Änderung von KraftSt-Bescheiden; kein Verstoß gegen § 88 AO bei Übernahme der von der Verkehrsbehörde im Datenträgeraustausch übermittelten Daten für die KraftSt-Festsetzung
Gesetze: KraftStG § 9; AO §§ 88, 173
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist seit April 1998 Halter eines von der Verkehrsbehörde als LKW eingestuften Kfz mit einem zulässigen Gesamtgewicht von ursprünglich 2800 kg und einem Hubraum 2 477 ccm. Entsprechend den dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt —FA—) im Datenträgeraustausch übermittelten Daten der Verkehrsbehörde wurde das Fahrzeug vom FA als LKW besteuert. Später stellte das FA nach einem Bestandsabgleich mit der Verkehrsbehörde fest, dass es sich um einen PKW handele. Mit dem in diesem Verfahren angefochtenen Bescheid vom ... Januar 2000 hat es deshalb die Steuer rückwirkend ab dem Tage der Zulassung neu festgesetzt. Während des deshalb vom Kläger angestrengten Einspruchsverfahrens ist bei dem Fahrzeug eine Auflastung vorgenommen worden, so dass das Fahrzeug vom FA seit dem ... Februar 2000 als LKW eingestuft wird; der angefochtene Bescheid ist entsprechend geändert worden. Nachdem sein Einspruch zurückgewiesen worden war, hat der Kläger Klage erhoben, die das Finanzgericht (FG) mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 979 im Leitsatz veröffentlichten Urteil abgewiesen hat. Gegen dieses Urteil richtet sich die vom FG zugelassene Revision des Klägers.
Der Kläger trägt zur Begründung seiner Revision im Wesentlichen Folgendes vor: Das FA sei nach dem Grundsatz von Treu und Glauben an einer Änderung des Kraftfahrzeugsteuerbescheides gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) gehindert, weil es die Unrichtigkeit des Erstbescheides zu verantworten habe. Es habe Ermittlungsmöglichkeiten nicht genutzt, die sich bei Beachtung des § 88 AO 1977 und Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hätten aufdrängen müssen, nachdem diesem die steuerrechtliche Unzuverlässigkeit der verkehrsrechtlichen Einstufung eines Fahrzeuges mit weniger als 2,8 t zulässigem Gesamtgewicht im Wesentlichen bereits seit 1994 bewusst gewesen sei. Das FG habe nicht festgestellt, inwieweit die Finanzverwaltung tatsächlich alles Mögliche unternommen habe, um eine richtige Besteuerung von Anfang an zu gewährleisten. Es hätte auch der Frage nachgehen müssen, warum bei Klein-LKW nicht eine zusätzliche Steuererklärung habe verlangt werden können.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und die Kraftfahrzeugsteuer unter Abänderung der Bescheide sowie der Einspruchsentscheidung für die Jahre 1998, 1999 und 2000 herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen. Es nimmt im Wesentlichen auf das Urteil des Senats vom VII R 139/97 (BFHE 185, 520, BStBl II 1998, 579) Bezug.
II. Die Revision ist unbegründet (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das Urteil des FG entspricht dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO).
Das FG hat rechtsfehlerfrei erkannt, dass das Fahrzeug des Klägers ein PKW ist. Diese im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet liegende Würdigung (zu den Maßstäben vgl. u.a. , BFHE 183, 272, BStBl II 1997, 627, und vom VII R 88/90, BFH/NV 1992, 414) ist für den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindend.
Die Steuerfestsetzung in dem ursprünglich gegen den Kläger ergangenen Kraftfahrzeugsteuerbescheid, bei der das FA entsprechend den ihm von der Zulassungsstelle übermittelten Daten von einem LKW ausgegangen ist, entsprach demnach nicht dem Gesetz. Sie kann unter den Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 geändert werden, welche vorliegen. Denn sinngemäß ergibt sich aus dem Urteil des FG —auch insoweit bindend—, dass das FA zu einer anderen kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Entscheidung gelangt wäre, wenn ihm schon bei Erlass des ursprünglich gegen den Kläger ergangenen Kraftfahrzeugsteuerbescheides bekannt gewesen wäre, dass es sich bei dem Fahrzeug des Klägers nach der Herstellerkonzeption um einen PKW handelt.
Die Änderung des gegen den Kläger zunächst in Unkenntnis dieser —entscheidungserheblichen— Tatsache ergangenen Kraftfahrzeugsteuerbescheides scheitert, anders als der Kläger meint, nicht am Grundsatz von Treu und Glauben. Das FA war nicht durch § 88 AO 1977 verpflichtet, den Fahrzeugtyp von sich aus festzustellen, statt sich auf die ihm von der Zulassungsstelle übermittelten Daten zu verlassen. Durch die für das FA ersichtlichen Umstände des Einzelfalles begründeter Anlass, an der Richtigkeit der Einstufung des Fahrzeuges als LKW zu zweifeln, bestand nicht. Allerdings musste dem FA bei Erlass des Bescheides bekannt sein und war ihm offenbar auch bekannt, dass die Kraftfahrzeugzulassungsstellen bei der verkehrsrechtlichen Einstufung von PKW-Kombis und anderen auch zur Lastenbeförderung geeigneten Fahrzeugen Maßstäbe anwenden, die den von der Rechtsprechung der Finanzgerichte und des erkennenden Senats seit 1994 entwickelten Anforderungen an die Unterscheidung zwischen PKW und LKW nicht in allen Fällen entsprechen. Das FA konnte deshalb nicht davon ausgehen, dass die Einstufung eines Fahrzeuges durch die Verkehrsbehörde als LKW generell zutreffend ist, sondern es musste damit rechnen, dass es bei angeblichen LKW mit geringem zulässigem Gesamtgewicht aufgrund der strengeren Anforderungen der finanzgerichtlichen Rechtsprechung —unbeschadet der Maßgeblichkeit verkehrsrechtlicher Vorschriften auch für das Kraftfahrzeugsteuerrecht (vgl. , BFHE 169, 468, BStBl II 1993, 250, und vom VII R 181/82, BFHE 142, 515, BStBl II 1985, 230)— zu aus der Sicht der Finanzbehörden unzutreffenden Zuordnungen kommen kann.
Der erkennende Senat hat jedoch bereits in seinem Urteil in BFHE 185, 520, BStBl II 1998, 579 entschieden, dass die Übernahme der von der Verkehrsbehörde im Datenträgeraustausch übermittelten Daten für die Kraftfahrzeugsteuerfestsetzung nicht grundsätzlich gegen § 88 AO 1977 verstieß, sondern solange zulässig war, wie nicht durch eine Umstellung des elektronischen Datenaustausches Fahrzeuge, deren kraftfahrzeugsteuerrechtliche Einstufung als LKW überprüfungsbedürftig ist, vom FA ohne weiteres identifiziert werden konnten, und dass der Finanzverwaltung für diese Umstellung eine Frist einzuräumen war, deren Bemessung eine in erster Linie dem Tatrichter obliegende Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse erfordert. Wenn das FG insofern in dem angefochtenen Urteil sinngemäß davon ausgegangen ist, dass diese Frist 1998 —also bei erstmaliger Festsetzung der Steuer gegen den Kläger— noch nicht abgelaufen war, entspricht dies der Rechtsprechung des Senats und lässt keinen Rechtsfehler erkennen (vgl. auch den Beschluss des Senats vom VII B 357/02, BFH/NV 2004, 537).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 1294
BFH/NV 2004 S. 1294 Nr. 9
RAAAB-23773