Fehlen einer Übergangsregelung bei Begrenzung der Steuerbegünstigung des § 24 Abs. 3 UmwStG ab 1994 durch das StMBG nicht verfassungswidrig
Gesetze: UmwStG § 24 Abs. 3
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zusammen veranlagte Eheleute. Der Ehemann erzielte im Streitjahr (1994) als Rechtsanwalt Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Mit Vertrag vom hatte sich der Kläger gegenüber dem damals bei ihm angestellten Rechtsanwalt R verpflichtet, mit diesem zum eine Sozietät einzugehen. Die Sozietät wurde mit Vertrag vom mit Wirkung auf den gegründet. Der Kläger brachte seine Anwaltskanzlei in die neue Gesellschaft ein. Er erhielt dafür von R einen Betrag in Höhe von 192 665 DM. Die Sozietät setzte das Betriebsvermögen in ihrer Eröffnungsbilanz mit dem Teilwert an.
In seiner Einkommensteuererklärung für 1994 erklärte der Kläger einen aus dieser Einbringung resultierenden Veräußerungsgewinn in Höhe von 385 330 DM, für den er die Steuerbegünstigung der §§ 16 und 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für das Jahr 1993 geltenden Fassung beantragte. Zur Begründung verwies er darauf, dass die Anwendung der Einschränkung dieser Steuervergünstigung im Gesetz zur Bekämpfung des Missbrauchs und zur Bereinigung des Steuerrechts (StMBG) vom (veröffentlicht im BGBl I 1993, 2310 vom ) mit Wirkung ab 1994 unbillig sei. Er habe keine Gelegenheit gehabt, das Vertragswerk an die neue Gesetzeslage anzupassen, da ihm das StMBG erst Anfang 1994 bekannt geworden sei. Wäre ihm die Gesetzesänderung vorher bekannt gewesen, hätten er und R die Sozietät zum gegründet. Er habe Anspruch auf Schutz seines Vertrauens in die frühere Rechtslage.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) besteuerte einen Teilbetrag des Veräußerungsgewinns in Höhe von 192 665 DM nach der Tarifermäßigung des § 34 EStG. Den anderen Teil behandelte es als laufenden Gewinn mit der Begründung, dass der Kläger zur Hälfte an dem Gesamthandsvermögen der Sozietät beteiligt sei. Die hiergegen gerichtete Klage und die anschließende Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) hatten keinen Erfolg (vgl. Senatsurteil vom IV R 54/99, BFHE 193, 301, BStBl II 2001, 178).
Im Anschluss hieran lehnte das FA auch den bereits im Februar 1997 gestellten Antrag auf Erlass des streitigen Steuerbetrages ab. Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb ebenso erfolglos wie die anschließende Klage.
Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger, die —soweit hier relevant— auf die Verletzung materiellen Rechts gestützt wird.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Finanzgerichts (FG) und den Bescheid über die Ablehnung des Teilerlasses der Einkommensteuer für 1994 in Gestalt der Einspruchsentscheidung des FA vom aufzuheben und das FA zu verpflichten, die Einkommensteuer 1994 laut Einkommensteuerbescheid vom um den Betrag zu erlassen, der sich aus der Differenz der Besteuerung des Veräußerungsgewinnes in Höhe von 401 243 DM als laufendem Gewinn aus selbständiger Arbeit und einer tarifbegünstigten Besteuerung nach § 24 Abs. 3 Satz 2 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG) i.V.m. §§ 16 Abs. 4, 18 Abs. 3, 34 Abs. 1 EStG jeweils in der Fassung von 1993 ergibt.
Das FA beantragt,
die Revision wegen fehlender Auseinandersetzung mit den Gründen des FG-Urteils als unzulässig zu verwerfen; hilfsweise, sie als unbegründet zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
Die Revision ist zulässig, aber unbegründet.
Die Entscheidung des FG, derzufolge das FA ermessensfehlerfrei eine niedrigere Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen (§ 163 der Abgabenordnung —AO 1977—) bzw. einen Erlass nach § 227 AO 1977 abgelehnt hat, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Die Kläger haben keinen Anspruch darauf, dass die Einbringung der bisherigen Einzelpraxis des Ehemannes in die neu gegründete Sozietät zum im Billigkeitswege so behandelt wird, als sei sie bereits im Jahr 1993 erfolgt.
Nach den Feststellungen des FG kommen im Streitfall persönliche Billigkeitsgründe nicht in Betracht. Darüber besteht unter den Beteiligten kein Streit.
Vielmehr machen die Kläger geltend, die Steuererhebung nach Maßgabe des StMBG sei ihnen gegenüber sachlich unbillig, da das Vertrauen des Ehemannes auf die frühere Rechtslage schutzwürdig gewesen sei.
Sachlich unbillig ist die Festsetzung einer Steuer, wenn sie zwar äußerlich dem Gesetz entspricht, aber den Wertungen des Gesetzgebers im konkreten Fall derart zuwiderläuft, dass die Erhebung der Steuer als unbillig erscheint. Sachliche Gründe sind gegeben, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass der Gesetzgeber die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage —hätte er sie geregelt— im Sinne der beabsichtigten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte (ständige BFH-Rechtsprechung, vgl. z.B. Senatsurteil vom IV R 51/93, BFHE 174, 482, BStBl II 1994, 833, m.w.N.). Auch wenn demnach Härten, die der Gesetzgeber bei der Regelung des gesetzlichen Tatbestands bedacht und in Kauf genommen hat, grundsätzlich keine Billigkeitsmaßnahme rechtfertigen, so ist eine derartige Maßnahme gleichwohl geboten, wenn ohne die begehrte Billigkeitsmaßnahme das Verhalten des Gesetzgebers aus verfassungsrechtlichen Gründen zu beanstanden wäre (vgl. , Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung —HFR— 1988, 177; , BFHE 118, 151).
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt.
1. Der Gesetzgeber hat den zeitlichen Anwendungsbereich der Änderung des § 24 UmwStG durch das StMBG eindeutig dahin gehend geregelt, dass § 24 Abs. 3 Satz 3 UmwStG i.d.F. des StMBG erstmals auf Einbringungen anzuwenden ist, die „nach dem vorgenommen” wurden (§ 28 Abs. 6 UmwStG i.d.F. des StMBG). Er hat damit bewusst angeordnet, dass auch Einbringungen aufgrund bereits zuvor abgeschlossener Verträge von der Gesetzesänderung erfasst werden. Die Formulierung unterscheidet sich deutlich von der Übergangsregelung des § 27 Abs. 1 UmwStG i.d.F. des Gesetzes zur Änderung des Umwandlungssteuerrechts vom (BStBl I 1995, 42), die nicht auf die „Vornahme” der Einbringung, sondern darauf abstellt, ob der Einbringungsvorgang auf einem Rechtsakt „beruht”, der nach dem wirksam wird. Der Kläger kann sich daher für seine Auffassung nicht auf die Verwaltungsanweisung zu § 27 UmwStG berufen.
Es lässt sich auch ein nahe liegender Grund dafür erkennen, dass der Gesetzgeber bei der Einfügung des § 24 Abs. 3 Satz 3 UmwStG durch das StMBG von einer Übergangsregelung abgesehen hat. Wie bereits im Senatsurteil in BFHE 193, 301, BStBl II 2001, 178 ausgeführt, richtete sich die Neuregelung insbesondere gegen das zuvor vielfach praktizierte sog. Aufstockungsmodell, durch das einerseits ein tarif- und freibetragsbegünstigter Gewinn, andererseits aber zusätzliches Abschreibungsvolumen geschaffen wurde, mit dem künftige tarifbesteuerte Gewinne gemindert wurden. In der Begründung zum Entwurf des StMBG der Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. wird diese Vergünstigung —zutreffend— als systemwidrig bezeichnet. Zugleich wird darauf hingewiesen, dass die eigentliche Vergünstigung des § 24 UmwStG nicht in der Möglichkeit des Ansatzes der eingebrachten Wirtschaftsgüter mit dem Teilwert, sondern darin liegt, dass die Fortführung des Buchwertes zulässig ist und dadurch steuerliche Erschwernisse bei betriebsnotwendigen Umstrukturierungen vermieden werden (BTDrucks 12/5630, S. 80). Der Gesetzgeber wollte es offenbar vermeiden, dass in einer Übergangszeit noch zahlreiche Verträge abgeschlossen würden, mit denen seine Absicht, eine systemwidrige Steuervergünstigung abzuschaffen, weitgehend unterlaufen worden wäre.
2. Auch aus verfassungsrechtlichen Gründen ist die begehrte Behandlung nach den bis 1993 geltenden Bestimmungen nicht geboten. Ein Anspruch auf Weitergewährung einer steuerlichen Vergünstigung kann nach In-Kraft-Treten einer Gesetzesänderung nur dann in Frage kommen, wenn im Einzelfall aufgrund bereits erfolgter Dispositionen ein schutzwürdiges Vertrauen auf den Fortbestand der bisherigen Rechtslage vorliegt, das das Interesse der Allgemeinheit an der Änderung als rechtsmissbräuchlich angesehener Gestaltungen überwiegt.
Ein derartiger Vertrauensschutz ist im Streitfall jedoch nicht geboten, da der Kläger weder vor In-Kraft-Treten des StMBG noch unmittelbar nach dessen In-Kraft-Treten steuerlich relevante Dispositionen getroffen hat, die von dieser Gesetzesänderung betroffen wurden.
Die Verträge vom und über die Gründung der Sozietät enthielten keine Bestimmungen über die Ausübung des steuerlichen Wahlrechts nach § 24 Abs. 2 UmwStG. Die Sozietät hat dieses Wahlrecht erstmals mit Einreichung ihrer Eröffnungsbilanz bei dem FA in rechtlich bindender Weise ausgeübt (vgl. § 4 Abs. 2 EStG), also mit Abgabe der Steuererklärung für das Jahr 1994. Dabei hätte die Sozietät durch Wahl einer Buchwertfortführung das Entstehen eines Einbringungsgewinns des Klägers verhindern können. Zum Zeitpunkt dieser ersten, hinsichtlich der Gesetzesänderung durch das StMBG steuerlich relevanten Disposition war seit In-Kraft-Treten des StMBG mehr als ein Jahr vergangen, so dass der Kläger und dessen steuerlicher Berater hinreichend Gelegenheit hatten, sich bei Ausübung des Wahlrechts auf die neue Rechtslage einzustellen.
Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht daraus, dass die Kläger vortragen, der Ehemann habe die Sozietät mit R nur gegründet, um in den Genuss der Steuerbegünstigung des „Aufstockungsmodells” zu kommen. Zum einen steht diese Behauptung, die erstmals im Revisionsverfahren IV R 54/99 aufgestellt wird, im Widerspruch zu der Erklärung des Steuerberaters der Kläger im Einspruchsverfahren. Dort heißt es, der Teilwertansatz sei nicht aus steuerlichen Gründen gewählt worden, sondern habe dazu dienen sollen, für beide Gesellschafter gleich hohe Kapitalkonten auszuweisen. Die Behauptung des Klägers, er habe die Sozietät mit R nur gegründet, um in den Genuss der Steuerbegünstigung des „Aufstockungsmodells” zu kommen, widerspricht auch seinem Vortrag, der Vertrag vom habe sicherstellen sollen, dass R nicht in eine andere Praxis eintrete. Der Kläger befand sich somit in derselben Situation wie andere Anwälte, die sich aus unterschiedlichen Gründen (Zunahme der Mandate, Alter, Krankheit etc.) veranlasst sehen, einen Sozius in ihre Praxis aufzunehmen. Es widerspricht jeder Lebenserfahrung, dass ein Anwalt in dieser Situation auf die Aufnahme eines Partners nur deswegen verzichtet, weil das „Aufstockungsmodell” steuerlich nicht mehr anerkannt wird.
In Wirklichkeit bemängelt der Kläger, dass ihm nicht durch Einräumung einer Übergangsfrist Gelegenheit gegeben wurde, seine Praxis trotz der Gesetzesänderung noch unter Inanspruchnahme der Steuervergünstigung der §§ 16, 34 EStG auch für den auf eigene Rechnung eingebrachten Praxisanteil einzubringen. Wie bereits ausgeführt (oben unter 1.) hatte der Gesetzgeber jedoch nahe liegende Gründe, auf eine Übergangsregelung zu verzichten. Das (BVerfGE 97, 67, Finanz-Rundschau 1998, 377) dem Gesetzgeber gestattet, eine für verfehlt angesehene Subvention rückwirkend auf den Tag des Bekanntwerdens der Absicht zur Gesetzesänderung wegfallen zu lassen, wenn zu befürchten steht, dass andernfalls das gesetzgeberische Vorhaben durch Abschluss einer Vielzahl von Verträgen unterlaufen würde. Umso mehr muss es dem Gesetzgeber möglich sein, Steuervergünstigungen, die dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung widersprechen, nicht rückwirkend, aber ohne Übergangsfrist zu versagen, wenn andernfalls „Torschluss-Reaktionen” zu befürchten wären. Abgesehen davon war die Absicht der Bundesregierung, eine entsprechende Gesetzesänderung herbeizuführen, durch Veröffentlichungen im Fachschrifttum bekannt (vgl. z.B. Streck/Schwedhelm, Betriebs-Berater 1993, 2420 -Heft 34- vom ; Entwurf und Begründung des Entwurfs zum StMBG der Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P., BTDrucks 12/5630 vom ).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 1555
BFH/NV 2004 S. 1555 Nr. 11
DAAAB-25953