188 in seinem Beschluss in BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95 (unter C. II. 6. der Entscheidungsgründe) ausgeführt: „Sieht man wiederkehrende Leistungen nur unter der Voraussetzung als Sonderausgaben bzw. als wiederkehrende Bezüge i.S. des § 22 Nr. 1 EStG an, dass sie aus den Nettoerträgen des überlassenen Vermögens bestritten werden können, so kann auch die Übertragung von Geldvermögen, Wertpapieren und typischen stillen Beteiligungen in gleicher Weise berücksichtigt werden wie die Übertragung der bisher unter der Bezeichnung 'existenzwahrend' zusammengefassten Vermögensarten.”
Dies vorausgesetzt kann Geldvermögen den bisher unter der Bezeichnung „existenzsichernd” zusammengefassten Vermögensarten gleichgestellt werden. Es muss freilich —ebenso wie der Erlös aus der Veräußerung der vom Großen Senat ausdrücklich erwähnten „ihrer Art nach ertraglosen Wirtschaftsgüter"— ertragbringend angelegt werden. Aus den somit erzielten Erträgen sind die Versorgungsleistungen zu erbringen. In der Konsequenz der Entscheidung des Großen Senats liegt es, dass sich der Übernehmer im Übergabevertrag verpflichtet, „eine ihrer Art nach bestimmte Vermögensanlage zu erwerben, die einen zur Erbringung der zugesagten Versorgungsleistungen ausreichenden Nettoertrag abwirft”.
4. Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall kann der Senat aufgrund der Feststellungen des FG nicht abschließend entscheiden, ob die vom Kläger an seine Eltern zu erbringenden Versorgungsleistungen aus den erzielbaren Nettoerträgen der überlassenen Eigentumswohnung und eines einvernehmlich angelegten Betrages in Höhe von 330 000 DM bestritten werden können. Diese beiden Vermögenspositionen stehen —anders als der Schenkungsbetrag von 300 000 DM (hierzu unten d)— in sachlichem Zusammenhang mit den vereinbarten Versorgungsleistungen. Die diesbezüglichen Feststellungen sind im zweiten Rechtszug nachzuholen. Hierbei wird das FG nach dem Beschluss des Großen Senats in BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95 Folgendes zu berücksichtigen haben:
a) Bei der Ermittlung des erzielbaren Ertrages der übernommenen Eigentumswohnung sind den nach steuerlichen Regeln ermittelten Einkünften Absetzungen für Abnutzung (AfA), erhöhte Absetzung und Sonderabschreibungen sowie außerordentliche Aufwendungen hinzuzurechnen.
Da der Kläger im Zusammenhang mit der Übertragung der Eigentumswohnung persönliche Verbindlichkeiten seiner Eltern übernommen hat, ist insoweit von einem teilentgeltlichen Erwerb auszugehen. Die gezahlten Zinsen lassen den unentgeltlichen Teil der Übertragung unberührt. Das FG wird daher im zweiten Rechtsgang zu prüfen haben, ob die Erträge, die auf den unentgeltlich übertragenen Teil entfallen, —ggf. zusammen mit den Erträgen aus dem zugewendeten Geldbetrag (siehe unten b)— zur Erbringung der Versorgungsleistungen ausreichen (Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95, unter Bezugnahme auf das , BStBl I 2002, 893, Tz. 16).
b) Wie unter 3. dargelegt, können die Versorgungsleistungen auch aus den Nettoerträgen des überlassenen Geldvermögens in Höhe von 330 000 DM bestritten werden, wenn der Kläger nach den weiteren Feststellungen des FG den Betrag in Absprache mit seinen Eltern angelegt hat. Zudem wird das FG die Höhe des erzielbaren Nettoertrags ermitteln müssen.
c) Für die Ertragsprognose ist insgesamt auf die Verhältnisse des Vertragsabschlusses abzustellen. Sind in der Vergangenheit ausreichende Überschüsse erwirtschaftet worden, so bieten diese einen gewichtigen Anhaltspunkt. In Übereinstimmung mit der Praxis der Finanzverwaltung (BMF-Schreiben in BStBl I 2002, 893 Tz. 15) kann der Ertragsprognose der durchschnittliche Nettoertrag des Jahres der Übergabe und der beiden vorangegangenen Jahre zugrunde gelegt werden (so mit näherer Maßgabe Großer Senat des BFH in BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95). Bei der Ertragsprognose handelt es sich um eine „überschlägige Berechnung” (Kempermann, Deutsches Steuerrecht —DStR— 2003, 1736, 1740). Der Sonderausgabenabzug soll nicht daran scheitern, dass die erzielbaren Nettoerträge die Summe der versprochenen Vermögenserträge geringfügig unterschreiten. Soweit die tatsächliche spätere Entwicklung von Bedeutung ist —darauf deuten die Ausführungen der Kläger in ihrem Schriftsatz vom hin—, kann allerdings nur ein überschaubarer Prognosezeitraum zugrunde gelegt werden. Dieser umfasst in der Regel neben dem Jahr der Übergabe die beiden folgenden Jahre. Im Übrigen müssen, wenn nicht die tatsächliche spätere Entwicklung als Beweisanzeichen herangezogen werden kann, die eine günstigere Entwicklung versprechenden Umstände im Zeitpunkt der Vermögensübergabe bereits konkret bestimmbar sein. Allein der Hinweis auf die allgemeine Zins- oder Mietpreisentwicklung reicht dazu nicht aus.
d) Es bedarf dagegen keiner weiteren Prüfung, ob der Kläger den ihm von seinen Eltern zum Erwerb einer Immobilie geschenkten Geldbetrag in Höhe von insgesamt 300 000 DM ertragbringend angelegt hat. Denn mögliche Erträge daraus sind schon deshalb nicht in die Ertragsberechnung einzubeziehen, weil dieses Geldvermögen in keinem sachlichen Zusammenhang mit den zugesagten Versorgungsleistungen steht. Die „Zweckschenkung” wird nur „nachrichtlich” am Schluss des Vertrags ohne inhaltlichen Zusammenhang mit den in § 2 und § 4 geregelten Versorgungsleistungen erwähnt. Das Schenkungsversprechen sollte, so wird daraus deutlich, außerhalb der Regelungen über die Vermögensübergabe stehen.
e) Für den Fall, dass der Kläger die Versorgungsleistungen aus den Erträgnissen der Eigentumswohnung und des Geldvermögens in Höhe von 330 000 DM erbringen kann, sind diese, da abänderbar, als dauernde Last abziehbar (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG). Die Abänderbarkeit ergibt sich hier aus der ausdrücklichen Bezugnahme auf § 323 ZPO (Beschluss des Großen Senats des , BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BStBl 2004 II Seite 1053
BB 2004 S. 1998 Nr. 37
BFH/NV 2004 S. 1466
BFH/NV 2004 S. 1466 Nr. 10
BStBl II 2004 S. 1053 Nr. 23
DB 2004 S. 1972 Nr. 37
DStR 2004 S. 1555 Nr. 37
DStRE 2004 S. 1190 Nr. 19
FR 2004 S. 1237 Nr. 21
INF 2004 S. 724 Nr. 19
KÖSDI 2004 S. 14354 Nr. 10
NWB-Eilnachricht Nr. 18/2006 S. 1508
StB 2004 S. 362 Nr. 10
QAAAB-25966