BFH Beschluss v. - IX B 128/03

Rüge eines Verfahrensmangels wegen mangelnder Sachverhaltsaufklärung; Abgrenzung zwischen Herstellungskosten und Erhaltungsaufwendungen

Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3; HGB § 255

Instanzenzug:

Gründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Finanzgericht (FG) zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 116 Abs. 6 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

1. Die Revision gegen das angefochtene Urteil war nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Der Senat hält die Rüge der Kläger für begründet, das FG habe den seinem Urteil zugrunde gelegten Sachverhalt nicht gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO hinreichend erforscht.

2. Nach dieser Vorschrift hat das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären. Diesen Amtsermittlungsgrundsatz hat das FG —unbeschadet der Mitwirkungspflicht der Beteiligten— besonders zu beachten, soweit es sich um Feststellungen handelt, denen entscheidungserhebliche Bedeutung zukommt. In diesen Fällen muss es jedenfalls solchen tatsächlichen Zweifeln nachgehen, die sich ihm nach Lage der Akten und dem Vortrag der Beteiligten aufdrängen müssen (z.B. , BFH/NV 2004, 207, m.w.N.).

3. Im Streitfall hat das FG nicht hinreichend ermittelt, ob neben den zu Herstellungskosten führenden Umbaumaßnahmen Aufwendungen für einzelne abgrenzbare Maßnahmen als Erhaltungsaufwand sofort abziehbare Werbungskosten sind.

a) Herstellungskosten sind nach § 255 Abs. 2 Satz 1 des Handelsgesetzbuches die Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstandes, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen.

Baumaßnahmen zur Funktionsänderung eines Gebäudes können als Herstellungs- und Erweiterungsmaßnahmen zu beurteilen sein, wenn gegenüber dem früheren Bauzustand eine auf die angestrebte Funktionsänderung ausgerichtete Substanzvermehrung vorliegt, die über das bloße Zumauern von Türen hinausgeht (z.B. , BFH/NV 2002, 627; vom X R 20/01, BFH/NV 2003, 763, unter II. 3.). Eine zu Herstellungskosten führende wesentliche Verbesserung ist anzunehmen, wenn durch ein Bündel von Baumaßnahmen, die mindestens drei der vier für ein Gebäude wesentlichen Einrichtungen (Heizungs-, Sanitär- und Elektroinstallation sowie Fenster) betreffen, das Gebäude gegenüber seinem ursprünglichen Zustand in seinem Standard gehoben wird (z.B. , BFHE 201, 148, BStBl II 2003, 590; vom IX R 98/00, BFHE 200, 231, BStBl II 2003, 604, unter II. 2.). Das Gleiche (Zuordnung zu den Herstellungskosten) gilt auch für andere, mit den zuvor genannten bautechnisch im Zusammenhang stehende Baumaßnahmen (z.B. BFH-Urteil in BFHE 201, 148, BStBl II 2003, 590, unter II. 5. b aa, m.w.N.). Ein solcher Zusammenhang ist gegeben, wenn die einzelnen Baumaßnahmen wechselseitig voneinander abhängig, d.h. entweder die Erhaltungsarbeiten Vorbedingung für die Herstellungsarbeiten oder sonst durch sie veranlasst (verursacht) sind (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2002, 627, unter II. 2. c dd). Andere Aufwendungen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, sind (ggf. durch Schätzung) davon abzugrenzende sofort abziehbare Werbungskosten i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (z.B. BFH-Urteil in BFHE 201, 148, BStBl II 2003, 590, unter II. 5. b aa, m.w.N.).

b) Die Kläger haben in ihrer dem FG vorgelegten (tabellarischen) Aufstellung verschiedene Baumaßnahmen (z.B. den Austausch bereits vorhandener Dachfenster im Obergeschoss rechts und links, die Reparatur einer Rollladenkurbel im Erdgeschoss, Austausch bereits vorhandener Fenster im Erd- und Obergeschoss, Reparatur des gesamten Daches) als Instandhaltung bezeichnet. Das FG hat auch die hierfür entstandenen Aufwendungen als Herstellungskosten beurteilt. Aus dem Urteil des FG ergibt sich nicht, dass und warum u.a. diese Positionen mit den anderen, zu Herstellungskosten führenden Baumaßnahmen nach den unter II. 3. a) dargelegten Grundsätzen in bautechnischem Zusammenhang stehen und deshalb keine Erhaltungsaufwendungen sein können. Das FG hätte insoweit den Sachverhalt weiter aufklären und den Klägern Gelegenheit zum weiteren Vortrag geben müssen.

4. Entgegen der Auffassung des Beklagten und Beschwerdegegners haben die Kläger ihr Rügerecht nicht verloren. Zwar kann dies bei verzichtbaren Verfahrensmängeln —wie dem der unzureichenden Sachverhaltsaufklärung— auch durch bloßes Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge geschehen (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung). Dies kann jedoch nicht gelten, wenn sich der gerügte Verfahrensverstoß —wie im Streitfall— erst aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils ergibt und den Beteiligten daher eine rechtzeitige Rüge in der mündlichen Verhandlung nicht möglich war (z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 2004, 207, m.w.N.).

5. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO abgesehen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
DStRE 2004 S. 1187 Nr. 19
XAAAB-25313