Pflichtbeiträge der Angehörigen freier Berufe zu den Versorgungswerken ihrer jeweiligen Kammer keine BA
Gesetze: EStG § 4 Abs. 4, § 3 Nr. 62, § 10
Instanzenzug:
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) noch fordert —wie in § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO vorgesehen— die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH). Die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) aufgeworfene Rechtsfrage ist nicht (mehr) klärungsbedürftig.
1. a) Das Finanzgericht (FG) hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der beschließende Senat bereits in seinem Urteil vom IV R 119/67 (BFHE 106, 38, BStBl II 1972, 728) Pflichtbeiträge von Angehörigen freier Berufe zu den Versorgungswerken ihrer jeweiligen Kammer nicht als Betriebsausgaben i.S. des § 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG), sondern als Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 b EStG) angesehen hat (s. auch das weitere Urteil des Senats vom IV R 88-89/69, BFHE 106, 32, BStBl II 1972, 730). Es handelt sich hierbei entgegen der Auffassung der Klägerin weder um singuläre Entscheidungen noch um solche, die durch die Entwicklung der letzten 30 Jahre überholt wären.
b) Der Klägerin ist darin zuzustimmen, dass sich die Unterschiede zwischen der steuerlichen Behandlung von Selbständigen einerseits und von Arbeitnehmern andererseits seit Ergehen der genannten Senatsurteile vergrößert haben. Die geringere steuerliche Erfassung der Vorsorgeaufwendungen der Selbständigen gegenüber Arbeitnehmern beruht darauf, dass der Betrag des Vorwegabzugs nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG nicht den Betrag des nach § 3 Nr. 62 EStG steuerfreien Arbeitgeberanteils erreicht. Dieser Unterschied wirkt sich naturgemäß umso stärker aus, je höher die Beiträge zu den jeweiligen Versicherungen sind.
c) Das ändert jedoch nichts daran, dass es die Systematik des Einkommensteuerrechts verbietet, Vorsorgeaufwendungen als Erwerbsaufwendungen, sei es als Betriebsausgaben oder als Werbungskosten, einzustufen.
aa) In diesem Sinne hat die Rechtsprechung auch in den Jahren nach Ergehen der Senatsentscheidungen in BFHE 106, 38, BStBl II 1972, 728 und BFHE 106, 32, BStBl II 1972, 730 stets entschieden. So hat das (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 1982, 70) erkannt, dass für einen Rechtsanwalt Sterbegeldumlagen der Rechtsanwaltskammer keine Betriebsausgaben, sondern Sonderausgaben (Versicherungsbeiträge) sind. Die Revision gegen dieses Urteil hat der BFH nicht zugelassen (Beschluss vom VI B 102/81, nicht veröffentlicht —n.v.—). Diese Einordnung der Vorsorgeaufwendungen Selbständiger hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) als sachgerecht bezeichnet (Beschlüsse vom 1 BvR 136/78, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung —HFR— 1978, 293, und vom 1 BvR 982/86, Deutsche Steuer-Zeitung/Eildienst —DStZ/E— 1986, 357). Sie wird —auch in jüngster Zeit und soweit ersichtlich unbestritten— im steuerrechtlichen Schrifttum vertreten (vgl. z.B. Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 22. Aufl. 2003, § 10 Rz. 75 „Sozialversicherung"; Söhn in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 10 Rdnr. E 275, Stand Januar 2002). Schließlich hat der BFH seine Auffassung nach Einlegung der Beschwerde der Klägerin erneut bestätigt (Urteil vom XI R 17/00, BFHE 201, 437, BStBl II 2003, 650, zu einem selbständigen Rechtsanwalt).
bb) Häufiger als Urteile des BFH zu der Qualifizierung von Vorsorgeaufwendungen von Selbständigen als Sonderausgaben sind Entscheidungen, in denen die Auffassung abgelehnt wird, Vorsorgeaufwendungen von pflichtversicherten Arbeitnehmern stellten Werbungskosten zur Erzielung der späteren Renteneinkünfte dar (z.B. BFH-Entscheidungen vom IX R 206/84, BFHE 147, 176, BStBl II 1986, 747; vom X B 173/02, BFH/NV 2003, 1325, m.w.N.). Die Problematik ist dieselbe. Der Abzug als Werbungskosten scheitert zum einen daran, dass Vorsorgeaufwendungen nicht Aufwendungen der Einkommenserzielung, sondern Maßnahmen der Einkommensverwendung darstellen. Zum anderen scheitert der Abzug als Werbungskosten aber auch daran, dass Aufwendungen zur Anschaffung von Wirtschaftsgütern, die der Einnahmeerzielung dienen, nicht sofort absetzbar sind. Die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung unterscheiden sich insoweit nicht von anderen Aufwendungen zum Erwerb einer Kapitalanlage (BFH-Urteil in BFHE 147, 176, BStBl II 1986, 747, unter 2.b). Im BFH-Urteil in BFHE 201, 437, BStBl II 2003, 650 werden sie als besonders geartete Sparleistungen bezeichnet. Auch wenn man daher die Beiträge der Klägerin zum Versorgungswerk der Rechtsanwälte als betrieblich (beruflich) veranlasst ansehen wollte, könnten sie nach den Grundsätzen der ständigen BFH-Rechtsprechung als Anschaffungskosten der Rentenanwartschaft nicht sofort als Betriebsausgaben abgezogen werden.
cc) Aus denselben Gründen kommt auch der Betriebsausgabenabzug eines dem „Arbeitgeberanteil” (§ 3 Nr. 62 EStG) entsprechenden Teils der Vorsorgeaufwendungen eines Selbständigen nicht in Betracht. Zwar kann ein Betriebsinhaber als Arbeitgeber seinen Beitrag zur Zukunftssicherung seiner Arbeitnehmer steuerlich absetzen (vgl. Schmidt/Heinicke, a.a.O., § 3 ABC „Zukunftssicherungsleistungen”). Der Betriebsinhaber kann sich jedoch nicht selbst als Arbeitgeber gegenübertreten. Der BFH hat im Urteil vom XI R 37/88 (BFHE 167, 522, BStBl II 1992, 812) entschieden, dass das nicht nur für Einzelunternehmer, sondern auch für Mitunternehmer gilt.
dd) Auch der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuordnung der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen (Alterseinkünftegesetz) vom , demzufolge Altersvorsorgebeiträge ab dem Jahr 2005 beginnend mit einem Prozentsatz von 60 v.H. und bis 2025 um jährlich 2 Punkte auf 100 v.H. ansteigend abziehbar sein sollen, sieht die Abziehbarkeit nicht als Werbungskosten oder Betriebsausgaben, sondern als Sonderausgaben vor.
2. Es kann sich demnach nur die Frage stellen, ob der allgemeine Gleichheitssatz insofern verletzt ist, als Selbständige gegenüber Arbeitnehmern dadurch benachteiligt sind, dass der Betrag des Vorwegabzugs nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG den Betrag des nach § 3 Nr. 62 EStG steuerfreien Arbeitgeberanteils nicht erreicht (s.o. unter 1.b).
Die Frage ist zu verneinen. Der XI. Senat des BFH hat in zwei jüngeren Urteilen die Auffassung vertreten, der allgemeine Gleichheitssatz sei nicht verletzt, weil zwischen Arbeitnehmern einerseits und Selbständigen andererseits Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestünden, dass sie die ungleiche Behandlung der Vorsorgeaufwendungen unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit rechtfertigten (s. im Einzelnen Urteile in BFHE 201, 437, BStBl II 2003, 650, und vom XI R 41/99, BFHE 200, 529, BStBl II 2003, 179, jeweils unter II.2.d). Der beschließende Senat hat sich dem angeschlossen (Senatsbeschluss vom IV R 95/99, BFH/NV 2003, 1054). Dabei war für den XI., aber auch für den beschließenden Senat nicht zuletzt von Bedeutung, dass das BVerfG in seinem Beschluss vom 2 BvL 17/99 (BVerfGE 105, 73, BStBl II 2002, 618) davon Abstand genommen hat, den Gesetzgeber zu einer rückwirkenden Änderung der verschiedenen, miteinander verzahnten Vorschriften über die steuerliche Behandlung von Vorsorgeaufwendungen und Rentenzahlungen zu verpflichten. Das BVerfG hat vielmehr den Gesetzgeber aufgefordert, im Rahmen der gebotenen Neuregelung die Besteuerung von Vorsorgeaufwendungen für die Alterssicherung und die Besteuerung von Bezügen aus dem Ergebnis der Vorsorgeaufwendungen so aufeinander abzustimmen, dass eine doppelte Besteuerung vermieden wird. Ein derartiger Entwurf liegt —wie bereits erwähnt— inzwischen vor.
3. Von der Wiedergabe des Sachverhalts hat der Senat abgesehen (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 1245
DB 2004 S. 1974 Nr. 37
XAAAB-23758