BFH Beschluss v. - VII B 327/03

Schlüssige Darlegung des Zulassungsgrunds der Rechtsfortbildung; Anspruch auf rechtliches Gehör

Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2, § 96

Instanzenzug:

Gründe

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wollte mit einem in der Schweiz zugelassenen Pferdetransporter aus der Schweiz in die Bundesrepublik einreisen. Er beabsichtigte, das Fahrzeug in seinem Betrieb zu reparieren. Die beim Grenzübergang tätigen Zollbeamten machten den Kläger darauf aufmerksam, dass er als Deutscher Staatsangehöriger mit dem Fahrzeug nicht einreisen dürfe. Der Kläger forderte daraufhin einen Schweizer Fahrer an, mit dem er die Grenze überquerte und damit das Fahrzeug formlos in das Verfahren der vorübergehenden Verwendung überführte. Nach dem Grenzübertritt übernahm der Kläger wieder das Fahrzeug, während der Fahrer zu Fuß in die Schweiz zurückkehrte.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt) setzte daraufhin die auf das Fahrzeug entfallenden Einfuhrabgaben (Zoll und Einfuhrumsatzsteuer) gegen den Kläger fest. Mit seiner nach erfolglosem —nur noch gegen die Zollerhebung gerichteten— Einspruch erhobenen Klage machte der Kläger geltend, dass er sich mit den zollrechtlichen Vorschriften nicht auskenne und geglaubt habe, dass der Schweizer Fahrer nur für den Grenzübertritt benötigt werde. Die Zollbeamten hätten ihn nicht darüber aufgeklärt, dass er das Fahrzeug nicht fahren dürfe und dass im Fall einer Zuwiderhandlung Einfuhrabgaben anfielen und er sich strafbar mache. Die Zollbeamten seien verpflichtet gewesen, ihn zu belehren und ihn zur Wahl des zutreffenden Zollverfahrens anzuhalten. Es müsse ihm daher die rückwirkende Bewilligung eines Zollverfahrens der aktiven Veredelung erteilt werden.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage aufgrund mündlicher Verhandlung, in der es die Zollbeamten als Zeugen vernahm, ab. Das FG urteilte, dass die Einfuhrabgaben durch das vorschriftswidrige Verbringen des Fahrzeugs in das Zollgebiet der Gemeinschaft entstanden seien. Mit dem Grenzübertritt sei das Fahrzeug durch konkludente Willenserklärung formlos in das Zollverfahren der vorübergehenden Verwendung übergeführt worden, obwohl die Voraussetzungen für die formlose Bewilligung dieses Zollverfahrens nicht vorgelegen hätten. Die Zollbeamten hätten keinen Anlass gehabt, den Kläger auf das für den beabsichtigten Einfuhrzweck vorgesehene Zollverfahren der aktiven Veredelung hinzuweisen, da ihnen nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme der Zweck des Verbringens des Fahrzeugs in das Zollgebiet der Gemeinschaft seinerzeit unbekannt gewesen sei. Eine rückwirkende Bewilligung dieses Zollverfahrens komme nicht in Betracht, weil dem Kläger offensichtliche Fahrlässigkeit zur Last falle. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass der Kläger die Zollbeamten über den Zweck des Verbringens im Unklaren gelassen habe, da er diesen gegenüber lediglich angegeben habe, mit dem Fahrzeug Pferde transportieren zu wollen, und dass die Beamten die Reparaturbedürftigkeit des Fahrzeugs auch nicht hätten erkennen können.

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, welche er auf die Zulassungsgründe der Fortbildung des Rechts und des Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative und Nr. 3 der FinanzgerichtsordnungFGO—) stützt.

II. Die Beschwerde ist unzulässig, weil in der Beschwerdeschrift die vom Kläger geltend gemachten Gründe für die Zulassung der Revision nicht schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt.

1. Eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO) ist in Fällen erforderlich, in denen über bisher ungeklärte Rechtsfragen zu entscheiden ist, so beispielsweise, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Grundsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen; insoweit gelten die zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Satz 3 FGO a.F. höchstrichterlich entwickelten Anforderungen fort (, BFH/NV 2002, 652). Auch zur Darlegung des Zulassungsgrundes des § 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO sind somit substantiierte und konkrete Angaben dazu erforderlich, weshalb eine Entscheidung des Revisionsgerichts zu einer bestimmten Rechtsfrage aus Gründen der Rechtsklarheit oder der Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse liegt (, BFH/NV 2003, 197).

Auch an solchen Darlegungen fehlt es im Streitfall. Die Beschwerde bezeichnet keine Rechtsfrage, deren Klärung aus Gründen der Rechtsklarheit oder der Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse liegt. Die Beschwerde behauptet lediglich, dass die seinerzeit tätigen Zollbeamten den Kläger über das in seinem Fall in Betracht kommende Zollverfahren der aktiven Veredelung hätten aufklären müssen, da die Reparaturbedürftigkeit des Fahrzeugs bei seiner Einfahrt ins Grenzgebiet offensichtlich gewesen sei. Damit wendet sich die Beschwerde gegen das Ergebnis der Beweisaufnahme, wie es sich nach Ansicht des FG darstellt, und richtet sich daher gegen die Richtigkeit der Würdigung der Verhältnisse des Einzelfalls durch den Tatrichter, was jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen kann, weil damit kein Zulassungsgrund gemäß § 115 Abs. 2 FGO dargetan wird.

Das weitere Beschwerdevorbringen, dass das Urteil des FG auf einem erheblichen Rechtsfehler beruhe, ist nicht geeignet, den Zulassungsgrund des § 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO darzulegen. Ob und unter welchen Voraussetzungen mit der Behauptung, dass dem FG ein Rechtsfehler von erheblichem Gewicht unterlaufen sei, ein Grund für die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO dargelegt werden kann, bedarf keiner weiteren Ausführungen, da es im Streitfall bereits an einer schlüssigen Bezeichnung eines Rechtsfehlers des FG fehlt, auf dem dessen Entscheidung beruht. Mit dem Vorbringen der Beschwerde, dass das Fahrzeug entgegen der Ansicht des FG durch die spätere Reparatur keine erhebliche Wertsteigerung erfahren habe, wird zum einen wiederum eine angeblich unzutreffende Tatsachenwürdigung durch das FG, aber kein Rechtsfehler dargetan, zum anderen hat diese Frage einer Wertsteigerung des Fahrzeugs für die Entscheidung des FG auch erkennbar keine Rolle gespielt.

2. Auch ein Verfahrensfehler des FG in der Form der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) ist nicht schlüssig bezeichnet. Anders als die Beschwerde meint, war das FG nicht verpflichtet, dem Kläger zu gestatten, noch nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung eine schriftsätzliche Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme abzugeben. Es ist weder von der Beschwerde dargelegt noch sonst erkennbar, dass im Streitfall die Voraussetzungen für das Nachreichen eines Schriftsatzes gemäß § 155 FGO i.V.m. § 283 der Zivilprozessordnung (ZPO) gegeben waren. Ebenso wenig bestand für das FG eine Pflicht zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung; diese stand vielmehr nach § 93 Abs. 3 Satz 2 FGO im Ermessen des Gerichts. Auch insoweit ist im Streitfall weder dargelegt noch sonst erkennbar, dass sich das eingeräumte Ermessen des FG zu einer Rechtspflicht, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen, verdichtet hatte (vgl. zu den Voraussetzungen: Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 93 Rz. 10). Wie sich aus dem Sitzungsprotokoll des FG ergibt, hatten die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung Gelegenheit, sich nach der Beweisaufnahme zu deren Ergebnis zu äußern (§ 96 Abs. 2 FGO, § 155 FGO i.V.m. § 285 Abs. 1 ZPO). Der Schriftsatz des Klägers vom enthielt keine Gründe, weshalb das FG darüber hinaus noch eine weitere schriftsätzliche Stellungnahme für erforderlich hätte halten müssen.

Fundstelle(n):
NAAAB-23770