Inanspruchnahme des Haftungsschuldners setzt vorherige Inanspruchnahme des Steuerschuldners nicht voraus
Gesetze: AO § 191
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) war zusammen mit R zu je 50 v.H. an einer BGB-Gesellschaft beteiligt, die ein Speiserestaurant betrieb. Im Juni 1996 übernahm R gemäß § 11 des Gesellschaftsvertrages das Gesamthandsvermögen der GbR. Die GbR gab ihre Umsatzsteuererklärungen für 1991 und 1992 im Mai 1994, ihre Umsatzsteuererklärungen für 1993 und 1994 im Februar bzw. Dezember 1995 und ihre Umsatzsteuererklärung für 1995 im Juli 1996 ab. Für 1996 reichte sie keine Umsatzsteuererklärung ein.
Im Anschluss an eine Betriebsprüfung für den Zeitraum 1991 bis 1996 änderte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) die unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Umsatzsteuerbescheide für 1991 bis 1996. Die Änderungsbescheide richtete das FA an die Klägerin als ehemalige Gesellschafterin der GbR und an R als Gesamtrechtsnachfolgerin der GbR. Auf den Einspruch der Klägerin hob das FA die gegen sie ergangenen Bescheide wieder auf.
Nachdem die auf den Ergebnissen der Betriebsprüfung beruhenden Umsatzsteuernachforderungen bei R nicht beigetrieben werden konnten, erließ das FA am einen —auch Zinsen und Säumniszuschläge umfassenden— Haftungsbescheid gegen die Klägerin, die zwischenzeitlich nach E verzogen war. Der Einspruch gegen diese Bescheide hatte insoweit Erfolg, als das FA die Haftungsschuld auf die rückständigen Umsatzsteuerbeträge für 1991 bis 1996 beschränkte.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte im Wesentlichen aus, die Umsatzsteuerschuld der GbR sei —entgegen der Auffassung der Klägerin— nicht erloschen, insbesondere nicht deshalb, weil der gegen die Klägerin erlassene Steuerbescheid wieder aufgehoben worden sei. Aufgehoben habe das FA diesen Bescheid nur, weil die Bekanntgabe an die Klägerin fehlerhaft gewesen sei, da bei Ausscheiden eines GbR-Gesellschafters aus einer zweigliedrigen GbR der Gesellschaftsanteil des Ausscheidenden dem verbleibenden Gesellschafter anwachse. Dieser sei als Gesamtrechtsnachfolger der GbR Steuerschuldner auch für die Steuerschulden, die vor dem Ausscheiden des anderen Gesellschafters entstanden seien. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei die Festsetzungsfrist für die Umsatzsteuer 1991 bis 1996 im Zeitpunkt des Erlasses des Haftungsbescheides noch nicht abgelaufen gewesen. Einwendungen gegen die Höhe der Steuerschuld, die im Streitfall nur deswegen zulässig gewesen seien, weil die Umsatzsteuerbescheide nicht ihr, sondern zu Recht nur R als Gesamtrechtsnachfolgerin der GbR bekannt gegeben worden seien, habe die Klägerin nicht geltend gemacht.
Das FA sei ungeachtet dessen, dass die Klägerin nach E verzogen sei, nach § 24 der Abgabenordnung (AO 1977) zuständig gewesen. Wegen des Sachzusammenhanges sei bei Haftungsbescheiden in der Regel das für den Steuerschuldner zuständige FA auch für den Erlass des Haftungsbescheides zuständig.
Mit der Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts und einer einheitlichen Rechtsprechung sowie wegen Verfahrenmängeln.
Das FA tritt der Beschwerde entgegen.
II. Die Beschwerde ist unzulässig. Die Klägerin hat die Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht —wie erforderlich (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO)— dargelegt.
Nach § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Die Nichtzulassung kann durch Beschwerde angefochten werden (§ 116 Abs. 1 FGO). In der Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
1. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO) hat die Klägerin nicht ordnungsgemäß dargelegt, denn sie hat nicht, wie nach ständiger Rechtsprechung erforderlich, voneinander abweichende Rechtssätze des FG einerseits und des BFH andererseits gegenübergestellt. Soweit die Klägerin sich mit der Rechtsprechung des BFH beschäftigt —durch den Hinweis auf das Urteil des Großen Senats des BFH zu § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO 1977 vom GrS 2/01 (BFHE 201, 1, BStBl II 2003, 548)—, ist ein Bezug zu den entscheidungserheblichen Fragen des Rechtsstreits nicht erkennbar, denn die Inanspruchnahme des Haftungsschuldners durch Haftungsbescheid setzt nicht voraus, dass die Steuerschuld gegen den Erstschuldner —hier die GbR— festgesetzt worden ist (ständige Rechtsprechung, z.B. , BFHE 109, 164, BStBl II 1973, 573).
Zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung kann zwar die Revision auch zugelassen werden, wenn eine Nichtübereinstimmung der Entscheidungsgründe im Grundsätzlichen oder ein offensichtlicher (materieller oder formeller) Rechtsanwendungsfehler des Gerichts von erheblichem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder greifbar gesetzwidrigen Entscheidung vorhanden ist (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom IV B 79, 80/01, BStBl II 2001, 637, BFH/NV 2002, 119, unter 3. b; vom III B 28/02, BFH/NV 2002, 1474; vom VII B 197/02, BFH/NV 2003, 1103, m.w.N.). Gründe hierfür hat die Klägerin nicht, wie erforderlich (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO), dargelegt.
Die von der Klägerin gerügte —nach ihrer Ansicht— fehlerhafte Anwendung von Vorschriften der AO 1977 durch das FG erfüllt keine der beschriebenen Voraussetzungen.
2. Die Klägerin hat Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) nicht ordnungsgemäß bezeichnet.
Soweit die Klägerin meint, das FG hätte die frühere Mitgesellschafterin R als Zeugin zur Frage vernehmen müssen, ob Änderungsbescheide auch an sie als Gesamtrechtsnachfolgerin der GbR ergangen seien, ist die Rüge nicht ordnungsgemäß erhoben. Eine schlüssige Verfahrensrüge setzt insoweit auch die Darlegung voraus, dass das FG bei der für die Prüfung eines Verfahrensfehlers maßgeblichen Auffassung des FG zu einer anderen Entscheidung hätte kommen müssen. Daran fehlt es.
Im Übrigen liegt offensichtlich kein Verfahrensfehler vor. Auf die Frage, ob R der Steuerbescheid bereits bekannt gegeben worden war, kam es nach der —für die Prüfung eines Verfahrensmangels allein erheblichen— Auffassung des FG nicht an, denn das FG geht in Übereinstimmung mit der BFH-Rechtsprechung (z.B. Urteil in BFHE 109, 164, BStBl II 1973, 573) davon aus, dass die Inanspruchnahme des Haftungsschuldners durch Haftungsbescheid nicht voraussetzt, dass die Steuerschuld gegen den Steuerschuldner bereits festgesetzt worden ist.
Die Klägerin meint weiter, das FG habe § 47 AO 1977 nicht zutreffend ausgelegt; es sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass ein Umsatzsteuerbescheid gegen die GbR noch hätte erlassen werden können, das FG habe die Akzessorietät des Haftungsbescheides verkannt, es habe nicht geprüft, ob nicht vielmehr auch R nur Haftungsschuldnerin sei, das FG habe die Zuständigkeit des FA zu Unrecht bejaht. Mit diesem Vorbringen wendet sie sich nur gegen die ihrer Meinung nach unzutreffende rechtliche Würdigung des Sachverhalts durch das FG. Dies allein rechtfertigt jedoch keine Zulassung der Revision.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 1368
BFH/NV 2004 S. 1368 Nr. 10
DAAAB-24809