Vor dem erlassene Duldungsbescheide werden durch das AnfG 1999 nicht berührt; keine Verletzung des rechtlichen Gehörs bei Präklusion
Gesetze: AO § 191 Abs. 1; AnfG § 20; FGO § 79b
Instanzenzug:
Gründe
Mit Bescheiden vom…1994 und vom…1994 in der Fassung der Einspruchsentscheidungen vom…1995 hat der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) im Wege der Gläubigeranfechtung gemäß § 191 der Abgabenordnung (AO 1977) i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 3 und 4 des Gesetzes betreffend die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Konkursverfahrens vom 21. Juli 1879 i.d.F. der Bekanntmachung vom 20. Mai 1898 (RGBl, 709) —Anfechtungsgesetz (AnfG a.F.)— wegen fälliger und vollstreckbarer Steuerrückstände ihres Ehemanns auf Duldung der Zwangsvollstreckung in die ihr von ihrem Ehemann mit notariellem Vertrag vom übertragenen hälftigen Miteigentumsanteile an den Grundstücken X-Straße 1 in A und Y-Straße 2 und 3 in B in Anspruch genommen.
Das nach erfolglosen Einsprüchen von der Klägerin angerufene Finanzgericht (FG) hielt die Inanspruchnahme für rechtmäßig und führte dazu im Wesentlichen aus: Die Rechtswirkung der bereits im Jahre 1994 erlassenen Duldungsbescheide werde nicht durch das am in Kraft getretene Gesetz über die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Insolvenzverfahrens (Anfechtungsgesetz 1999 —AnfG 1999—) vom (BGBl I, 2911) berührt. Die Voraussetzungen des Anfechtungstatbestandes des § 3 Abs. 1 Nr. 4 AnfG a.F. seien erfüllt, da die Klägerin für die Übertragung der ideellen Miteigentumsanteile an den Grundstücken durch ihren Ehemann, den Vollstreckungsschuldner, keine nachvollziehbare und nachprüfbare Gegenleistung erbracht habe. Die Klägerin sei der gerichtlichen Aufklärungsanordnung vom , detailliert und nachprüfbar nachzuweisen, auf welche Weise die Zahlung des im notariellen Vertrag angesetzten Kaufpreises in Höhe von ... DM an ihren Ehemann erfolgt sei, bis zum Ablauf der mit Verfügung vom hierfür schließlich nach § 79b Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gesetzten Ausschlussfrist bis zum , verlängert bis zum , nicht nachgekommen. Auch sei für diese Fristversäumnis eine Entschuldigung nicht vorgebracht worden. Eine nachträgliche Zulassung der mit Schriftsatz vom vorgetragenen Erklärungen und Beweismittel komme nicht in Betracht, da dies zur Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits weiter verzögern würde (§ 79b Abs. 3 FGO).
Gegen dieses Urteil des FG richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, die auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) und den Verfahrensmangel der Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) gestützt wird.
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Es muss sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln (, BFHE 144, 133, BStBl II 1985, 605), die klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. die Hinweise bei Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl. 2002, § 115 Rz. 23 ff.). Nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache in der Beschwerdeschrift schlüssig und substantiiert dargelegt werden. Dazu ist erforderlich, dass der Beschwerdeführer konkret auf die Rechtsfrage, ihre Klärungsbedürftigkeit und ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung sowie darauf eingeht, weshalb von der Beantwortung der Rechtsfrage die Entscheidung über die Rechtssache abhängt (ständige Rechtsprechung, vgl. , BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479).
Der Senat kann offen lassen, ob die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der von ihr aufgeworfenen Rechtsfrage, ob durch die Neufassung des AnfG zum die Geltendmachung der Anfechtung durch Duldungsbescheid nach § 191 AO 1977 kraft Gesetzes unzulässig geworden sei, hinreichend i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt hat, denn diese Rechtsfrage ist nicht mehr klärungsbedürftig und hat deshalb keine grundsätzliche Bedeutung. Mit Beschluss vom VII B 90/99 (BFH/NV 2000, 821), worauf schon das FG die Klägerin hingewiesen hat, hat der BFH entschieden, dass nach klarer Regelung des Gesetzes vor dem erlassene Duldungsbescheide durch das AnfG 1999 nicht berührt werden sollen. Der BFH hat in dieser Entscheidung darauf hingewiesen, dass die Übergangsregelung des § 20 Abs. 2 Satz 2 AnfG 1999, wonach das AnfG a.F. weiter auf die Fälle anzuwenden ist, bei denen die Anfechtbarkeit vor dem gerichtlich geltend gemacht worden ist, nach Art. 97 § 11b Satz 2 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (EGAO 1977) i.d.F. von Art. 18 Nr. 5 des Steuerbereinigungsgesetzes 1999 (StBereinG 1999) vom (BGBl I, 2601) mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass der Erlass eines Duldungsbescheids vor dem der gerichtlichen Geltendmachung vor dem gleichsteht. Eine unzulässige Rückwirkung sei darin nicht zu sehen. An dieser Rechtsprechung hat der BFH auch in der Folge festgehalten (vgl. BFH-Beschlüsse vom VII B 14/01, BFH/NV 2002, 757, und zuletzt vom VII B 255/03, nicht veröffentlicht). Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz (GG) bestätigt (vgl. , Deutsche Steuer-Zeitung —DStZ— 2004, 342). Damit steht fest, dass die Neufassung des AnfG Duldungsbescheide, die —wie im Streitfall— vor dem In-Kraft-Treten des AnfG 1999 erlassen worden sind, unberührt lässt. Weiteren Klärungsbedarf hierzu sieht der Senat nicht, zumal die Klägerin nur kursorisch auf diese Rechtsprechung des BFH eingegangen ist.
Sollte die aufgeworfene Rechtsfrage dahin zu verstehen sein, ob die Finanzverwaltung nach In-Kraft-Treten des AnfG 1999 noch einen Duldungsbescheid nach § 191 AO 1977 erlassen darf, so wäre diese Frage nicht klärungsfähig, da es sich im Streitfall um Duldungsbescheide handelt, die auf dem AnfG a.F. beruhen. Im Übrigen verweist der Senat auf § 191 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 i.d.F. von Art. 17 StBereinG 1999, der nach Art. 97 § 11b Satz 1 EGAO 1977 mit Wirkung vom anzuwenden ist.
2. Soweit die Klägerin als Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) die Verletzung ihres Rechts auf Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) rügt, weil das FG in seinem Urteil die im Schriftsatz vom vorgebrachten Tatsachen nicht berücksichtigt habe, ist die Beschwerde unzulässig, weil die Klägerin den behaupteten Verfahrensmangel nicht schlüssig dargelegt hat, so wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt. Der Anspruch auf rechtliches Gehör gewährt keinen Schutz gegen gerichtliche Entscheidungen, die den Vortrag eines Beteiligten aus materiell-rechtlichen oder formellen Gründen ganz oder teilweise außer Betracht lassen (BFH-Beschlüsse vom I B 120/98, BFH/NV 1999, 1360, und vom V B 85/03, juris). Im Streitfall hat das FG den Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom nach § 79b Abs. 3 FGO, mithin aus formellen Gründen, zurückgewiesen, weil die Klägerin die ihr mit Verfügung des Berichterstatters vom gemäß § 79b Abs. 2 Nr. 1 gesetzte Ausschlussfrist, bis zum , auf Antrag der Klägerin dann mit Verfügung vom verlängert bis zum , dem Gericht detailliert und nachvollziehbar nachzuweisen, auf welche Weise die Zahlung des Kaufpreises für die betreffenden Grundstückshälften an ihren Ehemann erfolgt sei, ungenutzt hat verstreichen lassen.
Etwas anderes könnte nur gelten, wenn die Fristsetzung selbst oder die Zurückweisung des Vortrags fehlerhaft gewesen wäre, das FG also gegen § 79b FGO verstoßen hätte. Davon kann im Streitfall jedoch keine Rede sein. Die Klägerin war nach § 79b Abs. 2 Nr. 1 FGO wirksam aufgefordert worden, zu einer genau bezeichneten Frage, für die die Klägerin im Rahmen der Anwendung des § 3 Abs. 1 Nr. 4 AnfG a.F. die Darlegungslast trug, innerhalb einer im Ergebnis ca. sechswöchigen Ausschlussfrist Tatsachen anzugeben oder Beweismittel vorzulegen, welche die vom FA angenommene Unentgeltlichkeit der hälftigen Grundstücksübertragungen durch den Ehemann der Klägerin widerlegen könnten. Auf die Folgen einer Fristversäumnis war die Klägerin in der Verfügung hingewiesen worden. Auch die Annahme des Gerichts, dass die Berücksichtigung der mit Schriftsatz vom verspätet vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel die Erledigung des Rechtsstreits unangemessen verzögern würde, ist schon in Anbetracht der Tatsache, dass zu diesem Zeitpunkt der Termin zur mündlichen Verhandlung am längst anberaumt war und kurz bevorstand, nicht zu beanstanden. Eine Berücksichtigung des verspäteten Vorbringens hätte mit Sicherheit dazu geführt, dass der Rechtsstreit länger gedauert hätte als bei Zurückweisung des Vorbringens (vgl. zu diesem Gesichtspunkt —absoluter Verzögerungsbegriff— das , BFHE 189, 3, BStBl II 1999, 664), denn der Rechtsstreit hätte schon deshalb nicht in der auf den anberaumten mündlichen Verhandlung erledigt werden können, weil es dem FA nicht zuzumuten gewesen wäre, innerhalb von nur sieben Tagen zum Schriftsatz der Klägerin mit den zahlreichen Beweisanträgen Stellung zu nehmen. Dass der Rechtsstreit als solcher schon jahrelang beim FG anhängig war, ist dabei ohne Bedeutung. Ferner ist das FG zu Recht auch davon ausgegangen, dass die Klägerin die Verspätung nicht genügend entschuldigt hat. Die Klägerin hat weder schriftsätzlich noch mündlich im Termin zur mündlichen Verhandlung irgendeine Erklärung für die Säumnis abgegeben. Da schließlich der Sachverhalt mit geringem Aufwand auch nicht vom FG selbst bis zur Entscheidungsreife ermittelt werden konnte, weil die aufzuklärenden Umstände ausschließlich in den Wissensbereich der Klägerin fielen, waren alle Voraussetzungen des § 79b Abs. 3 FGO für eine Zurückweisung des verspäteten Vorbringens erfüllt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 189, 3, BStBl 1999, 664, und , BFH/NV 2002, 801).
Im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin musste das FG die Klägerin auch nicht darauf hinweisen, etwaige Entschuldigungsgründe bis zum Abschluss der mündlichen Verhandlung noch geltend zu machen (vgl. , BFH/NV 2002, 1459). Dies gilt auch dann, wenn die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem FG anwaltlich nicht vertreten gewesen sein sollte (was zweifelhaft ist, da ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung ein Assessor den Termin zusammen mit der Klägerin wahrgenommen und die Anträge gestellt hat), denn der Klägerin war bereits aus der gerichtlichen Verfügung vom bekannt bzw. es hätte ihr hieraus bekannt sein müssen, dass zur Vermeidung prozessualer Nachteile etwa verspätetes Vorbringen unbedingt „genügend zu entschuldigen” gewesen wäre. Entsprechendes entschuldigendes Vorbringen erst in der Beschwerdeschrift ist ohne Bedeutung, da das Urteil des FG dadurch nicht beeinflusst sein kann.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 1415
BFH/NV 2004 S. 1415 Nr. 10
IAAAB-24816