Instanzenzug:
Gründe
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Insolvenzverwalter des Vermögens der X-GmbH (Schuldnerin). Diese meldete im Februar/März 1999 aus China eingeführte Gartenpavillons unter der Unterpos. 3926 90 99 der Kombinierten Nomenklatur (KN) —für 1999 i.d.F. der Verordnung (EG) Nr. 2261/98 der Kommission vom (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 292/1)— beim Beklagten und Beschwerdegegner (Hauptzollamt —HZA—) zur Abfertigung zum freien Verkehr an. Nachdem die Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt eine der Warensendung entnommene Probe untersucht und die Auffassung vertreten hatte, dass die Gartenpavillons als Campingausrüstung aus Geweben aus Polyethylen in die Unterpos. 6306 99 00 KN einzureihen seien, erhob das HZA mit Steuerbescheid vom…Zoll nach dem für Waren dieser Art vorgesehenen Zollsatz von 13 %.
Am meldete die Schuldnerin eine weitere Sendung Gartenpavillons zur Abfertigung zum freien Verkehr an, wobei sie erklärte, dass es sich um die gleiche Ware wie die am angemeldete handele. Das HZA erhob auch insoweit mit Steuerbescheid vom…Zoll nach dem für Waren der Unterpos. 6306 99 00 KN vorgesehenen Zollsatz von 13 %.
Die Gartenpavillons bestehen aus einem Stahlrohrgestell mit Verbindungsstücken und Füßen aus Kunststoff sowie einer Dachbespannung mit Verkleidungen für die vier Eckpfosten. Bei der Dachbespannung handelt es sich um ein beidseitig vollständig mit Polyethylen beschichtetes Gewebe aus Bändchengarnen aus Polypropylen, das in Leinwandbindung auf einer Webmaschine hergestellt worden ist. Die einzelnen Bändchengarne weisen eine mittlere Breite von 2,5 mm und eine mittlere Dicke von 0,05 mm auf. Der aufgebaute Pavillon mit einer Grundfläche von etwa 3 x 3 m, einer maximalen Höhe von etwa 2,50 m und einer Seitenhöhe von 2,00 m ist an allen vier Seiten offen und bildet deshalb keinen geschlossenen Raum. Die Dachbespannung wird über das Stahlrohrgestell gezogen, so dass eine Unterstellmöglichkeit besteht.
Hinsichtlich der Frage, ob die Dachbespannung, welche den Gartenpavillons ihren wesentlichen Charakter verleiht, in die Unterpos. 3926 90 99 KN als „andere Waren aus Kunststoffen und Waren aus anderen Stoffen der Positionen 3901 bis 3914” einzureihen ist —wie es der Kläger meint— oder ob die Ware zum Abschn. XI („Spinnstoffe und Waren daraus”) und damit letztlich zu Kap. 63 KN gehört —wie es das HZA meint—, ist zwischen den Beteiligten allein streitig, ob die Dachbespannung aus einem mit Kunststoff bestrichenen oder überzogenen Gewebe besteht, was nach der Anm. 1 Buchst. h zu Abschn. XI KN zur Ausweisung der Ware aus diesem Abschnitt und zur Einordnung in das Kap. 39 KN führen würde, allerdings nach der Anm. 2 Buchst. a Nr. 3 zu Kap. 59 KN nur unter der Voraussetzung, dass das Bestreichen oder Überziehen des Gewebes mit Kunststoff mit bloßem Auge wahrnehmbar ist.
Die sowohl gegen den Steuerbescheid vom…als auch gegen den Steuerbescheid vom…erhobenen Klagen wies das Finanzgericht (FG) mit Urteilen vom (4 K 6243/01 Z bzw. 4 K 6245/01 Z) ab. Das FG stellte fest, dass es sich bei den streitigen Gartenpavillons um die gleiche Ware handele, welche bereits Gegenstand des und —im anschließenden Revisionsverfahren— des (BFH/NV 2000, 898) gewesen sei, und urteilte —wie bereits mit seinem genannten Urteil vom —, dass die vom HZA vorgenommene zolltarifliche Einreihung der streitigen Ware zutreffend sei, weil das Bestreichen oder Überziehen des Gewebes der Dachbespannung mit Kunststoff mit bloßem Auge nicht wahrnehmbar sei.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, die er auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) stützt. Grundsätzliche Bedeutung habe die Frage, ob das im Streitfall maßgebliche Einreihungskriterium „mit bloßem Auge wahrnehmbar” mit dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatz vereinbar sei. Nach Ansicht der Beschwerde ist dies nicht der Fall, da mit diesem Merkmal die Zollerhebung von der subjektiven Wahrnehmung des mit der Abfertigung befassten Zollbeamten abhängig gemacht werde, die nicht objektivierbar sei, und da die richtige Anwendung der Norm somit auch nicht in einem Rechtsmittelverfahren geklärt werden könne, da die Wahrnehmbarkeit mit bloßem Auge eine dem Beweis unzugängliche Tatsache sei. Die Einreihung auf Grund der subjektiven Wahrnehmung des jeweiligen Zollbeamten führe zu Zufallsergebnissen.
II. Die Beschwerde ist —bei Zweifeln an ihrer Zulässigkeit— jedenfalls unbegründet, weil der Rechtssache die von der Klägerin behauptete grundsätzliche Bedeutung nicht zukommt.
Einer Rechtsfrage ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH grundsätzliche Bedeutung beizumessen, wenn ihre Beantwortung in dem angestrebten Revisionsverfahren aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei muss es sich um eine Frage handeln, die klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig ist (vgl. , BFHE 198, 316, BStBl II 2002, 581, m.w.N.). Das Vorliegen dieser Zulassungsvoraussetzungen muss der Beschwerdeführer in der Beschwerdebegründung und innerhalb der Begründungsfrist schlüssig und substantiiert darlegen (§ 116 Abs. 3 Satz 1 und 3 FGO). Dazu ist es erforderlich, dass der Beschwerdeführer eine konkrete Rechtsfrage formuliert und substantiiert auf ihre Klärungsbedürftigkeit, ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung sowie darauf eingeht, weshalb von der Beantwortung der Rechtsfrage die Entscheidung über die Rechtssache abhängt (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom II B 5/95, BFH/NV 1996, 141, m.w.N.; vom V B 23/00, BFH/NV 2000, 1148; Senatsbeschluss vom VII B 178/02, BFH/NV 2003, 214).
Die Fragen, wie das zolltarifliche Abgrenzungsmerkmal „mit bloßem Auge wahrnehmbar” zu verstehen ist und ob in Anwendung dieses Merkmals die Dachbespannung von Gartenpavillons der hier streitigen Art in einer „mit bloßem Auge wahrnehmbaren” Weise mit Kunststoff bestrichen oder überzogen ist, ist nicht klärungsbedürftig, sondern durch die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) und des Senats geklärt. Die Worte „mit bloßem Auge wahrnehmbar” in der Anm. 2 Buchst. a Nr. 3 zu Kap. 59 KN sind in dem Sinne auszulegen, dass das Bestreichen oder Überziehen des Gewebes mit Kunststoff bei einer einfachen visuellen Überprüfung unmittelbar sichtbar sein muss, dass es insoweit auf die Wahrnehmungsfähigkeit der mit der Tarifierung befassten Person ankommt und Sachverständige zur Entscheidung dieser Frage nicht heranzuziehen sind und dass es nicht gestattet ist, aus anderen Eigenschaften des Gewebes, wie z.B. einem Glanz oder einer Steifigkeit, die Folgerung zu ziehen, dass es eine solche Kunststoffbehandlung erfahren hat (vgl. 317/81, EuGHE 1982, 3257; , BFHE 139, 102; vom VII K 13-16/86, BFH/NV 1988, 609). Die Feststellung, ob das Bestreichen oder Überziehen des Gewebes mit Kunststoff mit bloßem Auge wahrnehmbar ist, ist als Teil der tatrichterlichen Würdigung eine tatrichterliche Aufgabe des FG. Da hinsichtlich der hier streitigen Gartenpavillons das FG in seinem Urteil vom 4 K 3708/96 Z von einer zutreffenden Auslegung des zolltariflichen Merkmals „mit bloßem Auge wahrnehmbar” ausgegangen war, hat der Senat mit seinem Urteil in BFH/NV 2000, 898 die Einreihung der Gartenpavillons in die Unterpos. 6306 99 00 KN bestätigt. Die zolltarifliche Einreihung von Gartenpavillons der im Streitfall vorliegenden Art, welche nach den Feststellungen des FG denjenigen entsprechen, die Gegenstand jenes waren, ist somit höchstrichterlich geklärt.
Zur Begründung einer gleichwohl vorliegenden grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hätte die Beschwerde somit eingehend begründen müssen, warum sie eine erneute Entscheidung des BFH zu der betreffenden Frage im Interesse der Rechtseinheit oder Rechtsentwicklung für erforderlich hält und hätte hierfür substantiiert darlegen müssen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die bereits höchstrichterlich beantwortete Frage umstritten ist, insbesondere welche neuen gewichtigen, vom BFH bislang nicht geprüften Einwände in der Literatur und/oder in der Rechtsprechung der Instanzgerichte gegen die höchstrichterliche Auffassung erhoben werden (vgl. z.B. , BFH/NV 2000, 985, m.w.N.).
Es erscheint zweifelhaft, ob die Beschwerde diesen Darlegungsanforderungen genügt. Der Hinweis der Beschwerde, dass die getroffenen Entscheidungen auf eine zwanzig Jahre alte Entscheidung des EuGH zurückgingen und dass diese Entscheidung nach ihrer Ansicht untragbar sei, reicht insoweit zweifellos nicht. Zudem hat das FG zutreffend darauf hingewiesen, dass der EuGH in seinem Urteil in EuGHE 1982, 3257, 3265 auf die Frage, ob die Formulierung „mit bloßem Auge wahrnehmbar” angesichts der im Einzelfall bei ihrer Anwendung möglichen Schwierigkeiten gültig sei, geantwortet hat, dass Schwierigkeiten bei der Anwendung einer Vorschrift nicht geeignet seien, ihre Gültigkeit in Frage zu stellen, und dass die Prüfung der Vorschrift nichts ergeben habe, was ihre Gültigkeit beeinträchtigen könnte (Rz. 18-21 des vorgenannten Urteils). Es spricht deshalb nichts für die von der Beschwerde vertretene Auffassung, dass die Vereinbarkeit des Einreihungsmerkmals „mit bloßem Auge wahrnehmbar” mit dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatz eine von der höchstrichterlichen Rechtsprechung bisher nicht geprüfte Frage sei.
Jedenfalls ist aber der Ansicht der Beschwerde, dass dieses Merkmal zu unbestimmt und deshalb mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbar sei, nicht zu folgen. Die tarifliche Einordnung hängt dabei nicht —wie die Beschwerde meint— von subjektiven Wertentscheidungen oder Sinneseindrücken ab, sondern von einem bestimmten objektiven Beschaffenheitsmerkmal einer Ware und von der Frage, ob dieses Merkmal für den Betrachter unmittelbar erkennbar ist. Anders als die Beschwerde meint, hat dieses tarifliche Einreihungsmerkmal damit auch keine einmalige Stellung in der Gesetzessystematik. Es gibt in der KN eine Vielzahl von objektiven Beschaffenheitsmerkmalen von Waren, deren Vorhandensein im konkreten Fall sich nur durch eine Inaugenscheinnahme der Ware erschließt. Ebenso wenig kann der Auffassung der Beschwerde gefolgt werden, dass im Streitfall das Vorhandensein des streitigen Merkmals nicht in einem Rechtsmittelverfahren geklärt werden könne, da die Wahrnehmbarkeit mit bloßem Auge eine dem Beweis unzugängliche Tatsache sei. Gerade der Streitfall zeigt, dass dies nicht der Fall ist; vielmehr hat das FG im Klageverfahren durch eine Inaugenscheinnahme des Gewebes der Dachbespannung selbst geprüft, ob hinsichtlich der Kunststoffbeschichtung das Einreihungsmerkmal „mit bloßem Auge wahrnehmbar” gegeben ist. Schließlich ist auch die Ansicht der Beschwerde nicht zutreffend, dass die tarifliche Einreihung anhand dieses Merkmals zu Zufallsergebnissen führe. Zwar mag die Entscheidung, ob eine Kunststoffbeschichtung eines Gewebes mit bloßem Auge erkennbar ist, im Einzelfall schwierig sein. Jedoch schreibt das streitige Einreihungsmerkmal vor, dass in Fällen, in denen sich die Kunststoffbeschichtung nicht durch eine einfache visuelle Überprüfung feststellen lässt, eine Einordnung der Ware in das Kap. 39 KN ausscheidet. Somit besteht für Zweifelsfälle eine eindeutige tarifliche Regelung.
Der Senat wäre nach alledem in einem künftigen Revisionsverfahren nicht gemäß Art. 234 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft verpflichtet, die hier streitige Tarifierungsfrage dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen.
Fundstelle(n):
AAAAB-24032