Aufteilung eines ESt-Erstattungsbetrags zwischen Ehegatten
Gesetze: AO § 37 Abs. 2, § 44; EStG § 37
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) möchte erreichen, dass die von ihr für das Jahr 1995 entrichteten Einkommensteuervorauszahlungen in Höhe von ... DM nicht nur zur Hälfte, sondern zu 82,41 v.H. auf ihre vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) für dieses Jahr festgesetzte Einkommensteuerschuld angerechnet bzw. erstattet werden.
Die Klägerin wurde mit ihrem im Jahr 1996 verstorbenen Ehemann bis einschließlich 1994 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Für 1995 setzte das FA Einkommensteuervorauszahlungen gegenüber beiden Ehegatten fest, die in vollem Umfang von der Klägerin gezahlt wurden. Nach dem Tod ihres Ehemanns beantragte die Klägerin getrennte Veranlagung. Das FA führte die Veranlagung für das Jahr 1995 antragsgemäß durch und berücksichtigte dabei in dem Einkommensteuerbescheid die festgesetzten Vorauszahlungen zur Hälfte bei der Klägerin. Hiergegen wandte die Klägerin ein, die Vorauszahlungen seien nicht pro Kopf jeweils zur Hälfte, sondern im Verhältnis der im Vorauszahlungsbescheid festgesetzten Einkünfte der Ehegatten aufzuteilen und daher zu 82,41 v.H. auf ihre Einkommensteuerschuld anzurechnen. Das FA hielt an seiner rechtlichen Behandlung der Einkommensteuervorauszahlungen fest und erließ einen entsprechenden Abrechnungsbescheid.
Die deswegen erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, dass das FA zutreffend die Einkommensteuervorauszahlungen und dementsprechend den Erstattungsbetrag nach Köpfen zwischen den Ehegatten aufgeteilt habe. Die Klägerin habe als zahlender Ehegatte mit der Absicht gehandelt, auch die Steuerschulden ihres Ehemanns zu begleichen. Dies ergebe sich nicht nur aus der ehelichen Verbindung, sondern vielmehr auch daraus, dass die Klägerin mit ihrem Ehemann zu dessen Lebzeiten die Zusammenveranlagung beantragt habe. Es habe daher eine enge Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft bestanden. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte sei im Zeitpunkt der Zahlung der Vorauszahlungsbeträge für das FA weder erkennbar gewesen noch hätte es erkennen müssen, dass die Klägerin einen entgegenstehenden Tilgungswillen gehabt habe.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die Beschwerde der Klägerin, mit der geltend gemacht wird, die Revision sei nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) und wegen eines Verfahrensmangels nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO zuzulassen. Im Wesentlichen wird vorgebracht, die Entscheidung des FG beziehe sich vor allem auf das Urteil des beschließenden Senats vom VII R 118/87 (BFHE 157, 326, BStBl II 1990, 41), das jedoch im Widerspruch zu der vorher ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung und dem (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 1998, 1499) stehe. Nach der Entscheidung des FG Hamburg sei die Aufteilung von Vorauszahlungen auf die Gesamtschuld zusammen veranlagter Ehegatten nach Köpfen ein grobes und im Ergebnis ungerechtes Raster. Vielmehr sei auf das Verhältnis abzustellen, das sich durch eine Gegenüberstellung der Steuerschulden bei einer Einzelveranlagung ergeben würde.
Das FA ist der Beschwerde entgegen getreten.
II. Die Beschwerde ist unbegründet, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.
1. Die Beschwerde führt nicht zum Erfolg, soweit gerügt wird, die Entscheidung des FG weiche von dem Urteil des FG Hamburg in EFG 1998, 1499 ab. Nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert. Dies trifft grundsätzlich in Divergenz-Fällen zu. Eine Zulassung nach der vorgenannten Vorschrift wegen Abweichung setzt u.a. voraus, dass das FG durch einen abstrakten Rechtssatz in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Gerichts —also auch eines anderen FG— abgewichen ist und dass im Urteil des FG dieselbe Rechtsfrage wie in der Divergenzentscheidung zu entscheiden war (ständige Rechtsprechung, vgl. , BFH/NV 2001, 330).
Zwar weicht das angefochtene Urteil durch einen abstrakten Rechtssatz in einer Rechtsfrage von der Entscheidung des FG Hamburg in EFG 1998, 1499 ab. Nach der vorinstanzlichen Entscheidung sind bei zusammen veranlagten Eheleuten geleistete Einkommensteuervorauszahlungen zwischen beiden Ehegatten nach Köpfen aufzuteilen. Im Gegensatz dazu stellt das FG Hamburg auf das Verhältnis ab, das sich durch eine Gegenüberstellung der Steuerschulden bei einer Einzelveranlagung ergeben würde. Gleichwohl ist die Revision wegen Divergenz nicht zuzulassen, da eine Entscheidung des Senats im Streitfall nicht erforderlich ist. Das angefochtene Urteil entspricht nämlich der ständigen und gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung (s. Senatsurteile in BFHE 157, 326, BStBl II 1990, 41, und vom VII R 117/95, BFH/NV 1997, 482), während dessen der beschließende Senat der gegenteiligen Auffassung des FG Hamburg in EFG 1998, 1499 ausdrücklich nicht gefolgt ist, vielmehr seine ständige Rechtsprechung erneut bestätigt hat (vgl. Senatsbeschlüsse vom VII B 163/00, BFH/NV 2001, 917, und vom VII B 382/02, BFH/NV 2004, 314).
Nach der oben zitierten Rechtsprechung des Senats ist im Allgemeinen anzunehmen, dass die Leistungen eines Ehegatten an das FA auch die Einkommensteuerschuld des anderen, mit ihm zusammen veranlagten Ehepartners begleichen sollen, sofern dieser Annahme nicht ausdrückliche Absichtsbekundungen entgegenstehen. Für die Beurteilung der mit der Zahlung verfolgten Absicht sind dabei nur die Umstände zu berücksichtigen, die dem FA im Zeitpunkt der Zahlung erkennbar sind. Wie sich aus den von dem beschließenden Senat u.a. in dem Urteil in BFH/NV 1997, 482 angestellten Überlegungen unzweideutig ergibt, spielt es dabei keine Rolle, ob der andere Ehegatte in seiner Person Tatbestände verwirklicht hat, die zum Entstehen der die Eheleute als Gesamtschuldner treffenden Steuerschuld (§ 44 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung —AO 1977—) geführt haben. Ebenso wenig steht es der vorgenannten Annahme, dass Einkommensteuervorauszahlungen auch auf die Steuerschuld des anderen Ehegatten geleistet werden, entgegen, dass nur einer der Ehegatten verpflichtet ist, Einkommensteuervorauszahlungen (§ 37 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes —EStG—) zu leisten. Denn die Annahme, die Tilgungsabsicht beziehe sich auf die Steuerschuld beider Eheleute, beruht, wie der Senat u.a. in der eben genannten Entscheidung näher ausgeführt hat, auf der bei nicht getrennt lebenden Eheleuten im Allgemeinen bestehenden engen Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft, die erwarten lässt, dass ein Ehegatte mit den von ihm auf eine Gesamtschuld der Eheleute geleisteten Zahlungen ungeachtet des rechtlichen und tatsächlichen Grundes des Entstehens der Zahlungsverpflichtung nicht nur seine eigene Schuld tilgen will. Daraus folgt, dass ggf. beide Ehegatten nach § 37 Abs. 2 AO 1977 erstattungsberechtigt sind. Der Erstattungsbetrag ist dann zwischen ihnen nach Köpfen aufzuteilen.
Das FG ist in seiner Entscheidung diesen Rechtsgrundsätzen gefolgt —was auch die Beschwerde nicht in Abrede stellt—. Es hat festgestellt, dass im —allein entscheidenden— Zeitpunkt der Zahlung der Einkommensteuervorauszahlungen für das FA kein Anlass bestanden habe anzunehmen, die Klägerin wolle nicht (mehr) auch die Steuerschuld ihres bis dahin noch mit ihr zusammen veranlagten Ehepartners begleichen, also Vorauszahlungen auf eine künftig gegen die Eheleute voraussichtlich festzusetzende und von ihnen als Gesamtschuldner zu tragende Einkommensteuerschuld leisten. Daraus folge, dass beide Ehegatten nach § 37 Abs. 2 AO 1977 erstattungsberechtigt sind. Der Erstattungsbetrag sei zwischen der Klägerin und ihrem verstorbenen Ehemann nach Köpfen aufzuteilen.
Die Beschwerde kann auch nicht damit begründet werden, dass das angefochtene Urteil von der früheren höchstrichterlichen Rechtsprechung abweiche. Unabhängig davon, ob die von der Beschwerde aufgeführte Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des BFH —die zu der Vorschrift des § 152 der Reichsabgabenordnung ergangen ist— überhaupt für die Auslegung des § 37 Abs. 2 AO 1977 herangezogen werden kann, wäre sie spätestens mit der Entscheidung des Senats in BFHE 157, 326, BStBl II 1990, 41 überholt.
2. Soweit der Beschwerde die Rüge zu entnehmen sein sollte, eine Zulassung der Revision müsse zur Fortbildung des Rechts gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO erfolgen, führt sie ebenso wenig zum Erfolg. Ähnlich wie im Falle einer Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) bedarf es für die Zulassung der Revision wegen Rechtsfortbildung einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 41). Die von der Beschwerde aufgeworfene Rechtsfrage ist jedoch —wie oben unter Punkt 1. ausgeführt— in der Rechtsprechung des beschließenden Senats hinreichend geklärt und daher nicht klärungsbedürftig. Auch sind neue Gesichtspunkte weder vorgetragen noch erkennbar, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den Senat erforderlich machen. Vielmehr ist die ganz herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur der hier von der Beschwerde kritisierten Rechtsprechung des Senats gefolgt (vgl. nur Klein/Brockmeyer, Abgabenordnung, 8. Aufl., § 37 Rz. 16; Schmieszek in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 37 AO 1977 Rz. 20; Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 37 AO 1977 Tz. 81 ff.; jeweils m.w.N. aus der Rechtsprechung).
3. Mit der Rüge, dem Urteil mangele es an Gründen, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind (§ 96 Abs. 1 Satz 3 FGO), weil das FG in seinen Entscheidungsgründen nicht mehr auf den hilfsweise gestellten Antrag der Klägerin eingegangen sei, kann die Beschwerde nicht durchdringen. Der geltend gemachte Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) liegt nicht vor.
Der Sinn des Begründungszwangs liegt darin, den Prozessbeteiligten —und dem Revisionsgericht— die Kenntnis darüber zu vermitteln, auf welchen Feststellungen, Erkenntnissen und rechtlichen Überlegungen das Urteil beruht (vgl. , BFHE 199, 124, BStBl II 2002, 527, unter B. I. 1., m.w.N.). Nach diesem Maßstab ist ein Begründungsmangel i.S. des § 96 Abs. 1 Satz 3 FGO bzw. § 119 Nr. 6 FGO im Streitfall nicht gegeben. Zwar geht das FG in seinen Entscheidungsgründen nicht ausdrücklich auf den hilfsweise gestellten Antrag der Klägerin ein, die geleisteten Vorauszahlungen zu ihren Gunsten insoweit zu berücksichtigen, als sie nicht zur Tilgung einer Einkommensteuerschuld ihres Ehemannes benötigt werden. Gleichwohl führt dies nicht zu einem relevanten Begründungsmangel, weil die Rechtsauffassung des FG, auf der das angefochtene Urteil beruht, eindeutig aus den Entscheidungsgründen hervorgeht. Nach den erschöpfenden —und im Übrigen zutreffenden— Ausführungen des FG steht der Klägerin der Erstattungsbetrag hinsichtlich zuviel gezahlter Einkommensteuervorauszahlungen lediglich zur Hälfte zu. Damit ist für die Klägerin nachvollziehbar begründet worden, weshalb auch ihr hilfsweise gestellter Antrag nicht zum Erfolg geführt hat.
4. Im Übrigen erschöpft sich die Beschwerde im Stile einer Revisionsbegründung in einer Kritik an der Rechtsauffassung des FG zu den entscheidungserheblichen Punkten. Dass ein Beschwerdeführer ein FG-Urteil für materiell falsch hält und dies in der Beschwerdeschrift auch ausführt, ist für die Frage der Zulassung der Revision durch den BFH unerheblich, denn damit wird weder einer der in § 115 Abs. 2 FGO aufgeführten Gründe für die Zulassung der Revision benannt, noch werden dessen Voraussetzungen dargelegt.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 1214
BFH/NV 2004 S. 1214 Nr. 9
XAAAB-24328