BFH Urteil v. - X R 17/02

Stl. Anerkennung eines Versorgungsvertrags bei Nichtbeachtung einer Wertsicherungsklausel

Gesetze: EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1a

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 1997 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden.

Mit notariellem Vertrag vom hatte die Mutter des Klägers (M) diesem und seinem Bruder (B) je zur Hälfte im Wege vorweggenommener Erbfolge ihr ...-Einzelhandelsgeschäft sowie ein fremdvermietetes Geschäftsgrundstück in X übertragen. Der Kläger und B verpflichteten sich, an M auf deren Lebenszeit eine Versorgungsrente von monatlich insgesamt 7 000 DM zu zahlen. Nach § 2 Nr. 2 des Vertrags sollte sich dieser Betrag zum 1. Januar eines jeden Jahres im gleichen Verhältnis wie der „Preisindex des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden für die Lebenshaltung eines mittleren 4-Personen-Arbeitnehmerhaushaltes” ändern.

In ihrer Einkommensteuer-Erklärung für 1997 machten die Kläger einen anteilig auf sie entfallenden Betrag von 42 000 DM als dauernde Last geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) versagte den Abzug, weil die an M geleisteten monatlichen Zahlungen nicht entsprechend der Wertsicherungsklausel geändert worden waren, obwohl der maßgebende Preisindex sich nach Berechnungen des FA zwischen 1991 und 1997 um 16,5 % erhöht hatte.

Im Einspruchs- und Klageverfahren trugen die Kläger vor, die Vertragsparteien seien davon ausgegangen, dass keine automatische Anpassung vorzunehmen sei, weil die verwendete Klausel genehmigungsbedürftig sei, eine solche Genehmigung aber nicht vorliege. Ferner hätten der Kläger und B von einer mit dem Mieter des Geschäftsgrundstücks ebenfalls vereinbarten Wertsicherungsklausel wegen der schwierigen Situation auf dem Markt für Gewerbeimmobilien in X keinen Gebrauch gemacht, so dass sich auch die Mieteinnahmen nicht erhöht hätten. Die Parteien des Versorgungsvertrags seien sich einig gewesen, dass die Versorgungsleistungen erst bei einer Erhöhung der Mieteinnahmen anzupassen seien.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst (DStRE) 2002, 1298 veröffentlicht.

Mit ihrer Revision rügen die Kläger, das FG habe nicht die erforderliche Gesamtwürdigung der vertraglichen Vereinbarung und ihrer Durchführung vorgenommen. Die Wertsicherungsklausel sei nicht so bedeutsam, dass allein ihre unterbliebene Anwendung zwingend die steuerrechtliche Nichtanerkennung des gesamten Vertrags zur Folge haben müsse. Die vom Kläger zu erbringende Hauptleistung sei die Versorgung der Übergeberin; diese Pflicht könne aber auch ohne Anwendung der Wertsicherungsklausel erfüllt werden.

Sie beantragen sinngemäß,

das angefochtene Urteil und die Einspruchsentscheidung vom aufzuheben, den Einkommensteuerbescheid vom zu ändern und die Einkommensteuer 1997 unter Berücksichtigung einer dauernden Last in Höhe von 42 000 DM festzusetzen,

sowie die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet.

Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

Das FG hat es rechtsfehlerhaft unterlassen, die Frage der ertragsteuerrechtlichen Anerkennung des Versorgungsvertrages anhand einer Gesamtwürdigung der objektiven Gegebenheiten zu beurteilen. Vielmehr hat es den begehrten Sonderausgabenabzug allein deshalb abgelehnt, weil die Höhe der Versorgungsleistungen sechs Jahre lang nicht entsprechend der vereinbarten Wertsicherungsklausel angepasst worden ist.

1. Hinsichtlich der allgemeinen Grundsätze zur ertragsteuerrechtlichen Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen sowie der Bedeutung der Nichtbeachtung einer in einem Versorgungsvertrag vereinbarten Wertsicherungsklausel verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf sein zur amtlichen Veröffentlichung bestimmtes Urteil vom heutigen Tage X R 14/01 unter II. 4. bis 6.

Danach ist die Frage, ob Verträge zwischen nahen Angehörigen der Besteuerung zugrunde gelegt werden können, anhand der Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten zu beurteilen. Jedenfalls bei Versorgungsverträgen ist für diese Gesamtwürdigung entscheidend, ob eine festgestellte Abweichung von den vertraglichen Vereinbarungen darauf hindeutet, dass es den Parteien am erforderlichen Rechtsbindungswillen fehlt. Letzteres ist vor allem dann anzunehmen, wenn der Vollzug der Vereinbarung durch Schwankungen in der Höhe des Zahlbetrags, die nicht durch Änderungen der Verhältnisse gerechtfertigt sind, gekennzeichnet ist.

2. Nach diesen Maßstäben erweist sich die Auffassung des FG, schon die Nichtbeachtung der Wertsicherungsklausel müsse zur Versagung des Sonderausgabenabzugs führen, als rechtsfehlerhaft. Denn allein die dauerhafte Zahlung der Versorgungsleistungen mit ihrem ursprünglich vereinbarten Nennbetrag rechtfertigt nicht zwingend den Schluss, dass die Parteien ihren vertraglichen Pflichten insgesamt nicht mehr hätten nachkommen wollen.

3. Die Sache ist nicht spruchreif. Sie geht zur Nachholung der —dem Bereich der tatsächlichen Feststellungen zugehörigen— Gesamtwürdigung an das FG zurück. Dabei wird das FG zu beachten haben, dass Abweichungen, die in ihrer Summe nicht so gewichtig sind, als dass sie den Gesamteindruck der Ernsthaftigkeit der vertraglichen Vereinbarung und ihrer Durchführung erschüttern könnten, der ertragsteuerrechtlichen Anerkennung von Vertragsverhältnissen unter nahen Angehörigen nicht entgegenstehen (, BFHE 200, 372, BStBl II 2003, 243, unter II. 2. c).

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass das Vorbringen der Kläger zur schwierigen Situation auf dem Markt für Gewerbeimmobilien im Hinblick auf den Rechtscharakter eines Versorgungsvertrags durchaus beachtlich sein kann: Wird existenzsicherndes Vermögen gegen Versorgungsleistungen —im Streitfall zudem noch ausdrücklich „im Wege vorweggenommener Erbfolge"— übertragen, ergibt sich aus der Rechtsnatur derartiger Verträge die Abänderbarkeit der vereinbarten Versorgungsleistungen im Falle veränderter Verhältnisse (, BFHE 166, 564, BStBl II 1992, 499). Wenn aber die im Zeitpunkt der Vermögensübergabe geplante —und zudem in einem Mietvertrag mit dem Mieter des Grundstücks bereits festgelegte— Steigerung des Ertrags des übergebenen Vermögens nicht realisiert werden kann, stellt dies grundsätzlich einen Umstand dar, der eine Abänderung des Versorgungsvertrags insoweit rechtfertigt, als eine vereinbarte Erhöhung der Versorgungsleistungen gleichermaßen unterbleiben kann.

Darüber hinaus erscheint die Auffassung des FG, das Tatsachenvorbringen der Kläger sei widersprüchlich, dem Senat nicht als zweifelsfrei. Denn auch das FG geht davon aus, dass die Vertragsparteien aufgrund der salvatorischen Klausel des Versorgungsvertrags verpflichtet waren, für eine —möglicherweise— wegen fehlender Genehmigung unwirksame Wertsicherungsklausel eine vergleichbare und wirksame Ersatzregelung zu vereinbaren (vgl. dazu auch , BGHZ 63, 132, unter I. 3., m.w.N. auf die ältere Rechtsprechung; vom V ZR 106/76, Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 1979, 1545, unter II.; vom V ZR 144/84, NJW 1986, 932, unter II. 2. c, und vom VIII ZR 60/85, Neue Juristische Wochenschrift - Rechtsprechungs-Report Zivilrecht 1986, 877, unter 4.). Wenn die Kläger dazu vortragen, wegen der infolge der Nichtdurchsetzbarkeit der Wertsicherungsklausel stagnierenden Mieteinnahmen aus dem übergebenen Grundstück seien die Parteien des Versorgungsvertrags sich einig gewesen, zunächst ebenfalls auf eine Anpassung an den Preisindex zu verzichten, liegt darin nicht notwendig ein Widerspruch zu ihrem weiteren Vorbringen, sie seien von der Unwirksamkeit der Wertsicherungsklausel ausgegangen. Denn im Falle der Unwirksamkeit hätten die Vertragsparteien im Rahmen der Anwendung der ins Auge gefassten Ersatzregelung durchaus erwägen können, ob eine Erhöhung der Versorgungszahlungen angesichts der stagnierenden Mieteinnahmen eine sachgerechte ergänzende Vertragsauslegung (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) darstellt.

4. Auch für die zum Kostenfestsetzungsverfahren gehörende Entscheidung darüber, ob die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das außergerichtliche Vorverfahren notwendig war (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO), ist das FG zuständig (ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsbeschluss vom X B 165/01, BFH/NV 2002, 1332, m.w.N.).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 1238
BFH/NV 2004 S. 1238 Nr. 9
RAAAB-24304