Anteilsrotation als Gestaltungsmissbrauch
Gesetze: AO § 42; EStG § 50c
Instanzenzug:
Gründe
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
1. Die von der Beschwerde behauptete Abweichung des Finanzgerichts (FG) von den Rechtsgrundsätzen, die der (BFHE 196, 128) aufgestellt hat, liegt nicht vor.
Es kann dahinstehen, ob das FG seiner Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz zu Grunde gelegt hat, der mit den Rechtsausführungen in der vorgenannten BFH-Entscheidung nicht übereinstimmt. Eine Abweichung liegt nämlich bereits deshalb nicht vor, weil in beiden Entscheidungen unterschiedliche Sachverhalte zur Beurteilung anstanden. In der Entscheidung in BFHE 196, 128 hat der BFH über die Anwendung des § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) im Hinblick auf eine Anteilsrotation zwischen nicht personenidentischen Gesellschaften geurteilt. Nach den Grundsätzen jener Entscheidung begründet eine „Anteilsrotation” in der Person der Erwerberin der veräußerten Geschäftsanteile jedenfalls dann keinen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten, wenn die Veräußerer der Gesellschaftsanteile auf die Erwerberin keinen beherrschenden Einfluss ausüben können. Die fehlende Personenidentität erfordere vielmehr hinsichtlich der Anwendung des § 42 AO 1977 eine isolierte steuerrechtliche Beurteilung des Veräußerungs- und des Erwerbsgeschäfts. Dem liegt der Gedanke zu Grunde, dass es sich in derartigen Fällen jedenfalls beim fremden Erwerber regelmäßig um ein Geschäft handeln wird, von dem er sich einen nicht nur steuerlichen Vorteil verspricht.
Demgegenüber sind nach den Feststellungen des FG im Streitfall auf der Veräußerer- und Erwerberseite identische Personen beteiligt. Zwar hat das FG ausgeführt, dass die Beteiligungsverhältnisse der an beiden Gesellschaften beteiligten Gesellschafter differierten. Gleichwohl hat es dann, insbesondere unter Würdigung der Umstände im Zusammenhang mit dem Zustandekommen des Ausschüttungsbeschlusses und den Modalitäten im Zusammenhang mit der Kaufpreisfindung und -zahlung sowie der bestehenden engen familiären Beziehungen, einen Interessengleichlauf der beteiligten Gesellschafter angenommen. An diese Feststellungen ist der Senat mangels durchgreifender Verfahrensrügen gebunden (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Vor diesem Hintergrund hat das FG in Anlehnung an das (BFHE 186, 534, BStBl II 1999, 729) die Anteilsübertragung zwecks Vermeidung der Versteuerung der zuvor angesammelten ausschüttungsfähigen Gewinne als missbräuchlich bewertet und folgerichtig die steuerrechtlichen Konsequenzen nicht nur auf der Veräußerer-, sondern auch auf der Erwerberseite gezogen.
Dass den Entscheidungen in BFHE 186, 534, BStBl II 1999, 729 und in BFHE 196, 128 verschiedene Sachverhalte zu Grunde lagen, die eine abweichende Beurteilung und Entscheidung rechtfertigen, hat der I. Senat des BFH in der letztgenannten Entscheidung in BFHE 196, 128 zudem selbst ausgeführt (s. dort Abschn. II. Nr. 3 c).
Mit dem weiteren Vorbringen der Beschwerde, das FG habe zu Unrecht das Vorliegen der Personenidentität auf der Veräußerer- und Erwerberseite bejaht, wird lediglich ein Fehler bei der Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts im konkreten Einzelfall gerügt. Ein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO wird damit indes nicht dargelegt.
2. Ebenso wenig weicht die Vorentscheidung von dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2002, 91) ab. Auch insoweit sind die den Entscheidungen zu Grunde liegenden Sachverhalte nicht vergleichbar. In der Entscheidung in EFG 2002, 91 war zu beurteilen, ob die kurzzeitige Zwischenschaltung einer inländischen Kapitalgesellschaft zwecks Erwerbs der Anteile an zwei inländischen Gesellschaften, die von einer ausländischen nicht anrechnungsberechtigten Gesellschaft gehalten wurden, eine missbräuchliche Umgehung des § 50c des Einkommensteuergesetzes (EStG) darstellt. Das dort von dem FG erörterte Verhältnis des § 42 AO 1977 und des § 50c EStG war deshalb von vornherein auf den Streitpunkt „Teilwertabschreibung” beschränkt. Das Vorliegen einer missbräuchlichen Gestaltung war damit ausschließlich auf der Erwerberseite zu prüfen. Demgegenüber stellte sich die Frage des Vorliegens eines Gestaltungsmissbrauchs bei der hier zu beurteilenden Vorentscheidung bereits auf der Veräußererseite.
3. Eine Abweichung von dem (EFG 2001, 1474) liegt ebenfalls nicht vor. Der (hier) beschließende Senat hat die Entscheidung des (BFHE 202, 219, BStBl II 2003, 854) aufgehoben und einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten bejaht.
4. Schließlich rechtfertigt die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) aufgeworfene Rechtsfrage, ob die Anwendung des § 42 AO 1977 durch die Regelung des § 50c EStG ausgeschlossen ist, ebenso wenig die Zulassung der Revision. Denn die Rechtsfrage ist für die Entscheidung des Streitfalls nicht rechtserheblich. Die vorrangige Anwendung des § 50c EStG kann sich, wovon auch die Klägerin unter Hinweis auf die Urteile des BFH in BFHE 196, 128 und vom I R 55/95 (BFHE 181, 490, BStBl II 1998, 90) ausgeht, nur dann stellen, wenn die Frage des Gestaltungsmissbrauchs sich ausschließlich auf die Beurteilung der ausschüttungsbedingten Teilwertabschreibungen erstreckt. Im Streitfall hat das FG indes schon den Anteilsverkauf als Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten beurteilt, weil der Wille der Veräußerer nicht auf die Beteiligungsveräußerung, sondern von Anfang an auf die Geschäftsveräußerung gerichtet gewesen sei. Die Klägerin habe daher nur eine GmbH-Hülle incl. ausschüttungsfähiger Gewinne erwerben wollen.
Das FG hat sodann für den Senat bindend, wie bereits unter 1. ausgeführt, einen Interessengleichlauf der beteiligten Gesellschafter angenommen und deshalb die steuerlichen Folgen aus dem Gestaltungsmissbrauch nicht nur auf der Veräußerer-, sondern auch auf der Erwerberseite gezogen.
In diesem Zusammenhang verweist der erkennende Senat auch auf sein Urteil in BFHE 202, 219, BStBl II 2003, 854. Dort hat er im Falle einer Anteilsrotation nach Auseinandersetzung mit der von der Klägerin zitierten Rechtsprechung die im Zusammenhang mit dem Erwerb der Aktien stehenden Vorgänge bei der Erwerberin unter Heranziehung des § 42 AO 1977 unberücksichtigt gelassen. An dieser Entscheidung sah sich der Senat, ohne dies ausdrücklich zu erwähnen, nicht durch die Regelung des § 50c EStG gehindert.
Ist danach die von der Beschwerde aufgeworfene Rechtsfrage nicht klärungsfähig, kann dahinstehen, ob das Vorliegen eines Revisionszulassungsgrundes i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 1. Alternative FGO ordnungsgemäß dargelegt worden ist.
5. Von einer weiteren Begründung, insbesondere von der Darstellung des Tatbestandes, sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 2. Halbsatz FGO ab.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 1410
BFH/NV 2004 S. 1410 Nr. 10
DAAAB-25671