Anerkennung eines Mietvertrags unter Angehörigen
Gesetze: EStG §§ 21, 9; AO § 42
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und wurden in den Streitjahren 1986 bis 1988 zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Die 1994 verstorbene Mutter des Klägers besaß einen Miteigentumsanteil an einem 1954 errichteten und in Wohnungseigentum aufgeteilten Zweifamilienhaus, das sie allein bewohnte. Ein weiterer Miteigentumsanteil gehörte dem Bruder des Klägers und dessen Ehefrau.
Mit notariellem Vertrag vom übertrug die Mutter des Klägers ihren Grundbesitz im Wege vorweggenommener Erbfolge auf die Kläger zu je 1/2; Besitz, Nutzungen, Gefahr und Lasten gingen mit dem Tag des Vertragsschlusses über. Die Kläger übernahmen die auf dem Grundbesitz ruhenden Hypothekenschulden, zahlten an neun der zehn Geschwister des Klägers jeweils 10 000 DM und verpflichteten sich, die Mutter des Klägers bei Pflegebedürftigkeit infolge Krankheit oder Alters unentgeltlich zu pflegen oder pflegen zu lassen. Schließlich verpflichteten sich die Kläger, der Mutter auf Lebenszeit 90 v.H. der jeweiligen jährlichen Bruttomieteinnahmen aus der Vermietung der Erdgeschosswohnung des Objekts zu zahlen. Auf diese als dauernde Last qualifizierten Zahlungen von jährlich 4 860 DM sollten monatliche Abschläge gezahlt werden, deren Höhe zunächst mit 400 DM vereinbart wurde. Zur dinglichen Sicherung der dauernden Last wurde eine Reallast vereinbart und im Grundbuch eingetragen. Schließlich verpflichteten sich die Kläger, den Grundbesitz nicht ohne Zustimmung der Mutter zu veräußern oder zu belasten. Bei einem Verstoß gegen diese Verpflichtung war der Grundbesitz zurück zu übertragen; eine entsprechende Rückauflassungsvormerkung wurde im Grundbuch eingetragen.
Gleichzeitig schlossen die Kläger mit der Mutter des Klägers mit Wirkung zum einen Mietvertrag über die Erdgeschosswohnung. Die monatliche Miete betrug 450 DM. Nach einer Zusatzvereinbarung übernahmen die Kläger die Heizkosten für die Mietwohnung auf Dauer.
Für die Streitjahre machten die Kläger in ihren Einkommensteuererklärungen Werbungskostenüberschüsse bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) berücksichtigte zunächst die Werbungskostenüberschüsse bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, versagte aber den Sonderausgabenabzug für die an die Mutter gezahlten wiederkehrenden Leistungen. Auf den dagegen eingelegten Einspruch versagte das FA auch die Anerkennung des Mietverhältnisses, weil es einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten i.S. des § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) darstelle.
Daraufhin haben die Kläger Klage erhoben. Durch Zwischenurteil hat das Finanzgericht (FG) entschieden, dass das Mietverhältnis zwar den Anforderungen des Fremdvergleichs entspreche, aber wegen Gestaltungsmissbrauchs nicht anzuerkennen sei. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 1139 veröffentlicht. Dagegen richtet sich die Revision der Kläger, die sie erst nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist begründet haben.
Die Kläger beantragen, Wiedereinsetzung in die versäumte Revisionsbegründungsfrist zu gewähren sowie das Zwischenurteil aufzuheben.
Das FA beantragt, den Wiedereinsetzungsantrag abzulehnen sowie hilfsweise, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. 1. Die Revision ist zulässig; insbesondere ist den Klägern Wiedereinsetzung in die versäumte Revisionsbegründungsfrist zu gewähren.
Die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegen vor.
a) Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses gestellt worden (§ 56 Abs. 2 Satz 1 FGO). Das Schreiben des Vorsitzenden vom ist dem Prozessbevollmächtigten am zugestellt worden. Der Antrag ist am beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangen. Mit dem Antrag ist auch die versäumte Rechtshandlung nachgeholt, d.h. die Revision begründet worden.
b) Nach dem Vortrag der Prozessbevollmächtigten und der eidesstattlichen Versicherung ihres Bürovorstehers ist davon auszugehen, dass die Revisionsbegründungsfrist infolge eines Büroversehens falsch in das Fristenkontrollbuch eingetragen worden ist. In der Kanzlei wurde ein Fristenkontrollbuch geführt, in das die Fristen für jede einzelne Sache gesondert sofort nach Eingang des Schriftsatzes eingetragen werden sollten. Die Fristenberechnung und die Eintragung der Fristen war dem Bürovorsteher übertragen. Ein Anwalt darf grundsätzlich die Fristenberechnung und Überwachung der Fristen seinem Büroangestellten übertragen, sofern er gut ausgebildet ist und sorgfältig überwacht wird (, BFH/NV 1988, 673, zu 1., m.w.N.; , BFH/NV 1992, 533). Der Bürovorsteher der Prozessbevollmächtigten war aufgrund seiner Ausbildung und insbesondere aufgrund seiner 26-jährigen Tätigkeit in der Lage, eine derartige Aufgabe zu übernehmen. Es handelte sich zudem um eine einfache Frist, die sich eindeutig der Rechtmittelbelehrung des finanzgerichtlichen Urteils entnehmen ließ.
c) Entgegen der Ansicht des FA scheitert die Wiedereinsetzung nicht daran, dass der Fall der bearbeitenden Rechtsanwältin nach Eingang rechtzeitig vorgelegt wurde. Die vom FA für seine Auffassung in Bezug genommenen Entscheidungen des , BFHE 73, 499, BStBl III 1961, 447, und vom V R 139/73, BFHE 122, 251, BStBl II 1977, 643) betreffen Fälle, in denen —anders als im Streitfall— mit der Sachbearbeitung durch den Rechtsanwalt begonnen worden ist. Hier ist die Sache der Rechtsanwältin nach Notierung der Revisionsfrist allein zur Entscheidung über die Einlegung der Revision vorgelegt worden. Nach dieser Entscheidung hat die bearbeitende Rechtsanwältin nicht fahrlässig gehandelt, wenn sie den Vorgang einschließlich des finanzgerichtlichen Urteils mit seiner Rechtsmittelbelehrung dem Bürovorsteher zur Notierung der Revisionsbegründungsfrist zurückgab und dabei von der Richtigkeit der vorzunehmenden Eintragung ausging. Dessen Versehen bei der Eintragung der Frist muss die Prozessbevollmächtigte deshalb nicht als eigenes Verschulden vertreten (vgl. , BFH/NV 1994, 328, zu 2.).
2. Die Revision ist begründet.
Das Zwischenurteil des FG ist aufzuheben, weil das FG dem streitigen Mietverhältnis zu Unrecht die steuerrechtliche Anerkennung versagt hat.
a) Ein Gestaltungsmissbrauch i.S. des § 42 AO 1977 ist gegeben, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die, gemessen an dem erstrebten Ziel, unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (ständige Rechtsprechung: , BFHE 179, 400, BStBl II 1996, 214; vom IX R 5/00, BFHE 201, 246, BStBl II 2003, 509, m.w.N.). Das Motiv, Steuern zu sparen, macht eine steuerliche Gestaltung noch nicht unangemessen (Beschluss des Großen Senats des , BFHE 137, 433, 444, BStBl II 1983, 272; , BFHE 190, 173, BStBl II 2000, 224). Auch Angehörigen steht es danach frei, ihre Rechtsverhältnisse untereinander steuerlich möglichst günstig zu gestalten. Eine rechtliche Gestaltung ist erst dann unangemessen, wenn der Steuerpflichtige die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen eines bestimmten wirtschaftlichen Ziels nicht gebraucht, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel nicht erreichbar sein soll (BFH-Urteil in BFHE 179, 400, BStBl II 1996, 214).
b) Danach liegt ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts bei Abschluss eines Mietvertrages unter Angehörigen nicht schon deshalb vor, weil das Objekt vor der Vermietung vom jetzigen Mieter gegen wiederkehrende Leistungen auf den Vermieter übertragen wurde.
Insoweit nimmt der Senat zur Begründung auf das Urteil des Senats vom IX R 12/01 Bezug.
c) Im Übrigen ist der zwischen den Vertragsparteien geschlossene Mietvertrag steuerrechtlich anzuerkennen, wenn er zum einen bürgerlich-rechtlich wirksam geschlossen ist und darüber hinaus sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entspricht; dabei schließt nicht jede Abweichung vom Üblichen notwendigerweise die steuerrechtliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses aus (, BFHE 184, 463, BStBl II 1998, 106; vom IX R 69/94, BFHE 180, 377, BStBl II 1997, 196).
3. Nach diesen Grundsätzen ist das Mietverhältnis bürgerlich-rechtlich wirksam und steuerrechtlich anzuerkennen.
a) Nach den für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) ist der Mietvertrag zwischen den Klägern und der Mutter des Klägers bürgerlich-rechtlich wirksam sowie in fremdüblicher Weise abgeschlossen und tatsächlich durchgeführt worden; das FA hat sich dieser Würdigung nach den Feststellungen des FG angeschlossen.
b) Für die Anerkennung des Mietverhältnisses ist unerheblich, dass bei der Übertragung des Grundstücks eine dauernde Last eingeräumt worden ist; denn sie steht nicht im Zusammenhang mit der Grundstücksnutzung durch die Mutter, sondern ist eine Leistung im Rahmen der Vermögensübertragung. Die Koppelung der dauernden Last an die Höhe der Bruttomiete ist lediglich eine besondere Form der Indexierung. Eine Anpassungsmöglichkeit nach § 323 der Zivilprozeßordnung als Voraussetzung für die Annahme einer dauernden Last mit wiederkehrenden Leistungen in schwankender Höhe (vgl. , BFHE 146, 68, BStBl II 1986, 348) ist nämlich auch dann gegeben, wenn die Höhe der Leistungen von den jeweiligen wirtschaftlichen Verhältnissen des Gebers oder des Empfängers oder von variablen Bemessungsgrundlagen (z.B. Umsatz oder Gewinn —oder wie im Streitfall von den Mieteinnahmen—) abhängt (vgl. , BFHE 130, 520, BStBl II 1980, 573; vom IX R 7/82, BFH/NV 1987, 26).
4. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass nach dem Beschluss des Großen Senats des (BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95) wiederkehrende Leistungen wie die im Streitfall anlässlich der Grundstücksübertragung auf die Kläger vereinbarte dauernde Last nur dann als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1a des Einkommensteuergesetzes abziehbar sind, wenn sie aus den erzielbaren laufenden Nettoerträgen des übernommenen Vermögens gezahlt werden können.
Hierzu ist eine Nettoertragsprognose nach den maßgeblichen Verhältnissen bei Vertragsschluss zu erstellen.
5. Die Kostenentscheidung ist dem Endurteil vorbehalten (vgl. , BFHE 136, 38, BStBl II 1982, 573; , BFHE 110, 111, BStBl II 1973, 823).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 1267
BFH/NV 2004 S. 1267 Nr. 9
AAAAB-23783