BFH Beschluss v. - VII S 9/04

Antrag auf Gewährung von PKH; keine Beiordnung eines Notanwalts bei fehlender Erfolgsaussicht

Gesetze: FGO §§ 142, 115, 116; ZPO § 78b

Instanzenzug:

Gründe

Der Antragsteller hat vor dem Finanzgericht (FG), an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, erfolglos gegen die Vollstreckung einer Forderung des Landesarbeitsamtes (hier: wegen Rückzahlung von Arbeitslosenhilfe) geklagt. Das FG hat ausgeführt, die Klage entspreche nicht den Zulässigkeitsanforderungen der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Kläger habe in der Klage keine ladungsfähige Anschrift angegeben und nicht präzisiert, gegen welchen konkreten Verwaltungsakt sich die Klage richte. Der Kläger habe auch nicht sinngemäß vorgetragen, welches Verwaltungshandeln einer rechtlichen Kontrolle zugeführt werden solle. Das Klageziel müsse jedoch der Kläger und nicht das Gericht bestimmen. Soweit der Kläger die Ausurteilung von Schadensersatz begehre, sei der Finanzrechtsweg nicht gegeben.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Beschwerde eingelegt und in einem weiteren Schriftsatz vom beantragt, ihm für das Beschwerdeverfahren einen Vertreter beizuordnen. Wegen fehlender Finanzmittel habe er einen Vorschuss nicht leisten und deshalb keinen Vertreter bestellen können.

Der Antrag ist abzulehnen.

1. Sollte der Antrag als ein solcher auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) i.S. des § 142 FGO zu verstehen sein, könnte er keinen Erfolg haben. Voraussetzung für die Gewährung von PKH ist neben der hinreichenden Aussicht auf Erfolg des beabsichtigten Rechtsmittels, dass der Beschwerdeführer innerhalb der Rechtsmittelfrist von einem Monat ab Zustellung des vollständigen Urteils des FG (§ 116 Abs. 2 Satz 1 FGO) den Antrag auf PKH gestellt und die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach § 117 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) auf dem vorgeschriebenen Vordruck (§ 117 Abs. 4 ZPO) unter Beifügung entsprechender Belege abgegeben hat. Geschieht dies nicht, kann nach Ablauf der Rechtsmittelfrist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für eine nach Bewilligung von PKH von einer nach § 62a FGO vertretungsberechtigten Person einzulegende Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nicht gewährt werden (vgl. Bundesfinanzhof —BFH— in ständiger Rechtsprechung, Beschluss vom III R 134/80, BFH/NV 1986, 631, m.w.N.; Bundesverfassungsgericht —BVerfG—, Beschluss vom   1 BvR 277/83, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Finanzgerichtsordnung, § 142, Rechtsspruch 33).

Im Streitfall hat der Antragsteller seinen Antrag verspätetet gestellt. Das ist nach Einlassung des Klägers, der das Empfangsbekenntnis nicht an das FG zurückgesandt hat, in seinem Schreiben vom diesem spätestens am zugestellt worden. Innerhalb der danach bis zum laufenden Rechtsmittelfrist (§ 116 Abs. 2 Satz 1 FGO, §§ 186, 187 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) hat der Kläger einen Antrag auf Gewährung von PKH nicht gestellt und die vorgeschriebene Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht vorgelegt. Der Antrag des Klägers auf Beiordnung eines Vertreters wurde erst am , mithin nach Ablauf der Rechtsmittelfrist gestellt. Danach ist davon auszugehen, dass dem Kläger bei Einlegung einer formgerechten Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des FG selbst bei Gewährung von PKH keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden könnte.

2. Soweit der Antrag auf Beiordnung eines Vertreters als Antrag auf Beiordnung eines sog. Notanwalts i.S. des § 78b ZPO für die Einlegung einer formgerechten Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des FG zu verstehen ist, ist der Antrag zwar nach § 155 FGO i.V.m. § 78b ZPO statthaft, kann aber ebenfalls keinen Erfolg haben.

Ist, wie im Streitfall, für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde die Vertretung durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder eine sonst nach § 62a FGO vor dem BFH vertretungsberechtigte Person zwingend vorgeschrieben und der Beteiligte nicht in der Lage, einen zur Vertretung bereiten Prozessvertreter zu finden, so kann ihm in sinngemäßer Anwendung des § 78b ZPO ein Notprozessbevollmächtigter beigeordnet werden, wenn er dies innerhalb der Rechtsmittelfrist beim Prozessgericht (hier dem BFH) beantragt. Versäumt er diese Frist, so kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Frage (vgl. Senatsbeschluss vom VII S 2/97, BFH/NV 1997, 431). Der Antragsteller hat den Antrag, wie unter 1. ausgeführt, nicht innerhalb der Rechtsmittelfrist, sondern erst am und damit nicht rechtzeitig gestellt.

Aber auch wenn der Senat das Schreiben vom in der Weise auslegen könnte, dass damit auch die Beiordnung eines Notprozessbevollmächtigten i.S. des § 78b ZPO beantragt worden wäre, würde der Antrag daran scheitern, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung, nämlich die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision, keine Aussicht auf Erfolg hätte (§ 78b Abs. 1 ZPO). Der Antragsteller begehrt, wie sich aus der Beschwerdeschrift ergibt, die Zulassung der Revision, weil er die gesamte Prozessführung durch das FG für unrechtmäßig hält und bemängelt, es habe die „falsche Richterin” entschieden, weil diese die Sache nicht an das zuständige Gericht weiter verwiesen habe.

Dieses Vorbringen könnte im Streitfall die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen. Der Kläger hatte sich mit am bei dem Verwaltungsgericht (VG) eingegangenem Schreiben gegen den Beklagten und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt —HZA—) gewandt und geltend gemacht, dieser vollstrecke wegen einer Forderung auf Rückzahlung von Arbeitslosenhilfe, ohne über seinen Antrag auf Verlängerung der Rückzahlungsfrist entschieden zu haben. Das VG hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom   10 G 1697/03 an das nach § 33 Abs. 1 Nr. 2 FGO für Streitigkeiten über die Vollstreckung von Sozialforderungen zuständige FG verwiesen (vgl. dazu Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 33 FGO Rz. 70; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 33 Rz. 32). Das FG ist an den gebunden (§ 17a Abs. 2 Satz 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes). Der Rechtsstreit ist der Richterin am FG S ordnungsgemäß zur Entscheidung als Einzelrichterin übertragen worden (§ 5 Abs. 3 Satz 1, § 6 Abs. 1 FGO). Anhaltspunkte für eine erkennbar rechtsmissbräuchliche (willkürliche) Übertragung des Verfahrens auf die Einzelrichterin sind weder vorgetragen noch ersichtlich, so dass die Rüge nicht vorschriftsmäßiger Besetzung des Gerichts keine Aussicht auf Erfolg hätte (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 119 Nr. 1 FGO; Senatsurteil vom VII R 87/93, BFH/NV 1995, 406, 407; u.a., BVerfGE 58, 1, 45).

Die Rüge, die Entscheidung der Vorinstanz sei materiell-rechtlich fehlerhaft, kann mit Ausnahme des hier nicht vorliegenden Grundes einer willkürlichen, unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbaren Entscheidung ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision führen (ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsbeschluss vom VII B 123/03, BFH/NV 2004, 512, 513).

Überdies rechtfertigt —außerhalb des Verfahrens zur Bewilligung von PKH— allein das finanzielle Unvermögen einer Partei zur Zahlung eines Vorschusses an einen Prozessbevollmächtigten die Beiordnung eines Notanwaltes nicht (vgl. Beschluss vom X S 19/03, BFH/NV 2004, 533).

Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei (, BFH/NV 1996, 157).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 1288
BFH/NV 2004 S. 1288 Nr. 9
OAAAB-24519