Einlegung des Rechtsbehelfs innerhalb eines Jahres bei fehlerhafter Fristberechnung in der Rechtsbehelfsbelehrung
Instanzenzug:
Gründe
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wurde neben zwei Kommanditisten gemäß §§ 34 und 69 der Abgabenordnung (AO 1977) wegen rückständiger Lohn- und Kirchensteuer, Solidaritätszuschläge sowie steuerlicher Nebenleistungen einer in Konkurs geratenen GmbH & Co KG vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) mit Haftungsbescheid in Haftung genommen. Hiergegen hat der Kläger durch seinen Steuerberater Einspruch eingelegt, der vom FA als unbegründet zurückgewiesen worden ist. Die Einspruchsentscheidung vom wurde dem Steuerberater des Klägers zugestellt. Unter Hinweis darauf, dass die Vertretungsvollmacht nicht mehr bestehe, schickte der Steuerberater die Einspruchsentscheidung an das FA zurück. Mit Kurzmitteilung vom übersandte das FA die Entscheidung sodann an den Kläger. Zugleich wurde mitgeteilt, dass das ursprüngliche Bekanntgabedatum nicht verändert worden sei. Die einmonatige Klagefrist (§ 47 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) beginne nunmehr am und ende am Montag, .
Mit Schriftsatz vom ließ der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten Klage erheben. Mit Schreiben vom wies das Finanzgericht (FG) unter Hinweis auf § 56 Abs. 3 FGO auf eine mögliche Verfristung der Klage hin und wies nach durchgeführter mündlicher Verhandlung die Klage als unzulässig ab.
Das FG urteilte, die Klagefrist sei bereits am abgelaufen. Daher sei die am eingereichte Klage verspätet erhoben worden. Das FA habe die Einspruchsentscheidung gemäß § 122 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 wirksam an den ehemaligen Steuerberater des Klägers bekannt gegeben, denn der Widerruf der Vollmacht sei beim FA erst am eingegangen. In der Übersendung der Einspruchsentscheidung an den Kläger sei weder eine Verlängerung der Klagefrist, noch eine Rücknahme der ursprünglichen Entscheidung zu sehen. Vielmehr sei die Wirksamkeit der bereits erfolgten Bekanntgabe der Entscheidung durch die Übermittlung der Einspruchsentscheidung an den Kläger nicht berührt worden. Aber auch wenn die Kurzmitteilung als erneute Bekanntgabe zu werten sei, wäre die Klagefrist am abgelaufen, denn mögliche Zweifel am Zugang des Verwaltungsaktes seien nachträglich ausgeräumt worden, somit komme es auf den ersten Zugang und nicht auf den Zugang des wiederholenden Verwaltungsaktes an. Schließlich könne dem Kläger auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 FGO gewährt werden. Der Kläger habe keine Wiedereinsetzungsgründe innerhalb der Antragsfrist vorgetragen. Solche habe der Kläger erst nach dem Hinweis auf eine mögliche Verfristung der Klage vorgebracht. Zu diesem Zeitpunkt sei die Jahresfrist nach § 56 Abs. 3 FGO jedoch bereits verstrichen gewesen. Eine Versäumung der Frist wegen höherer Gewalt sei weder vorgetragen noch ersichtlich.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision gegen das erstinstanzliche Erkenntnis. Er ist der Ansicht, das FG habe nicht berücksichtigt, dass im Streitfall die Fristversäumung auf höherer Gewalt i.S. von § 56 Abs. 3 FGO beruhe. Aufgrund des besonderen Umstandes, dass sämtliche Verfahrensbeteiligten zunächst von einer fristgemäßen Klageerhebung ausgegangen seien, sei es nicht möglich gewesen, die Jahresfrist des § 56 Abs. 3 FGO zu wahren. Ein Verschulden des Klägers liege nicht vor, weil das FA die Frist selbst berechnet habe. Für den Fall, dass die Kurzmitteilung des FA als erneute Bekanntgabe zu verstehen sei, habe das FG übersehen, dass Zweifel an der Wirksamkeit der Bekanntgabe erstmals durch den Hinweis des FG auf eine mögliche Verfristung begründet worden seien. Da die Zweifel in der Sphäre des FG liegen würden, sei dieser Umstand und die insoweit geänderte Rechtsauffassung des FG gegenüber dem Kläger als höhere Gewalt i.S. von § 56 Abs. 3 FGO zu verstehen.
Die Beschwerde führt gemäß § 116 Abs. 6 FGO zur Aufhebung des Urteils des FG und zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung. Der von der Beschwerde in zulässiger Weise geltend gemachte Verfahrensmangel liegt vor und das Urteil des FG beruht auf diesem Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2, § 119 Nr. 3 FGO).
Der Senat versteht das Vorbringen des Klägers dahin, dass das FG zu Unrecht durch Prozessurteil entschieden habe. Darin liegt eine Verfahrensrüge (vgl. , BFHE 145, 299, BStBl II 1986, 268), die zur Aufhebung der Vorentscheidung führt.
Entgegen der Auffassung des FG ist die Klage fristgerecht erhoben worden, so dass keine Veranlassung bestand, über eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 FGO zu befinden. Im Streitfall hat das FA in seinem Bescheid vom eine fehlerhafte Fristberechnung vorgenommen, auf deren Richtigkeit der Kläger vertraut hat. Der Senat deutet die Ausführungen als eine erneute Rechtsbehelfsbelehrung, die jedoch aufgrund der unzutreffenden Fristberechnung unrichtig erteilt worden ist. Gemäß § 55 Abs. 2 FGO führt eine unrichtige Belehrung dazu, dass die Einlegung des Rechtsbehelfs noch innerhalb eines Jahres seit der Bekanntgabe des Bescheides zulässig ist. Dabei kann offen bleiben, ob in dem Fall, in dem in der Belehrung statt der gesetzlich vorgeschriebenen Frist eine zu lange Frist angegeben wird, die fehlerhaft ausgewiesene Frist (vgl. BFH-Entscheidung vom IV 285/51 U, BFHE 56, 415, BStBl III 1952, 162), oder die Jahresfrist des § 55 Abs. 2 FGO gilt (vgl. hierzu Spindler in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 55 FGO Rdnr. 34). Denn im Streitfall hat der Kläger den Einspruch innerhalb der erstgenannten Frist eingelegt.
Da das FG die Klage als unzulässig abgewiesen und deshalb die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Haftungsbescheides nicht überprüft hat, war die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 1284
BFH/NV 2004 S. 1284 Nr. 9
FAAAB-24509