Gesonderte Feststellung von EW 1935 für Mietwohngrundstücke mit nicht Wohnzwecken dienenden Räumen im Beitrittsgebiet
Gesetze: BewG §§ 132, 19; GrStG §§ 42, 43, 44
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Eigentümerin eines im Beitrittsgebiet gelegenen, bebauten Grundstücks. Das 1982 errichtete Gebäude enthält 66 Wohneinheiten (Nutzfläche 4 544,16 qm), von denen seit 1990 eine Einheit (101,67 qm) und 1991 eine weitere Einheit (70 qm) zu gewerblichen Zwecken als Arztpraxis vermietet wurden.
Nach Ablauf des zehnjährigen Befreiungszeitraums nach § 43 des Grundsteuergesetzes (GrStG) meldete die Klägerin die Grundsteuer für 1993 unter Berechnung der Steuer nach der Ersatzbemessungsgrundlage (§ 42 GrStG) beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt —FA—) gemäß § 44 GrStG an.
1995 erhielt das FA Kenntnis davon, dass die beiden Einheiten zu gewerblichen Zwecken vermietet und damit nicht steuerbefreit waren. Es stellte deshalb für diesen nicht steuerbefreiten Teil der wirtschaftlichen Einheit (Arztpraxen) durch Bescheid vom im Wege der Nachfeststellung auf den unter dem Vorbehalt der Nachprüfung die Grundstücksart „Geschäftsgrundstück” und den Einheitswert mit 16 300 DM fest. Mit weiterem Bescheid vom stellte er im Hinblick auf den Wegfall der Steuerbefreiung für die Wohnungen im Wege der Art- und Wertfortschreibung auf den den Einheitswert auf 617 700 DM sowie die Grundstücksart „Mietwohngrundstück” fest.
Einspruch und Klage, mit denen sich die Klägerin (zunächst nur) gegen die Feststellungen im Feststellungsbescheid auf den wandte und u.a. geltend machte, die Feststellung eines Einheitswerts widerspreche § 132 des Bewertungsgesetzes (BewG), unterlaufe die Spezialvorschrift des § 42 GrStG und sei deshalb aufzuheben, blieben ohne Erfolg. Während des finanzgerichtlichen Verfahrens beantragt die Klägerin beim FA, auch den unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Feststellungsbescheid auf den aufzuheben. Diesen Antrag lehnte das FA ab. Über den hiergegen gerichteten Einspruch hat das FA bislang nicht entschieden.
Das Finanzgericht (FG) führt in seinem klageabweisenden Urteil aus, nach § 132 Abs. 1 BewG sei für den gewerblich genutzten Gebäudeteil ein Einheitswert auf den festzustellen gewesen. Hierbei handele es sich gemäß § 75 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 BewG um ein Geschäftsgrundstück, das bislang nicht bewertet und erstmals zum grundsteuerpflichtig geworden sei. Der Ausnahmetatbestand des § 132 Abs. 2 BewG gelte nur für Mietwohngrundstücke, nicht jedoch für Geschäftsgrundstücke. Die Art- und Wertfortschreibung auf den sei durch § 132 Abs. 4 BewG i.V.m. § 22 Abs. 1 Nr. 1, § 22 Abs. 2 und 4 BewG gedeckt. Der Wegfall der Grundsteuerbefreiung sei als Änderung der tatsächlichen Verhältnisse anzusehen und habe auch zu einer Änderung der Grundstücksart geführt und sich deswegen nicht nur auf den Wert des Grundstücks ausgewirkt.
Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren, die Feststellungsbescheide aufzuheben und die Grundsteuer nach der Ersatzbemessungsgrundlage zu erheben, weiter.
Sie beantragt, das sowie den Einheitswertbescheid auf den vom und die Einspruchsentscheidung vom aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung sowie der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
1. Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, der für die wirtschaftliche Einheit der Klägerin auf den bereits festgestellte Einheitswert 1935 sei nach § 132 Abs. 1 und 4 BewG (bereits) auf den hinsichtlich der Art und des Werts fortzuschreiben gewesen. Das FG hat nämlich verkannt, dass eine „wirksame” Feststellung des Einheitswerts für die wirtschaftliche Einheit der Klägerin auf den nicht vorliegt und deshalb der § 132 Abs. 2 BewG der hier allein streitigen Art- und Wertfortschreibung des Einheitswerts auf den entgegenstand.
Nach § 132 Abs. 2 BewG unterbleibt u.a. für am bestehende wirtschaftliche Einheiten „Mietwohngrundstücke” eine Feststellung des Einheitswerts 1935 auf den , wenn am keine „wirksame” Feststellung des Einheitswerts für die wirtschaftliche Einheit vorliegt und der Einheitswert nur für die Festsetzung der Grundsteuer erforderlich wäre.
a) An einer „wirksamen” Festellung des Einheitswerts 1935 auf den fehlt es hier deshalb, weil die Klägerin einen in formeller und materieller Hinsicht durchsetzbaren, noch nicht bestandskräftig entschiedenen Anspruch gegen das beklagte FA auf Aufhebung dieser Feststellung, d.h. des Feststellungsbescheids vom hat. Ist das FA verpflichtet, die Feststellung des Einheitswerts 1935 auf den aufzuheben, müsste es erstmals den Einheitswert 1935 auf den streitigen Stichtag (hier ) feststellen. Dies wollte der Gesetzgeber vermeiden. Denn der Sinn und Zweck des § 132 Abs. 2 BewG i.V.m. § 42 GrStG besteht gerade darin, die FÄ im Beitrittgebiet zu entlasten und ihnen die (erstmalige) Feststellung von Einheitswerten 1935 jedenfalls bei Mietwohngrundstücken und Einfamilienhäusern weitgehend zu ersparen.
Der Antrag der Klägerin, den Feststellungsbescheid vom aufzuheben, ist begründet, weil der gesonderten Feststellung des Einheitswerts der wirtschaftlichen Einheit der Klägerin auf den § 132 Abs. 2 BewG entgegensteht. Danach soll die Feststellung von Einheitswerten in all den Fällen unterbleiben, in denen —wie im Streitfall— die grundsteuerrechtliche Regelung in den §§ 42 ff. GrStG die Maßgeblichkeit der Ersatzbemessungsgrundlage anordnet. Nach der hier maßgebenden Spezialvorschrift des § 43 Abs. 2 Nr. 2 GrStG für Grundstücke im Beitrittsgebiet, bei denen sich —wie im Streitfall— auf einem Grundstück nur zum Teil steuerfreie Wohnungen i.S. von § 43 Abs. 1 GrStG befinden, ordnet das Gesetz (im Gegensatz zu den allgemeinen Bewertungsregeln) die Berechnung und Erhebung der Grundsteuer für das gesamte (Mietwohn-)Grundstück und nicht nur für den der Besteuerung unterliegenden Teil an und berücksichtigt die Steuerbefreiung nur in Form eines entsprechenden Abzugs von der für die Ermittlung der Ersatzbemessungsgrundlage maßgebenden Wohn- bzw. Nutzfläche. Bei dieser Steuerberechnungs- und Erhebungsmethode bedarf es keiner zusätzlichen Art- und Wertfeststellung hinsichtlich des nicht steuerbefreiten Teils des Mietwohngrundstücks. Die gegenteilige Auffassung des FG widerspricht dem Gesetzeszweck, die (erst im Aufbau befindliche) Finanzverwaltung in den neuen Bundesländern weitgehend von der Feststellung von Einheitswerten 1935 für am bereits bestehende Mietwohngrundstücke zu entlasten. Denn sie würde zu einer sachlich nicht zu begründenden, dem Entlastungszweck zuwiderlaufenden Beschneidung des Anwendungsbereichs der §§ 42, 43 Abs. 2 Nr. 2 GrStG führen, und zwar in den Fällen, in denen Mietwohngrundstücke neben steuerbefreiten Wohnungen nicht Wohnzwecken dienende Räume aufweisen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf das Urteil des Senats vom heutigen Tage in dem Verfahren II R 63/00, das den Prozessbeteiligten bekannt ist, Bezug genommen.
Der Anspruch der Klägerin ist auch verfahrensrechtlich noch durchsetzbar. Rechtsgrundlage für die Aufhebung des unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Feststellungsbescheids auf den ist § 164 Abs. 2 Satz 1 und 2 der Abgabenordnung (AO 1977). Die Klägerin hat vor Ablauf der Feststellungsfrist (§ 181 Abs. 1 und 3, § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO 1977) beantragt, die Feststellung aufzuheben. Über diesen Antrag hat das FA noch nicht bestandskräftig entschieden (§ 171 Abs. 3 AO 1977).
b) Bei der wirtschaftlichen Einheit der Klägerin handelt es sich im Übrigen um ein Mietwohngrundstück, für welches § 132 Abs. 2 BewG eine gesonderte Feststellung/Fortschreibung des Einheitswerts 1935 ausschließt. Denn nach den hier anzuwendenden Vorschriften des § 132 BewG i.V.m. § 32 der Durchführungsverordnung zum Reichsbewertungsgesetz (RBewDV) gelten als Mietwohngrundstücke solche Grundstücke, die zu mehr als 80 v.H. Wohnzwecken dienen, mit Ausnahme der Einfamilienhäuser. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Nach den Feststellungen des FG betrug am Stichtag die Gesamtnutzfläche des Gebäudes 4 544,16 qm, von denen lediglich 171,67 qm nicht (mehr) Wohnzwecken dienten, sodass hier ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, dass nach dem maßgeblichen Verhältnis der Jahresrohmiete (vgl. § 32 Abs. 2 RBewDV) für die steuerbefreiten Wohnungen die 80 v.H.-Grenze erreicht wurde.
2. Die Sache ist spruchreif.
Die angefochtene Feststellung auf den ist aus den unter 1. genannten Gründen rechtswidrig und deshalb einschließlich der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung aufzuheben.
Einer gesonderten Aufhebung des Steuermessbescheids bedarf es nicht, da das FA gesetzlich verpflichtet ist, diesen (Folgebescheid) nach der Aufhebung des Einheitswertbescheids (Grundlagenbescheid) gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 GrStG aufzuheben.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 1376
BFH/NV 2004 S. 1376 Nr. 10
MAAAB-25668