OFD Frankfurt am Main - S 2140 A - 2 - St II 2a

Sanierungsgewinne bei Kommanditgesellschaften (§ 3 Nr. 66 EStG a.F.)

Bezug:

Eine Betriebsvermögensmehrung durch Schulderlass kann nach der Rechtsprechung des BFH im Rahmen

  1. einer unternehmensbezogenen Sanierung

    oder auch

  2. einer unternehmerbezogenen Sanierung

als Sanierungsgewinn gemäß § 3 Nr. 66 EStG (a.F.) steuerfrei sein.

Die Steuerfreiheit des Sanierungsgewinns bewirkt auch, dass vorhandene Verlustvorträge nach § 10d EStG oder § 10a GewStG nicht gekürzt werden, so dass künftige Gewinne des Unternehmens/Unternehmers mit vorhandenen Verlustvorträgen verrechnet werden können. Die Auswirkungen auf verrechenbare Verluste von Kommanditisten i.S.d. § 15a EStG waren bislang umstritten. Die höchstrichterliche Finanzrechtsprechung hat jetzt insoweit Klärung gebracht.

Zu 1. (Unternehmensbezogene Sanierung)

Bei einer unternehmensbezogenen Sanierung setzt die Steuerfreiheit des Sanierungsgewinns voraus, dass das Unternehmen sanierungsbedürftig ist, die Schulden ganz oder teilweise erlassen werden, die Gläubiger im Wege eines allgemeinen Akkords in der Absicht handeln, die geschäftliche und finanzielle Gesundung des Schuldners herbeizuführen, und dass der Schuldenerlass geeignet ist, den Fortbestand des Unternehmens zu sichern und dessen Ertragsfähigkeit wieder herzustellen (so z.B. BStBl 1984 II S. 472 m.w.N., und vom , BStBl 1991 II S. 784).

Wird eine KG als solche saniert und führt sie ihre Geschäfte nach dem Schulderlass fort, so ist der Gewinn, der durch den Schulderlass entsteht, unter den weiteren Voraussetzungen des § 3 Nr. 66 EStG (a.F.) als steuerfreier Sanierungsgewinn zu behandeln. Dies gilt auch für die Anteile der Kommanditisten am Sanierungsgewinn (vgl. BFH/NV 1993 S. 476), es sei denn, die Kommanditisten sind durch (rechtlich zulässige) Vereinbarung ausdrücklich von der Teilhabe am Sanierungsgewinn ausgeschlossen worden.

Der steuerfreie Sanierungsgewinn ist bei der Ergebnisaufteilung allen Gesellschaftern – einschließlich den Kommanditisten mit negativem Kapitalkonto – nach Maßgabe des allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssels anteilig zuzurechnen. Daraus folgt, dass in Höhe des auf den einzelnen Kommanditisten entfallenden Anteils am steuerfreien Sanierungsgewinn sich sein negatives Kapitalkonto in der Handels- und auch Steuerbilanz verringert und damit eine Nachversteuerung entfällt (vgl. BStBl 1996 II S. 574). Der nach § 15a Abs. 2 EStG verrechenbare Verlust ist nicht um den Anteil des einzelnen Kommanditisten am steuerfreien Sanierungsgewinn zu mindern, sondern steht weiterhin zur Verrechnung mit steuerpflichtigen Gewinnanteilen zur Verfügung.

Scheidet ein Kommanditist im zeitlichen Zusammenhang mit dem Schulderlass aus der KG aus, ergibt sich nach der Rechtsprechung des BFH für die Zurechnung des Sanierungsgewinns Folgendes:

Im Fall einer unternehmensbezogenen Sanierung können auch solche Kommanditisten mit negativem Kapitalkonto am steuerfreien Sanierungsgewinn teilhaben, die alsbald nach dem Sanierungszeitpunkt aus der KG ausscheiden. Das gilt jedenfalls dann, wenn das Unternehmen zunächst mit ihnen fortgeführt wird und den Altgesellschaftern damit die Möglichkeit gegeben werden soll, weiterhin als Mitunternehmer Einkünfte zu erzielen (vgl. BStBl 1997 II S. 234).

Der Sanierungsgewinn ist den Altgesellschaftern aber auch in den Fällen nach Maßgabe des Gewinnverteilungsschlüssels steuerfrei zuzurechnen, in denen die Kommanditisten im Zeitpunkt des Schulderlasses aus der Gesellschaft ausscheiden und damit den Eintritt neuer Gesellschafter ermöglichen oder wenn mit dem Forderungsverzicht der Gläubiger ein vollständiger Gesellschafterwechsel einhergeht und das Ausscheiden der Altgesellschafter Voraussetzung für den Schulderlass ist (so (n.v.) und VIII R 65/96, BStBl 1998 II S. 437; vorgehend: EFG 1997 S. 169, und vom , EFG 1997 S. 1009).

Diesem Ergebnis steht nach den vorbezeichneten Urteilen des nicht entgegen, dass das negative Kapitalkonto grundsätzlich gewinnerhöhend aufzulösen ist, wenn es erkennbar nicht mehr durch künftige Gewinne aufgefüllt werden kann (Beschluss des Großen Senats des , BStBl 1981 II S. 164). Dieser Grundsatz ist danach in Sanierungsfällen nicht anwendbar. Denn die negativen Kapitalkonten müssen nicht notwendig mit steuerpflichtigen Gewinnen aufgefüllt werden; hierzu ist auch ein steuerfreier Sanierungsgewinn geeignet ( BStBl 1996 II S. 574). Zudem ist – solange die Gesellschaft eine Sanierung anstrebt – auch von der Entstehung zukünftiger Gewinne auszugehen.

Wird der Forderungsverzicht wirtschaftlich und rechtlich dadurch ausgelöst, dass Neugesellschafter der KG die Mittel zur Erfüllung des Vergleichs zuführen, ist der Sanierungsgewinn bereits den Neugesellschaftern zuzurechnen (vgl. BFH/NV 1994 S. 468). Unter diesen Umständen ist der BFH davon ausgegangen, dass die Neugesellschafter das Unternehmen in unsaniertem Zustand und unter Übernahme der negativen Kapitalkonten der Altgesellschafter übernommen haben (so auch Urteil vom  – IV R 59/96, BStBl 1999 II S. 266).

Die hieraus zu ziehenden steuerlichen Folgen richten sich nach den in den BFH-Urteilen vom , BStBl 1994 II S. 745, und vom , BStBl 1995 II S. 246, niedergelegten Grundsätzen. Decken die stillen Reserven einschließlich eines Geschäftswertes das übernommene negative Kapitalkonto nicht ab, kann der Erwerber insoweit keinen „Erwerbsverlust” geltend machen. Vielmehr ist ein mit zukünftigen steuerpflichtigen Gewinnen gewinnwirksam zu verrechnender Ausgleichsposten zu bilden. Der den Neugesellschaftern zuzurechnende steuerfreie Sanierungsgewinn ist dementsprechend nicht um den Wert des Ausgleichspostens zu mindern.

Zu 2. (Unternehmerbezogene Sanierung)

Ausnahmsweise kann auch ein Schulderlass, der nicht unternehmensbezogen ist, also nicht unternehmenserhaltenden Charakter hat, aus Gründen der persönlichen Billigkeit steuerbefreit sein, wenn der Schulderlass im Zuge der Betriebsaufgabe erfolgt und dazu bestimmt und geeignet ist, „dem Schuldner ein wirtschaftliches Bestehen als Angestellter oder in irgend einer anderen Tätigkeit” zu ermöglichen, ohne von weiterbestehenden Verbindlichkeiten beeinträchtigt zu sein (unternehmerbezogene Sanierung).

Dies gilt uneingeschränkt für Einzelunternehmer (vgl. BStBl 1990 II S. 810 und S. 813) sowie für persönlich unbeschränkt haftende Mitunternehmer, soweit es sich bei letzteren um natürliche Personen handelt (vgl. BStBl 1991 II S. 232).

Auf Kommanditisten ist diese Rechtslage grundsätzlich nicht übertragbar. Da sie den Gesellschaftsgläubigern nur mit ihrer Einlage haften, kann ihre wirtschaftliche Existenz durch den Fortbestand der Gesellschaftsschulden nicht gefährdet werden. Daher ist ein im Zusammenhang mit einer Betriebsaufgabe angefallener Sanierungsgewinn, soweit er auf Kommanditisten entfällt, grundsätzlich nicht steuerfrei (vgl. BStBl 1991 II S. 784).

Ist Schuldner der erlassenen Verbindlichkeiten eine GmbH & Co. KG, deren einziger persönlich haftender Gesellschafter eine GmbH ist, scheidet eine unternehmerbezogene Sanierung aus, weil natürliche Personen, die unbeschränkt für die Verbindlichkeiten der KG haften und denen durch den Schulderlass ein wirtschaftliches Bestehen in anderer Tätigkeit ermöglicht werden soll, nicht vorhanden sind (vgl. BStBl 1985 II S. 501, und vom , BStBl 1985 II S. 504). Fällt also ein Sanierungsgewinn im Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe oder einer zwangsweisen Liquidation einer solchen GmbH & Co. KG an, ist die Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 66 EStG (a.F.) ausgeschlossen, da der Schulderlass nicht der Erhaltung/Fortführung des Unternehmens dient.

Ausnahmsweise ist auch bei einem Kommanditisten trotz begrenzter Haftung eine unternehmerbezogene Sanierung möglich, wenn sich eine existenzbedrohende Überschuldung aus Bürgschaften ergibt (so , BFH/NV 1998 S. 829; vorgehend: EFG 1996 S. 689).

Bei der Prüfung der Existenzbedrohung ist das Privatvermögen und das künftig zu erwartende Einkommen der Gesellschafter zu berücksichtigen. Schulden sind nicht existenzbedrohend, wenn das Einkommen zur ratenweisen Tilgung der nach vollständiger Verwertung des Privatvermögens verbleibenden Restschulden und zur angemessenen Lebensführung ausreicht.

Zeitliche Anwendung

§ 3 Nr. 66 EStG a.F. ist letztmals anzuwenden auf Erhöhungen des Betriebsvermögens, die in dem Wirtschaftsjahr entstehen, das vor dem endet (§ 52 Abs. 2i EStG a.F.).

Für Sanierungsgewinne, auf die § 3 Nr. 66 EStG a.F. nicht mehr anzuwenden ist, gilt das BStBl 2003 I S. 240 (ESt-Kartei § 3 Fach 9 Karte 14).

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Fundstelle(n):
NAAAB-23932