Anerkennung eines Mietvertrags unter Angehörigen
Gesetze: EStG §§ 21, 9; AO § 42
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und wurden im Streitjahr 1992 zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Der Kläger ist Kaufmann und erzielt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit; die Klägerin ist Hausfrau.
Der Kläger erhielt von seinen Eltern mit notariellem Übertragungsvertrag vom August 1976 ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück. Er hatte bestimmte Belastungen zu übernehmen; die Eltern behielten sich als Gesamtberechtigte auf ihre Lebenszeit das unentgeltliche Nießbrauchsrecht an dem übertragenen Grundbesitz vor. Schuldrechtlich verpflichtete sich der Kläger, die „laufenden Lasten” zu tragen, seine Eltern auf deren Lebenszeit zu betreuen sowie sie bei Krankheit und im Alter zu pflegen und zu versorgen. Der Kläger durfte ferner den übertragenen Grundbesitz zu Lebzeiten seiner Eltern nicht ohne deren Zustimmung veräußern.
Für das Streitjahr plante der Kläger umfangreiche Modernisierungsaufwendungen. Am schlossen der Kläger und sein Vater —die Mutter des Klägers war zwischenzeitlich verstorben— einen Mietvertrag. Danach wurde das Haus für 750 DM monatlich sowie einem Abschlag auf die Nebenkosten von 100 DM monatlich vermietet. Der Vertrag wurde auf unbestimmte Zeit geschlossen. Dem Kläger stand kein Kündigungsrecht zu. Die Mieten sollten in bar entrichtet werden. § 17 des Mietvertrages enthielt eine Bestimmung über die vorzeitige Beendigung der Mietzeit und die Haftung des Klägers als Vermieter für den Fall der Kündigung des Mieters aus wichtigem Grund. Eine Mietanpassung war frühestens nach Ablauf von fünf Jahren möglich.
Ende Mai 1992 bewilligte der Vater und beantragte der Kläger die „gänzliche Löschung des Nießbrauchsrechts”, ohne dass hierfür ein Entgelt gezahlt wurde.
Mit ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Kläger bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für das übertragene Grundstück einen Werbungskostenüberschuss in Höhe von 69 302 DM geltend.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) berücksichtigte den Werbungskostenüberschuss für das Grundstück wegen Annahme eines Gestaltungsmissbrauchs nach § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) nicht. Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet ab (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2001, 638).
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung des § 42 AO 1977.
Die Kläger beantragen, das FG-Urteil aufzuheben und den angefochtenen Einkommensteuerbescheid für 1992 in Gestalt der Einspruchsentscheidung unter Berücksichtigung des Werbungskostenüberschusses aus der Vermietung des übertragenen Grundstücks zu ändern.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
Zu Unrecht hat das FG den Werbungskostenüberschuss bei den Einkünften des Klägers aus Vermietung und Verpachtung des ihm übertragenen Hauses bei der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr mit der Begründung nicht berücksichtigt, der Mietvertrag sei wegen Gestaltungsmissbrauchs nach § 42 AO 1977 nicht anzuerkennen; der Senat kann indessen mangels entsprechender tatsächlicher Feststellungen des FG nicht abschließend beurteilen, ob der Mietvertrag den Anforderungen des Fremdvergleichs entspricht.
1. Dem streitigen Mietverhältnis ist entgegen der Auffassung des FA nicht wegen Missbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts (§ 42 AO 1977) die steuerrechtliche Anerkennung zu versagen.
a) Ein Gestaltungsmissbrauch im Sinne dieser Vorschrift ist gegeben, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die, gemessen an dem erstrebten Ziel, unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (ständige Rechtsprechung: , BFHE 179, 400, BStBl II 1996, 214; vom IX R 5/00, BFHE 201, 246, BStBl II 2003, 590, m.w.N.). Das Motiv, Steuern zu sparen, macht eine steuerliche Gestaltung noch nicht unangemessen (Beschluss des Großen Senats des , BFHE 137, 433, 444, BStBl II 1983, 272; , BFHE 190, 173, BStBl II 2000, 224). Auch Angehörigen steht es danach frei, ihre Rechtsverhältnisse untereinander steuerlich möglichst günstig zu gestalten. Eine rechtliche Gestaltung ist erst dann unangemessen, wenn der Steuerpflichtige die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen eines bestimmten wirtschaftlichen Ziels nicht gebraucht, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel nicht erreichbar sein soll (BFH-Urteil in BFHE 179, 400, BStBl II 1996, 214).
b) Danach liegt ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts bei Abschluss eines Mietvertrages unter Angehörigen nicht schon deshalb vor, weil das vermietete Objekt vor der Vermietung durch den Mieter auf den Vermieter übertragen wurde oder —wie im Streitfall— ein bestehendes Nießbrauchsrecht aufgegeben und sodann zwischen Wohnungsrechtsinhaber und Eigentümer ein —fremdüblicher— Mietvertrag abgeschlossen und tatsächlich durchgeführt wird. Zur Begründung verweist der Senat auf das Urteil vom in dem Verfahren IX R 12/01.
c) Hiernach ist davon auszugehen, dass die im Streitfall getroffenen Mietvereinbarungen nicht wegen Gestaltungsmissbrauchs unbeachtlich sind.
2. Im Übrigen ist der zwischen den Vertragsparteien geschlossene Mietvertrag steuerrechtlich anzuerkennen, wenn er zum einen bürgerlich-rechtlich wirksam geschlossen ist und darüber hinaus (im Rahmen des sog. Fremdvergleichs) sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entspricht; dabei schließt nicht jede Abweichung vom Üblichen notwendigerweise die steuerliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses aus (, BFHE 184, 463, BStBl II 1998, 106; vom IX R 69/94, BFHE 180, 377, BStBl II 1997, 196).
Eine Beurteilung hierzu ist dem Senat mangels entsprechender tatsächlicher Feststellungen des FG verwehrt. Insbesondere hat es das FG offen gelassen, ob der Mietvertrag den Anforderungen des sog. Fremdvergleichs entspricht.
3. Die Sache ist nicht spruchreif.
Das FG hat bislang nicht geprüft, ob der streitige Mietvertrag nach den Grundsätzen des sog. Fremdvergleichs anzuerkennen ist. Die dazu erforderlichen Feststellungen und die ihm insoweit obliegende Gesamtwürdigung der Tatsachen hat es nachzuholen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 1272
BFH/NV 2004 S. 1272 Nr. 9
YAAAB-23788