Geordnete wirtschaftliche Verhältnisse für die Wiederbestellung als Stb.
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist ehemaliger Steuerberater. Nachdem er im April 1987 wegen Steuerhinterziehung zu einer Geldstrafe und im Oktober 1992 wegen Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren jeweils rechtskräftig verurteilt worden war, hatte der Kläger unmittelbar nach seiner letzten Verurteilung auf seine Bestellung als Steuerberater verzichtet. Wegen seiner aus dem Betrug verbliebenen Verbindlichkeiten in Höhe von ca. 1,5 Mio. € hatte der Kläger die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen beantragt, woraufhin das zuständige Amtsgericht im April 2002 zunächst die vorläufige Verwaltung des Vermögens angeordnet und einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und kurze Zeit später das Insolvenzverfahren eröffnet hatte.
Den im Mai 2002 gestellten Antrag des Klägers auf Wiederbestellung als Steuerberater lehnte die Beklagte und Revisionsbeklagte (Steuerberaterkammer) mit Bescheid vom ab, da der Kläger nicht in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen lebe. Zur Begründung verwies sie auf die Anordnung der vorläufigen Verwaltung des Vermögens durch das Amtsgericht und auf die Angaben des vorläufigen Insolvenzverwalters, wonach den Verbindlichkeiten des Klägers in Höhe von ca. 1,5 Mio. € ein Sparguthaben in Höhe von 1 964,96 € gegenüberstehe sowie ein monatliches Nettoarbeitseinkommen von 925,24 € im März 2002 und ein zu versteuerndes Einkommen aus selbständiger Arbeit in Höhe von 2 900 € im Jahr 2001.
Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Das FG vertrat ebenso wie die Steuerberaterkammer die Ansicht, dass der Kläger nicht in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen lebe, da er Verbindlichkeiten von ca. 1,5 Mio. € habe. Dem stehe nicht der Umstand entgegen, dass das Insolvenzgericht mit dem Abschluss des Insolvenzverfahrens eine Restschuldbefreiung erteilen könne. Es bleibe abzuwarten, ob es zu einer Restschuldbefreiung, von der im Übrigen Verbindlichkeiten aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen nicht berührt würden, am voraussichtlichen Ende der Laufzeit der Abtretungserklärung im Jahr 2007 komme. Voraussetzung hierfür sei, dass der Kläger während dieser Zeit keine Obliegenheitsverletzungen begehe, worüber erst am Ende der Restschuldbefreiungsphase Klarheit bestehen werde. Es könne daher offen bleiben, ob zudem die früheren strafrechtlichen Verurteilungen des Klägers die Besorgnis begründeten, dass er den Berufspflichten als Steuerberater nicht genügen werde.
Mit der Revision macht der Kläger geltend, dass das Urteil des FG Bundesrecht verletze. § 40 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) stehe seiner Wiederbestellung nicht entgegen. Seine strafrechtlichen Verurteilungen könnten insoweit aufgrund des Zeit- und Bewährungsablaufs nicht mehr maßgebend sein. Es gebe keinen Grund für die Besorgnis, dass er seinen Berufspflichten als Steuerberater nicht genügen werde. Auch sei in seinem Fall der Versagungsgrund des § 40 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StBerG nicht gegeben. Er lebe bereits jetzt während des Zeitraums bis zu der beantragten Restschuldbefreiung in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen, da seine Gläubiger durch den Treuhänder, an den er seine pfändbaren Forderungen abgetreten habe, bis zu einer gewissen Summe befriedigt würden. Die Restschuldbefreiung garantiere, dass die Schulden in einem absehbaren Zeitraum von fünf Jahren getilgt werden könnten. Damit sei der Schuldendienst gesichert. Das FG habe auch irrtümlich angenommen, dass seine (des Klägers) deliktischen Verbindlichkeiten von der Restschuldbefreiung nicht erfasst würden. Das Bestehen solcher Forderungen sei vom Insolvenzverwalter bestritten und entsprechende Feststellungsklagen seien nicht erhoben worden. Damit sei es ausgeschlossen, dass Forderungen aus unerlaubter Handlung über die Restschuldbefreiungsphase hinaus geltend gemacht werden könnten. Schließlich verstießen die maßgebenden Vorschriften des StBerG gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, weil es bei anderen Berufsgruppen, wie z.B. Ärzten, keine entsprechenden Vorschriften gebe, welche sie im Fall der Insolvenz an der Berufsausübung hinderten.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung und den Bescheid vom aufzuheben und die Steuerberaterkammer zu verpflichten, ihn als Steuerberater wiederzubestellen.
Die Steuerberaterkammer beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie verweist darauf, dass die Restschuldbefreiung dem Kläger bisher nicht erteilt worden sei, und ist der Ansicht, dass auch bei einer in Aussicht stehenden Restschuldbefreiung nicht von geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers ausgegangen werden könne, da er sich bis zu diesem Zeitpunkt in der sog. Wohlverhaltensphase befinde, dem Zugriff der Gläubiger bis zur Pfändungsfreigrenze ausgesetzt sei und wegen dieser angespannten wirtschaftlichen Situation die Gefahr bestehe, dass er als Steuerberater eigene wirtschaftliche Interessen vor eine sachgerechte Beratung von Auftraggebern stellen könnte.
II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Das angefochtene Urteil entspricht dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Ehemalige Steuerberater, deren Bestellung nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 StBerG (d.h. —wie im Streitfall— durch Verzicht auf die Bestellung) erloschen ist, können nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 StBerG wiederbestellt werden; dabei gelten nach § 48 Abs. 2 StBerG die Vorschriften des § 40 StBerG entsprechend. Im Streitfall hat das FG zutreffend geurteilt, dass ein Versagungsgrund gemäß § 40 Abs. 2 Satz 2 StBerG vorliegt und dass die Steuerberaterkammer die Wiederbestellung des Klägers somit zu Recht abgelehnt hat.
1. Anders als es die Revision vorträgt, hat das FG die Versagung der Wiederbestellung nicht auf § 40 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 StBerG und auf die strafrechtlichen Verurteilungen des Klägers gestützt. Vielmehr hat das FG in dem angefochtenen Urteil ausgeführt, dass es für die Beurteilung des Streitfalls nicht darauf ankomme, ob angenommen werden könne, dass sich der Kläger trotz seiner strafgerichtlichen Verurteilungen nunmehr so verhalten werde, wie es die Berufspflichten eines Steuerberaters erforderten. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision gehen daher ins Leere.
2. Das FG hat allerdings zu Recht erkannt, dass § 40 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StBerG der Wiederbestellung des Klägers als Steuerberater entgegensteht, weil der Kläger nicht in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt.
Geordnete wirtschaftliche Verhältnisse des Klägers sind bereits deshalb zu verneinen, weil über das Vermögen des Klägers das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Nach der für den Widerruf der Bestellung als Steuerberater maßgeblichen Vorschrift des § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG wird ein Vermögensverfall des Steuerberaters u.a. dann vermutet, wenn über das Vermögen des Steuerberaters ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Ist aber wegen des eröffneten Insolvenzverfahrens ein Vermögensverfall anzunehmen, der bei einem bestellten Steuerberater grundsätzlich den Widerruf seiner Bestellung nach sich zieht, kann im Fall eines ehemaligen Steuerberaters bei gleicher Sachlage nicht von geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen gesprochen werden, die nach § 40 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StBerG Voraussetzung für seine Wiederbestellung sind.
Der Senat hat bereits entschieden, dass das In-Kraft-Treten der Insolvenzordnung (InsO) nichts an der gesetzlichen Grundentscheidung geändert hat, dass den Beruf des Steuerberaters nur ausüben dürfen soll, wer in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt (Senatsbeschlüsse vom VII B 79/02, BFH/NV 2004, 90, und VII B 159/02, BFH/NV 2004, 91; vom VII B 121/03, BFH/NV 2004, 824; vom VII R 21/02, zur Veröffentlichung bestimmt). Geordnete wirtschaftliche Verhältnisse liegen vor, wenn die Ausgaben des (ehemaligen) Steuerberaters seine regelmäßigen Einkünfte nicht übersteigen, wenn der Schuldendienst gesichert ist und die Schulden nach Art und Höhe in Ansehung der gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse in einem überschaubaren Zeitraum getilgt werden können (Senatsurteil vom VII R 63/94, BFHE 178, 504, BStBl II 1995, 909). Von dieser Voraussetzung für die Berufszulassung kann im Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens —anders als die Revision meint— grundsätzlich nicht ausgegangen werden, denn zu geordneten Vermögensverhältnissen gehört auch, dass die Gläubiger jedenfalls in absehbarer Zeit befriedigt werden und dass der (ehemalige) Steuerberater selbst und frei über sein Vermögen verfügen kann. Geordnete wirtschaftliche Verhältnisse sind somit im Fall der Insolvenz erst wieder hergestellt, wenn der (ehemalige) Steuerberater mit seinen Gläubigern Vereinbarungen getroffen hat, die erwarten lassen, dass es zu keinen Vollstreckungsmaßnahmen mehr kommen wird. Hingegen hat die bloße Möglichkeit, die schlechte wirtschaftliche Situation im Rahmen eines Insolvenzverfahrens zu bereinigen, nicht zur Folge, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse des (ehemaligen) Steuerberaters trotz der unbeglichenen Forderungen gegen ihn als geordnet zu betrachten wären (Senatsbeschlüsse in BFH/NV 2004, 90; in BFH/NV 2004, 824; vom VII R 21/02). Daran ändert auch nichts, dass das Insolvenzverfahren u.a. auch das Ziel haben kann, dem redlichen Schuldner Gelegenheit zu geben, sich von seinen Verbindlichkeiten zu befreien (vgl. § 1 Satz 2 InsO). Ob es dazu kommt, ist im Einzelfall durchaus fraglich, und selbst wenn dieses Ziel letztlich erreicht wird, so ist das nicht vor Ablauf von sechs Jahren (§ 287 Abs. 2 Satz 1 InsO) —im Streitfall von fünf Jahren (Art. 107 des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung)— der Fall. Solange aber nicht mit hinreichender Sicherheit feststeht, dass die Voraussetzungen für eine Restschuldbefreiung gegeben sind, sondern es wie im Fall des Klägers völlig offen ist, ob die Bereinigung seiner desolaten wirtschaftlichen Situation letztlich gelingen wird, kann von geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen im Sinne des StBerG und mithin von einer Widerlegung der durch den Vermögensverfall des Klägers begründeten Vermutung seiner fehlenden persönlichen Eignung für die Ausübung des Berufs des Steuerberaters (vgl. § 40 Abs. 2 Satz 1 StBerG) nicht ausgegangen werden (Senatsbeschluss vom VII R 21/02; ebenso für den Bereich der Bundesrechtsanwaltsordnung AnwZ (B) 28/99, Neue Juristische Woche-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht 2000, 1228).
Im Streitfall hat der Kläger die Restschuldbefreiung beantragt, die ihm jedoch —falls sich nicht während der Laufzeit der Abtretungserklärung ohnehin Versagungsgründe ergeben (vgl. §§ 296 bis 298 InsO)— frühestens nach Ablauf von fünf Jahren, d.h. im Jahr 2007, erteilt werden kann. Während dieser sog. Wohlverhaltensphase hat der Kläger u.a. eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben (§ 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO), jedoch den pfändbaren Teil des hierdurch erworbenen Einkommens an den Treuhänder abzutreten bzw. zu zahlen (§ 287 Abs. 2 Satz 1, § 295 Abs. 2 InsO). Da das Einkommen des Klägers aus selbständiger und nichtselbständiger Arbeit geringfügig ist, kann allerdings nicht davon ausgegangen werden, dass er während der Wohlverhaltensphase seine erheblichen Verbindlichkeiten auch nur annähernd wird begleichen können. Wenn das FG unter diesen Umständen im maßgeblichen Zeitpunkt seiner Entscheidung das Vorliegen geordneter wirtschaftlicher Verhältnisse des Klägers verneint hat, so ist diese Würdigung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Ob mit dem FG außerdem davon auszugehen ist, dass von einer ggf. erteilten Restschuldbefreiung Verbindlichkeiten des Klägers aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen nicht berührt werden (§ 302 Nr. 1 InsO), lässt sich nicht beurteilen, da es insoweit an den vom FG zu treffenden tatsächlichen Feststellungen fehlt. Diese Frage kann jedoch offen bleiben, da bereits die übrigen o.g. Erwägungen des FG seine Entscheidung tragen.
3. Der Ansicht der Revision, dass mit den genannten Regelungen Steuerberater im Fall einer Insolvenz gegenüber Ärzten in derselben Situation in einer gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes —GG—) verstoßenden Weise benachteiligt würden, ist nicht zu folgen. Es steht dem Gesetzgeber frei, für unterschiedliche Berufsgruppen jeweils anders lautende Berufszulassungsregelungen zu erlassen. Dass der Gefährdung von Mandanteninteressen bei einem in Vermögensverfall geratenen Steuerberater, dem in einem besonderen Vertrauensverhältnis die Wahrnehmung von Vermögensangelegenheiten seiner Mandanten übertragen wird, in berufsrechtlicher Hinsicht anders zu begegnen ist als bei einem in Vermögensverfall geratenen Arzt und dass deshalb jeweils unterschiedliche Berufszulassungsregelungen für den Steuerberater einerseits und für den Arzt andererseits keinen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz darstellen, liegt auf der Hand.
Zu dem weiteren —nicht näher begründeten— Revisionsvorbringen, dass § 48 Abs. 2 i.V.m. § 40 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StBerG auch gegen Art. 12 GG verstoße, verweist der Senat auf seine bisherige Rechtsprechung, wonach die Vorschriften des StBerG, welche die Berufszulassung von geordneten Vermögensverhältnissen abhängig machen, mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar sind und daher im Einklang mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG stehen (Senatsurteil vom VII R 103/99, BFH/NV 2001, 69; Senatsbeschluss in BFH/NV 2004, 91, m.w.N.).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 1426
DStRE 2004 S. 1188 Nr. 19
VAAAB-25678