Voraussetzung für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn ein Fristverlängerungsantrag bei Gericht nicht eingegangen ist
Instanzenzug:
Gründe
I. Gegen das klageabweisende, in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 502 veröffentlichte Urteil des Finanzgerichts (FG) legten die Kläger und Revisionskläger (Kläger) —vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten— erfolgreich die Nichtzulassungsbeschwerde ein. Der Beschluss über die Zulassung der Revision wurde dem Prozessbevollmächtigten am zugestellt. Die Frist für die Begründung der Revision lief somit am ab. Innerhalb dieser Frist ging beim Bundesfinanzhof (BFH) keine Revisionsbegründung ein.
Auf den schriftlichen Hinweis des Senatsvorsitzenden vom , die Revisionsbegründung sei beim BFH erst am und damit verspätet eingegangen, trug der Prozessbevollmächtigte vor, „dass die Revision bereits am eingelegt worden ist und bezüglich Begründung um Fristverlängerung gebeten worden war”. „Rein vorsorglich” legte er zur Glaubhaftmachung einen Auszug aus dem Postausgangsbuch vom und eine Kopie des genannten Schreibens vom gleichen Tag vor. Zugleich beantragte er für den Fall, dass dieses Schreiben nicht dem BFH vorliegen sollte, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
In der Sache beantragen die Kläger die Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Einspruchsentscheidungen sowie die bezifferte Änderung der streitigen Bescheide.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise sie als unbegründet zurückzuweisen. Er wendet sich gegen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist.
II. Die Revision ist wegen Versäumung der Begründungsfrist als unzulässig zu verwerfen (§ 126 Abs. 1 FGO).
1. Die Kläger haben das Schreiben zur Begründung der Revision verspätet eingereicht. Die Frist zur Begründung der Revision endete am (§ 120 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 FGO). Innerhalb dieser Frist haben die Kläger weder die Revision begründet noch einen Antrag auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist gestellt. Der Schriftsatz vom ging beim BFH nicht ein.
2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist den Klägern nicht zu gewähren.
a) Einem Verfahrensbeteiligten, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 56 Abs. 1 FGO). Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; innerhalb dieser Frist muss die versäumte Rechtshandlung nachgeholt werden (§ 56 Abs. 2 Sätze 1 und 3 FGO).
Ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten müssen sich die Kläger wie eigenes Verschulden zurechnen lassen (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung —ZPO—; z.B. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 56 Rz. 6, m.w.N.).
b) Wird der Wiedereinsetzungsantrag —wie im Streitfall— damit begründet, dass ein innerhalb der Revisionsbegründungsfrist abgesendeter, aber beim BFH nicht eingegangener Fristverlängerungsantrag gestellt wurde, so sind die Tatsachen, aus denen sich die rechtzeitige Absendung bzw. Aufgabe zur Post ergibt, detailliert anzugeben. Dazu gehört nicht nur die Bezeichnung der Versendungsart, sondern auch die Darlegung, zu welchem Zeitpunkt (Tag und Uhrzeit) der Briefumschlag mit dem betreffenden Schriftsatz von welcher Person und auf welche Weise (Angabe des Postamts oder Einwurf in einen bestimmten Briefkasten) zur Post aufgegeben worden ist (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. , BFH/NV 2004, 655, m.w.N.). Bei Prozessbevollmächtigten ist außerdem die Schilderung der Fristenkontrolle sowie der Postausgangskontrolle nach Art und Umfang erforderlich (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2004, 655, und vom III R 66/97, BFH/NV 1998, 1231). Diese Angaben sind überdies glaubhaft zu machen, was gemäß § 155 FGO i.V.m. § 294 Abs. 1 ZPO durch eidesstattliche Erklärung derjenigen Person geschehen kann, die den Brief zur Post aufgegeben hat (BFH-Beschluss in BFH/NV 2004, 655).
Diesen Anforderungen entspricht der Wiedereinsetzungsantrag des Prozessbevollmächtigten der Kläger nicht. Es ist offen, ob der behauptete Fristverlängerungsantrag am und ggf. von wem er gefertigt wurde und wann und auf welche Weise er dem BFH übermittelt worden sein soll. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger hat keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich die rechtzeitige Aufgabe des Schriftsatzes zur Post oder eine rechtzeitige anderweitige Übermittlung ergeben könnten. Die bloße Vorlage einer Kopie des Postausgangsbuchs reicht hierfür nicht aus, weil sich daraus nicht die näheren Umstände über die Absendung des Schriftsatzes ergeben (vgl. auch BFH-Beschluss in BFH/NV 2004, 655, m.w.N.).
Im Übrigen handelt es sich bei dem vorgelegten Dokument offensichtlich um die Ablichtung des Ausdrucks einer elektronischen Datei. Es ist indes nicht erkennbar, dass zur Überwachung des „Postein- und Ausgangs” ein handelsübliches oder ein anderes Programm verwendet worden wäre, das den aus verfahrensrechtlichen Gründen zu stellenden Anforderungen an ein „elektronisches” Postausgangsbuch genügt (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom X R 42/01, BFH/NV 2002, 533).
3. Die vom FA aufgeworfene Frage, ob der am eingegangene Schriftsatz die Anforderungen an eine Revisionsbegründung überhaupt erfüllt, kann deshalb dahingestellt bleiben.
Fundstelle(n):
SAAAB-25666