Anspruch auf Einsichtnahme in Feststellungsakten einer GbR
Gesetze: AO § 30
Instanzenzug:
Gründe
In der Sache ist streitig, ob der A u. B GbR (GbR), an der die Klägerin, Beschwerdeführerin und Antragstellerin (Antragstellerin) —neben ihrer Tochter mit 1/3— zu 2/3 beteiligt ist, im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung für das Jahr 1997 (Streitjahr) Sonderabschreibungen nach § 4 des Fördergebietsgesetzes (FördG) zustehen.
An der GbR waren ursprünglich die Herren C, D und E F. zu je 1/3 beteiligt. Diese erwarben 1993 ein Grundstück in Z und errichteten darauf in der Folgezeit ein Wohn- und Geschäftshaus mit dem Ziel der gewerblichen Vermietung, das 1994 fertig gestellt wurde.
Auf Grund privatschriftlichen Vertrages vom , später bestätigt durch notarielle Urkunde vom , schieden zunächst D und E F. aus der Gesellschaft aus und übertrugen ihre Anteile auf die Antragstellerin. Mit weiterem Vertrag vom 28. November/ übertrug C F. seinen Anteil auf Frau B, die Tochter der Antragstellerin. Nach diesem Vertrag wurde u.a. die „Berechtigung der Gesellschaft, die bislang unverändert gebliebene 100 %ige Fördergebiets-AfA auf die Investitionen der GbR geltend zu machen”, mit übertragen.
In der Folgezeit kam es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen der Antragstellerin und den ausgeschiedenen Gesellschaftern. Die Antragstellerin widerrief die dem bisherigen Steuerberater der GbR erteilte Vollmacht.
Am reichten die Herren F. die Feststellungserklärung für den Veranlagungszeitraum 1995 beim Beklagten, Beschwerdegegner und Antragsgegner (Finanzamt —FA—) ein, in der sie die Berücksichtigung der Sonder-AfA nach § 4 FördG in Höhe von 1 523 505 DM geltend machten. Das FA folgte diesem Begehren und stellte mit Bescheid vom für 1995 den Verlust aus Gewerbebetrieb unter Berücksichtigung der Sonder-AfA in der beantragten Höhe fest. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
Mit der Feststellungserklärung für den Veranlagungszeitraum 1997, beim FA eingegangen am , beantragte die Antragstellerin für die GbR die Berücksichtigung der Sonder-AfA nach § 4 FördG in Höhe von 1 683 920,38 DM und insgesamt die Feststellung eines Verlustes bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb in Höhe von 1 665 579 DM. Das FA stellte im Bescheid vom jedoch nur einen Verlust von 149 677 DM fest (laufender Gewinn 18 972 DM ./. Sonder-AfA 168 649 DM). In einer Anlage zum Bescheid führte es zur Begründung aus, dass von der insgesamt möglichen Sonder-AfA von 1 795 009 DM bereits 1 626 360 DM in den Vorjahren (1994 und 1995) in Anspruch genommen worden seien. Daher sei für 1997 nur noch ein Abzugsbetrag von 168 649 DM möglich.
Die dagegen eingelegten Rechtsbehelfe des Einspruchs und der Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) hielt den bestandskräftigen Bescheid für 1995 entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht für nichtig. Eine Änderung dieses Bescheides könnte allenfalls im Wege eines zivilgerichtlichen Verfahrens erzwungen werden.
Gegen dieses Urteil hat die Antragstellerin Nichtzulassungsbeschwerde erhoben. Sie ist insbesondere der Auffassung, der Feststellungsbescheid für 1995 sei nicht hinreichend bestimmt gewesen. Weiter müsse geklärt werden, wem er hätte bekannt gegeben werden müssen. Hilfsweise sei zu klären, ob die Sonder-AfA überhaupt noch von Personen geltend gemacht werden konnte, die zum Zeitpunkt der Ausübung des betreffenden Wahlrechts nicht mehr dazu befugt waren, sondern als Vertreter ohne Vertretungsmacht handelten.
Im Laufe des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens übersandte das FA auf Anforderung der Geschäftsstelle des Senats auch ein Aktengeheft betreffend die gesonderten und einheitlichen Feststellungen der GbR für die Jahre 1995 und 1996.
Hierauf beantragte die Antragstellerin, die bereits zuvor Akteneinsicht genommen hatte, ihr auch in diese Akten Einsicht zu gewähren. Mit Schreiben vom teilte ihr der Vorsitzende des Senats mit, dass Akteneinsicht im Hinblick auf § 30 der Abgabenordnung (AO 1977) und die innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist gemachten Ausführungen lediglich in die Feststellungsakte des Jahres 1995 gewährt werden könne und dort auch nur insoweit, als es um den Vollmachtswiderruf vom und das Rubrum des Feststellungsbescheides 1995 (Angabe des Adressaten und des Bevollmächtigten) gehe.
Die Antragstellerin hat darauf erwidert, dass sie an ihrem Antrag auf uneingeschränkte Akteneinsicht festhalte, und dies näher begründet.
Das FA hat sich der Auffassung des Vorsitzenden des Senats angeschlossen.
Der Antragstellerin wird Akteneinsicht für das Jahr 1996 in vollem Umfang und für das Jahr 1995 in dem vom Vorsitzenden des Senats im Schreiben vom mitgeteilten Umfang gewährt.
Diese Entscheidung trifft —entsprechend auch dem laufenden Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren— der Beschlusssenat in der Besetzung mit drei Richtern und nicht der Senatsvorsitzende allein.
1. Der Senat folgt hinsichtlich seiner Besetzung dem (BFHE 113, 94, BStBl II 1974, 716). Auch im vorliegenden Fall geht es —wie dort— um die Frage, ob und ggf. inwieweit überhaupt Einsicht in die Akten gewährt werden kann. Die Entscheidungsbefugnis (allein) des Senatsvorsitzenden ist nach Auffassung des beschließenden Senats nur gegeben, wenn es um die Art und Weise der Einsichtgewährung geht, nicht aber um das Ob oder das Inwieweit. Ein derartiger Fall lag z.B. auch dem (BFHE 114, 173, BStBl II 1975, 235) zu Grunde.
2. Die Feststellungsakte des FA für das Jahr 1996 kann von der Antragstellerin uneingeschränkt eingesehen werden. In diesem Jahr war sie bereits —jedenfalls mit Wirkung ab — zu 2/3 an der GbR beteiligt. Auch sind die am und am beim FA eingegangenen Feststellungserklärungen 1996 von ihr unterzeichnet bzw. mit unterzeichnet.
3. In die Feststellungsakte des FA für das Jahr 1995 ist die Einsichtnahme nur insoweit möglich, als es um den Widerruf der früher von der GbR erteilten Beratervollmacht vom (Bl. 7 und 8 des Gehefts 1995 und 1996) und das Rubrum der Verfügung des Feststellungsbescheides 1995 vom (Vorderseite Bl. 15 des Gehefts 1995 und 1996, unter Abdeckung des Betrags der Einkünfte aus Gewerbebetrieb) geht.
Diese Beschränkung der Akteneinsicht ist —wie dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin bereits mit Schreiben vom mitgeteilt— durch § 30 AO 1977 geboten. Im Jahr 1995 war die Antragstellerin noch nicht an der GbR beteiligt.
Daran vermögen auch die Ausführungen im Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin vom nichts zu ändern.
Unzutreffend wird in diesem Schreiben davon ausgegangen, dass im Streitfall gar keine „Verhältnisse eines anderen” offenbart werden könnten, weil es sich bei der GbR um „ein und dasselbe Steuerrechtssubjekt” handele. Diese Annahme könnte allenfalls beim Streit um Betriebssteuern in Betracht gezogen werden. Vorliegend geht es aber letztlich um die verbindliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Einkommensteuer-Veranlagung natürlicher Personen, die 1995 allein (ohne die Antragstellerin) und im Streitjahr (1997) nicht mehr an der GbR beteiligt waren (s. hierzu auch Kruse in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 30 AO 1977 Tz. 17 a.E., mit zahlreichen Rechtsprechungshinweisen).
Etwas anderes folgt auch nicht aus den von der Antragstellerin zitierten BFH-Entscheidungen:
Nach dem Urteil vom I R 103/00 (BFHE 197, 68, BStBl II 2004, 171, Abschn. III A Nr. 2 c, bb) sollen die Beteiligten alle Grundlagen kennen, die das Gericht seiner Entscheidung zu Grunde legt. Im vorliegenden Verfahren kann hinsichtlich des Jahres 1995 nur von Bedeutung sein, ob der Feststellungsbescheid 1995 an irgendwelchen Mängeln leidet, die seine —in erster Linie verfahrensmäßige— Wirksamkeit in Frage stellen. Das zu prüfen, ermöglicht auch die eingeschränkte Akteneinsicht.
Nach dem Urteil vom I R 10/92 (BFHE 184, 212, BStBl II 1998, 63, Abschn. II B Nr. 4 d) ist der Schutz des Steuergeheimnisses davon abhängig, ob über die vom Steuerpflichtigen geltend gemachten Rechte in einem Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren in Steuersachen zu entscheiden ist. Vorliegend geht es der Antragstellerin, soweit sie hinsichtlich des Jahres 1995 Einsicht auch über den im Schreiben vom zugestandenen Umfang hinaus begehrt, eher um die Verfolgung zivilrechtlicher Ansprüche.
Das Urteil vom VIII R 195/82 (BFHE 142, 558, BStBl II 1986, 226) schließlich spricht in der von der Antragstellerin für ihre Auffassung zitierten Passage (Nr. 4 der Entscheidungsgründe) im Gegenteil eher für eine Einschränkung des Einsichtsrechts. Danach lässt § 30 AO 1977 gerade nicht zu, dass die Vergleichsbetriebe (namentlich) benannt werden; für erforderlich gehalten wird lediglich, dem Steuerpflichtigen durch „allgemeine Mitteilung” Gelegenheit zu geben, zur Frage des Betriebsvergleichs überhaupt und nach Möglichkeit auch zu den Vergleichszahlen Stellung zu nehmen. Auf den Streitfall übertragen bedeutet dies, dass die Antragstellerin z.B. kein Recht hat zu erfahren, wie hoch der Verlust der GbR im Jahre 1995 war und wie er auf die einzelnen Gesellschafter verteilt wurde.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
EAAAB-24797