BFH Urteil v. - X R 11/03

Im Rahmen einer Vermögensübergabe im Wege vorweggenommener Erbfolge vereinbarte Versorgungsleistungen als dauernde Last i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG

Gesetze: EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1a, § 22 Nr. 1

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Beigeladenen und Revisionskläger (Beigeladene) sind Eheleute, die im Streitjahr 1994 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden. Streitig ist, ob monatliche Zahlungen der Beigeladenen an ihren im Jahr 1995 verstorbenen Vater (V), dessen Gesamtrechtsnachfolgerin die Klägerin ist, nur mit dem Ertragsanteil als Leibrente oder in voller Höhe als dauernde Last zum Sonderausgabenabzug zuzulassen sind.

Die Beigeladene und V waren zu 90 % bzw. 10 % am Kommanditkapital einer GmbH & Co. KG (KG) sowie am Stammkapital der Komplementär-GmbH beteiligt. Mit notariellem Vertrag vom übertrug der damals 81 Jahre alte V seinen Mitunternehmeranteil —zu dem u.a. auch einige an die KG verpachtete Betriebsgrundstücke gehörten— auf die Beigeladene. Daneben wurden weitere Grundstücke, die nicht zum Betriebsvermögen gehörten, an die Beigeladene veräußert. Als Gegenleistung war für die Veräußerung des Grundbesitzes ein sofort fälliger Kaufpreis von 1 Mio. DM und für die Übertragung des Mitunternehmeranteils eine lebenslängliche monatliche Rente von 25 000 DM vereinbart, die im Falle des Vorversterbens des V an dessen —damals von ihm dauernd getrennt lebende— Ehefrau (E) weiterzuzahlen war und an den Preisindex für die Kosten der Lebenshaltung gekoppelt wurde. Zur Sicherung der Rentenverpflichtung wurde eine Gesamtreallast an sämtlichen übertragenen Grundstücken bestellt.

Die Beigeladene verpflichtete sich zur Übernahme der gesamten von V geschuldeten Einkommensteuer für 1990 sowie zur Übernahme von Steuern für frühere Jahre, soweit diese auf die Beteiligungen an der KG und der GmbH entfielen. Ferner verpflichtete sie sich, V von allen eventuellen Forderungen aus dem Gesellschaftsverhältnis, von allen etwaigen Ansprüchen, die in Zusammenhang mit dem Unternehmen erhoben werden könnten, sowie von allen etwaigen Zahlungsforderungen des Beigeladenen freizustellen. Sie übernahm alle Rechte und Pflichten des V aus einem näher bezeichneten Vertrag und verpflichtete sich, eine Darlehensschuld des V gegenüber einem Kreditinstitut abzulösen. V erklärte, darüber hinaus keine weiteren Verbindlichkeiten erfüllen zu müssen. Weiter heißt es wörtlich: „Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, dass…(V) die auf den Ertragsanteil gemäß § 22 EStG der Leibrente…bezogenen Steuern zukünftig selbst zahlt.”

Die Vertragsparteien erklärten gegenseitig den Verzicht auf das ihnen jeweils zustehende Erb- und Pflichtteilsrecht. Sie gaben an, anwaltlich beraten zu sein und den gesamten Vertrag mit ihren Anwälten eingehend erörtert und abgestimmt zu haben. Mit dem Vollzug des Vertrages sollten alle weitergehenden gegenseitigen Ansprüche zwischen den Parteien endgültig und vergleichsweise erledigt sein. Insbesondere verpflichtete sich V, eine beim Landgericht (LG) anhängige Klage wegen der Rückgabe eines Grundstücks sowie jeweils zwei beim Amtsgericht (AG) und LG anhängige Anträge auf Erlass einstweiliger Verfügungen auf Bauverbot und Zutrittsrecht zurückzunehmen und aus bereits ergangenen Entscheidungen keine weitergehenden Rechte gegenüber der KG herzuleiten. Die Beigeladene verpflichtete sich namens der KG, die gesamten Kosten der vorgenannten Verfahren zu tragen.

Am selben Tag wurde ein gesonderter Vertrag mit E abgeschlossen. Ebenfalls noch am errichtete V ein notarielles Testament. Darin widerrief er alle vorhergehenden letztwilligen Verfügungen und setzte seine damalige Lebensgefährtin —die Klägerin— zur Alleinerbin ein. Sein Reinvermögen gab er mit 1,5 Mio. DM an.

Ab dem wurden die monatlichen Zahlungen der Beigeladenen an V in Anwendung der Wertsicherungsklausel auf 27 392,50 DM erhöht.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1994 machten die Beigeladenen Zahlungen an V in Höhe von 300 000 DM mit dem Ertragsanteil (11 %) als Sonderausgaben geltend, die das damals zuständige Finanzamt (FA X) entsprechend berücksichtigte. Später beantragten die Beigeladenen die Änderung dieses Bescheids und begehrten, 12 Zahlungen zu je 27 392,50 DM in voller Höhe als dauernde Last zum Sonderausgabenabzug zuzulassen. Das Einspruchsverfahren, zu dem die Klägerin nach § 174 Abs. 5 der Abgabenordnung (AO 1977) hinzugezogen worden war, hatte Erfolg: In der Einspruchsentscheidung setzte das FA X die Einkommensteuer der Beigeladenen unter Berücksichtigung einer dauernden Last in Höhe von 328 710 DM herab.

Dagegen richtete sich die Klage der Klägerin, der das Finanzgericht (FG) —nach Beiladung der Beigeladenen gemäß § 60 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO)— stattgab (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2003, 694).

Mit ihrer Revision bringen die Beigeladenen vor, nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei bei Versorgungsverträgen grundsätzlich von der Abänderbarkeit der Leistungen auszugehen. Ferner wenden sie sich gegen die Vertragsauslegung des FG.

Die Beigeladenen beantragen,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Der Beklagte (das Finanzamt —FA—) hat keinen ausdrücklichen Antrag gestellt, schließt sich nunmehr aber der Rechtsauffassung des FG an.

II. Die Revision ist im Ergebnis nur zu einem kleinen Teil begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur anderweitigen Festsetzung der Einkommensteuer für das Streitjahr (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO).

1. Der Vertrag vom enthält eine Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen (unten 2.). Die Würdigung des FG, die Vertragsparteien hätten im Streitfall —ausnahmsweise— gleichmäßige Leistungen vereinbart, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (unten 3.). Allerdings hat das FG übersehen, dass nach seinen eigenen Feststellungen im Streitjahr infolge der Anwendung der Wertsicherungsklausel höhere als die bisher berücksichtigten Versorgungsleistungen gezahlt worden sind (unten 4.). Der Senat kann trotz der dem FG bei der Abfassung von Rubrum und Tenor seines Urteils unterlaufenen Fehler durcherkennen, weil es sich dabei nicht um Verfahrensfehler handelt, die zu einer Zurückverweisung der Sache zwingen würden (unten 5.).

2. Im Ergebnis zu Recht hat das FG die im Vertrag vom hinsichtlich des Mitunternehmeranteils und der wiederkehrenden Leistungen getroffenen Vereinbarungen als Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen angesehen.

Als Sonderausgaben abziehbar sind die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und dauernden Lasten, die nicht mit Einkünften in Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a des EinkommensteuergesetzesEStG—). Dauernde Lasten sind in vollem Umfang abziehbar; Leibrenten können nur mit dem Ertragsanteil abgezogen werden, der sich aus der in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG aufgeführten Tabelle ergibt (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 EStG).

Werden wiederkehrende Leistungen in sachlichem Zusammenhang mit der Übertragung von Vermögen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge zugesagt (private Versorgungsrenten), stellen diese weder Veräußerungsentgelt des Übergebers noch Anschaffungskosten des Übernehmers dar, sondern sind spezialgesetzlich den Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG) und den wiederkehrenden Bezügen (§ 22 Nr. 1 Satz 1 EStG) zugeordnet (, BFHE 184, 337, BStBl II 1997, 813 unter II.1.b, mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

Für die Zuordnung zu diesem Typus der privaten Versorgungsrente kommt es zwar nicht —wie das FG offenbar meint— auf das Verhältnis des Kapitalwerts der zugesagten wiederkehrenden Leistungen zum Wert des übertragenen Vermögens an, sondern darauf, ob die Leistungen aus den Nettoerträgen des übertragenen Vermögens erbracht werden können (, BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95). Auch dies ist nach den vom FG festgestellten Verhältnissen des Jahres der Übergabe und der beiden vorangehenden Jahre aber der Fall.

Entgegen der im Revisionsverfahren geäußerten Auffassung der Klägerin wird die Einordnung als Versorgungsvertrag weder durch die Vereinbarung eines Erb- und Pflichtteilsverzichts noch durch bestehende Interessengegensätze zwischen den Vertragsparteien ausgeschlossen. Denn sowohl die Abgabe entsprechender Verzichtserklärungen in Bezug auf den zu erwartenden „Rest-Nachlass” —in der Regel zugunsten von weiteren Angehörigen des Übergebers, denen die vorweggenommene Erbfolge nicht zugute kommt— als auch das Bestehen gewisser Interessengegensätze zwischen der aus dem aktiven Wirtschaften ausscheidenden und der nachrückenden Generation sind denjenigen Übergabesituationen, die den hier maßgeblichen Typus prägen, nicht fremd. Mit einem Übergabevertrag gegen Versorgungsleistungen werden typischerweise gegenläufige Interessen von Übergeber und Übernehmer des Vermögens ausgeglichen (Senatsurteil vom X R 165/90, BFHE 168, 561, BStBl II 1992, 1020 unter 2.e).

3. Die Würdigung des FG, die vereinbarten Versorgungsleistungen seien nicht abänderbar gewesen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Die Auslegung von Verträgen gehört zu den tatsächlichen Feststellungen i.S. des § 118 Abs. 2 FGO, die das Revisionsgericht nur darauf überprüfen kann, ob die gesetzlichen Auslegungsregeln (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs —BGB—), die Denkgesetze und mögliche Erfahrungssätze zutreffend angewendet worden sind. Ist demgemäß die Würdigung durch das Tatsachengericht zwar nicht zwingend, aber doch möglich, so ist sie revisionsrechtlich bindend (, BFHE 201, 278, BStBl II 2003, 467 unter 1.a cc).

a) Für die Einordnung von Versorgungsleistungen als Leibrente oder dauernde Last haben der Große Senat und im Anschluss daran der erkennende Senat die folgenden Grundsätze aufgestellt:

aa) Wiederkehrende Sach- und Geldleistungen, die in sachlichem Zusammenhang mit einer Vermögensübergabe vereinbart werden, stellen dauernde Lasten dar, wenn sie abänderbar sind (, BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78 unter C.II.3.).

bb) Für eine steuerrechtlich zu beachtende Änderungsklausel genügt der Vorbehalt der Rechte aus § 323 der Zivilprozessordnung (ZPO), weil dies so zu verstehen ist, dass der Vertrag nach Maßgabe des materiellen Rechts, auf das diese Vorschrift Bezug nimmt, abänderbar sein soll. Eine solche ausdrückliche Bezugnahme auf § 323 ZPO führt jedoch nicht zur Annahme abänderbarer Leistungen, wenn die Vertragspartner deren Höhe nach dem Inhalt der gesamten Vereinbarungen materiell-rechtlich von Voraussetzungen abhängig gemacht haben, die einer Wertsicherungsklausel entsprechen (, BFH/NV 1994, 848, m.w.N. der älteren Rechtsprechung, und in BFHE 184, 337, BStBl II 1997, 813 unter II.1.b aa).

cc) Fehlt eine Bezugnahme auf § 323 ZPO, kann sich eine gleichwertige Änderungsmöglichkeit aufgrund eines Vertragsinhalts ergeben, der eine Anpassung nach den Bedürfnissen des Übergebers oder der Leistungsfähigkeit des Übernehmers erlaubt (BFH-Beschluss in BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78 unter C.II.3.c). Die Abänderbarkeit kann auch aus der Rechtsnatur des typischen Versorgungsvertrags folgen (Senatsurteil vom X R 141/88, BFHE 166, 564, BStBl II 1992, 499 unter 3., 4.). Die Rechtsprechung geht im Anschluss an die vorgenannte Entscheidung des Großen Senats davon aus, dass Versorgungsleistungen, die in sachlichem Zusammenhang mit der Übergabe von existenzsicherndem Vermögen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge vereinbart werden, „im Regelfall” abänderbar sind (, BFH/NV 1992, 595; vom X R 141/90, BFH/NV 1994, 845 unter 2.b; vom IX R 86/93, BFHE 181, 175, BStBl II 1997, 47 unter 2.d aa, und vom X R 87/95, BFH/NV 2000, 12 unter II.1.b), es sei denn, aus dem Vertrag ergibt sich, dass die Parteien ausnahmsweise gleichbleibende Leistungen vereinbart haben (Senatsentscheidungen vom X R 85/94, BFHE 182, 110, BStBl II 1997, 284; in BFH/NV 2000, 12, und vom X B 50/00, BFH/NV 2001, 592).

b) Das FG hat die vorstehend dargestellten Grundsätze beachtet. Es ist davon ausgegangen, dass Versorgungsleistungen im Regelfall aufgrund des Rechtscharakters derartiger Verträge auch ohne ausdrückliche Bezugnahme auf § 323 ZPO als abänderbar anzusehen sind, sich im Einzelfall aber ausnahmsweise aufgrund einer Auslegung des Vertrages die Vereinbarung gleichbleibender Leistungen ergeben kann.

Auch die Auslegung des FG, der im Streitfall zu beurteilende Vertrag lasse keine Abänderung der wiederkehrenden Leistungen zu, erweist sich jedenfalls als möglich.

aa) Das FG hat zunächst ausgeführt, eine Anpassung an ein etwa steigendes Versorgungsbedürfnis des V sei ersichtlich nicht gewollt gewesen. In der Tat ist es bei monatlichen Leistungen in einer Höhe von anfänglich 25 000 DM —die zudem noch wertgesichert waren— kaum denkbar, dass das Versorgungsbedürfnis über die zugesagten Leistungen hinaus gehen kann. Zudem hatte V eine Barzahlung von 1 Mio. DM erhalten und war durch die Beigeladene von allen Verbindlichkeiten umfassend freigestellt worden; im Testament hatte er den Wert seines —nach Vertragsschluss verbleibenden— Reinvermögens mit 1,5 Mio. DM angegeben. Angesichts dieser Verhältnisse stellt sich der Schluss des FG, für die Parteien habe von vornherein kein Anlass bestanden, eine Anpassung der Leistungen an ein etwa steigendes Versorgungsbedürfnis zu erwägen, als rechtsfehlerfrei dar.

bb) Weiter hat das FG ausgeführt, auch eine Anpassung an eine etwa verminderte Leistungsfähigkeit der Beigeladenen sei nicht gewollt gewesen. Für diese Auslegung hat das FG sich zunächst auf die strenge Absicherung der Versorgungsleistungen gestützt, die auch die mögliche Veräußerung des entgeltlich bzw. teilentgeltlich erworbenen Vermögens für den Fall, dass die Leistungen nicht mehr aus den laufenden Unternehmenserträgen erbracht werden könnten, einschloss. Vor allem aber hat das FG sein Auslegungsergebnis auf das völlige Schweigen des Vertrages zu dieser —auch nach dem eigenen Vorbringen der Beigeladenen angesichts der stark schwankenden Erträge der KG— wesentlichen Frage trotz der im Übrigen außerordentlich hohen Regelungsdichte gestützt.

Auch diese Ausführungen lassen einen Rechtsfehler nicht erkennen. Die Würdigung des FG, der Vertrag enthalte nach seinem Gesamtcharakter eine umfassende und bis in Einzelheiten gehende Regelung aller zwischen den Parteien bestehenden vermögensrechtlichen Fragen, was auch dadurch bestätigt werde, dass gleichzeitig ein Vertrag mit E —auf den im hier maßgebenden Vertrag zudem verwiesen wurde— abgeschlossen worden sei sowie V ein neues Testament zugunsten der Klägerin errichtet habe, ist zumindest vertretbar. Der Senat verweist insoweit auch auf seine Entscheidungen vom X R 85/94, BFHE 182, 110, BStBl II 1997, 284, sowie in BFH/NV 2001, 592, in denen er jeweils die Abänderbarkeit von Versorgungsleistungen, die auf einem gerichtlichen Vergleich beruhten, verneint hat. Der vorliegend zu beurteilende Vertrag, mit dem auch fünf Zivilrechtsstreitigkeiten außergerichtlich erledigt worden sind und der eine Gesamtregelung der vermögensrechtlichen Fragen bewirkt hat, kommt derartigen gerichtlichen Vergleichen im Ergebnis nahe.

Zu Recht hat das FG in seine Würdigung auch die Erwägung einbezogen, die steuerlich und anwaltlich umfassend beratenen Parteien hätten der Vereinbarung —aus ihrer damaligen Sicht— die frühere Rechtsprechung des BFH zugrunde gelegt, wonach die Leistungen nur bei einer eindeutigen Vereinbarung als abänderbar anzusehen seien.

c) Die dagegen gerichteten Einwendungen der Revision greifen nicht durch.

Ohne Rechtsfehler hat das FG für seine Auslegung den gesamten Inhalt des zwischen der Beigeladenen und V abgeschlossenen Vertrages vom herangezogen. Angesichts der vielfältigen, vom FG aufgezeigten Verflechtungen zwischen den in der Urkunde enthaltenen Einzelregelungen wäre die von den Beigeladenen vertretene Beschränkung der Auslegung auf diejenigen Regelungen, die ausschließlich die Übertragung des Mitunternehmeranteils und die Zusage der wiederkehrenden Leistungen betreffen, nicht sachgerecht.

Unzutreffend ist das Vorbringen der Revision, das FG sei davon ausgegangen, dass entscheidend auf die fehlende ausdrückliche Vereinbarung der Abänderbarkeit abzustellen sei. Das FG hat lediglich festgestellt, dass § 323 ZPO im Vertrag nicht ausdrücklich für anwendbar erklärt worden ist; es hat seine Auffassung, dass hier gleichmäßige Leistungen vereinbart worden seien, aber nicht auf diesen Umstand, sondern auf eine umfassende Gesamtwürdigung und -auslegung des Vertragsinhalts gestützt.

Die Auffassung der Revision, aus dem hohen Grad der Regelungsdichte hätte sich ebenso der Schluss ziehen lassen, dass die Parteien die Abbedingung der Abänderbarkeit ausdrücklich geregelt hätten, wenn sie dieses Ergebnis gewollt hätten, verkennt den Prüfungsumfang des Revisionsgerichts bei einer vom Tatrichter vorgenommenen Vertragsauslegung: Eine solche Auslegung kann nur darauf überprüft werden, ob sie möglich ist; sie muss hingegen nicht zwingend sein (vgl. oben vor a). Die Revision macht insoweit aber lediglich geltend, dass auch eine andere Auslegung möglich gewesen wäre, was revisionsrechtlich indes unbeachtlich ist.

Das weitere Vorbringen, die Erwähnung des Begriffs „Leibrente” im Vertrag sei für die Auslegung nicht bindend, ist zwar zutreffend, verhilft aber der Revision nicht zum Erfolg, weil das FG eine solche Bindungswirkung ersichtlich nicht angenommen hat. Vielmehr hat es aus anderen Auslegungsgesichtspunkten die Überzeugung gewonnen, dass die Parteien keine Abänderbarkeit der vereinbarten Leistungen gewollt hätten und erst abschließend darauf hingewiesen, dass dieser Wille auch im Vertragstext —durch die Erwähnung der Begriffe „Leibrente” und „Ertragsanteil"— seinen Niederschlag gefunden habe.

Unzutreffend ist die Behauptung der Revision, das FG habe aus der Behandlung der Zahlungen als Leibrente in der ursprünglichen Steuererklärung der Beigeladenen den Schluss gezogen, dass diese ebenfalls vom Vorliegen einer Leibrente ausgegangen seien. Ein solcher Schluss ist im angefochtenen Urteil nicht enthalten; das FG hat die Tatsache, dass die Beigeladenen selbst die Zahlungen als Leibrente erklärt haben, im Rahmen seiner Vertragsauslegung nicht verwertet. Das Vorbringen der Beigeladenen, sowohl für die Vorjahre als auch für die Folgejahre seien die Leistungen als dauernde Last geltend gemacht worden, stellt angesichts insoweit fehlender Feststellungen des FG einen im Revisionsverfahren unzulässigen Vortrag neuer Tatsachen dar. Es steht im Übrigen in Widerspruch zum Inhalt der Akten: Danach haben die Beigeladenen in ihren Steuererklärungen für die Jahre 1990 bis 1994 jeweils nur den Abzug des Ertragsanteils als Sonderausgaben begehrt und sind —wie auch der Rentenberechtigte— zunächst entsprechend veranlagt worden (vgl. Vermerke des FA vom und über das Telefonat vom sowie Änderungsantrag der Beigeladenen vom ). Auf die Behandlung in den Vor- und Folgejahren kommt es angesichts des Grundsatzes der Abschnittsbesteuerung aber ohnehin nicht an.

4. Nach den Feststellungen des FG sind im Streitjahr nicht die von den Beigeladenen ursprünglich angegebenen 300 000 DM, sondern —infolge der zum vorgenommenen Anpassung des Zahlbetrags an den gestiegenen Preisindex für die Lebenshaltungskosten— 328 710 DM an V gezahlt worden. Bei einem Alter des Rentenberechtigten von 81 Jahren ergibt sich für die Leibrente nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 i.V.m. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG ein Ertragsanteil von 11 % und ein Abzugsbetrag von 36 158,10 DM. Die Klage kann danach nur insoweit Erfolg haben, als das FA X in der Einspruchsentscheidung einen über den genannten Betrag hinausgehenden Sonderausgabenabzug zugelassen hat.

5. Der Senat kann trotz der dem FG bei der Abfassung von Rubrum und Tenor seines Urteils unterlaufenen Fehler durcherkennen, weil es sich dabei jeweils nicht um Verfahrensfehler handelt, die zu einer Zurückverweisung der Sache zwingen würden.

a) Der Senat wertet die Tatsache, dass das FG sein am ergangenes Urteil gegen das FA X gerichtet hat, obwohl seit dem aufgrund der Verordnung vom (GVBl NRW 2002, 378, BStBl I 2002, 838) die Verwaltungskompetenz für die Besteuerung der Beigeladenen auf das FA übergegangen war, als offenbare Unrichtigkeit i.S. des § 107 FGO. Ein Rechtsfehler (Verkennen des eingetretenen gesetzlichen Beteiligtenwechsels, vgl. dazu , BFHE 124, 299, BStBl II 1978, 310, und vom I R 17/01, BFHE 200, 521, BStBl II 2003, 631) ist hier auszuschließen, weil das FG zur mündlichen Verhandlung das zuständige FA geladen und diesem auch das angefochtene Urteil zugestellt hat.

Eine Berichtigung des Rubrums des finanzgerichtlichen Urteils ist entbehrlich, da der Senat die Vorentscheidung insgesamt aufhebt.

Im Hinblick auf das fehlerhafte Rubrum des FG-Urteils sieht es der Senat als unschädlich an, dass auch die Revision gegen das nicht mehr zuständige FA X gerichtet ist.

b) Das FG hat im Tenor seines Urteils nicht nur die Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom ausgesprochen, sondern zusätzlich auch den Einkommensteuer-Änderungsbescheid 1994 vom aufgehoben.

Obwohl dies weder von der Klägerin beantragt war noch ersichtlich ist, inwieweit dieser —gegen die Beigeladenen ohne Hinzuziehung der Klägerin ergangene— Bescheid die Klägerin beschweren könnte, ist diese Abweichung vom Klageantrag in der besonderen Konstellation des Streitfalls nicht als Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens (Überschreitung der durch das Klagebegehren gezogenen Grenzen entgegen § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO; dazu BFH-Entscheidungen in BFHE 168, 561, BStBl II 1992, 1020, und vom VII B 210/99, BFH/NV 2000, 166), sondern lediglich als einfacher Rechtsfehler zu werten, der nicht dazu führt, dass die Feststellungen des FG wegfallen.

Denn nach Maßgabe des Tenors des finanzgerichtlichen Urteils würde der vorletzte Änderungsbescheid vom an die Stelle des aufgehobenen Bescheids vom treten. In dem erstgenannten Änderungsbescheid war die Einkommensteuer auf 897 161 DM festgesetzt worden. Dieser Betrag lag innerhalb des dem FG aufgrund des Klagebegehrens zustehenden Änderungsrahmens, der sich zwischen den Steuerfestsetzungen im Änderungsbescheid vom (987 423 DM) und in der Einspruchsentscheidung (843 512 DM) erstreckte.

6. Die Übertragung der Steuerberechnung auf das FA beruht auf § 100 Abs. 2 Satz 2, § 121 Satz 1 FGO.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrenes folgt aus § 135 Abs. 3, § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO. Den Beigeladenen waren diese Kosten in vollem Umfang aufzuerlegen, weil ihre Revision ganz überwiegend —zu 99%— erfolglos geblieben ist. Das FA war insoweit nicht mit Kosten zu belasten, weil es sich im Revisionsverfahren der —im Ergebnis ganz überwiegend bestätigten— Entscheidung der Vorinstanz angeschlossen und keinen eigenen Antrag gestellt hatte. Die Entscheidung über die Kosten des Klageverfahrens folgt aus § 135 Abs. 1, 3 und 5 FGO.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 1389
BFH/NV 2004 S. 1389 Nr. 10
YAAAB-25288