Fehlende Entscheidungsgründe führen als Verfahrensmangel zur Urteilsaufhebung und zur Zurückverweisung
Gesetze: FGO § 105 Abs. 2 Nr. 5
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Beteiligten streiten über die Zuordnung von Schuldzinsen bei einem gemischt genutzten Gebäude.
Die Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) sind Eigentümer eines Grundstücks, auf dem sie in den Jahren 1996 und 1997 ein Gebäude errichteten, in welchem eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird und die anderen beiden vermietet werden. Hinsichtlich der Frage, in welcher Weise die Kläger Eigen- und Fremdkapital auf die drei Wohnungen aufteilen können, begehrten sie vom Beklagten und Beschwerdeführer (Finanzamt —FA—) eine verbindliche Zusage, die ihnen jedenfalls zunächst verweigert wurde. Ungeachtet der Auseinandersetzung um die verbindliche Zusage nahmen die Kläger bereits verschiedene Darlehen auf.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (1999) machten die Kläger Finanzierungskosten und Schuldzinsen in voller Höhe bei den Einkünften aus den beiden vermieteten Wohnungen geltend. Das FA rechnete die Schuldzinsen aber nur anteilig zu. Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ordnete die Schuldzinsen allein den vermieteten Wohnungen zu. Es liege mit dem Schreiben des Vorstehers des FA vom eine das FA nach den Grundsätzen von Treu und Glauben bindende Zusage vor.
Hiergegen richtet sich die auf Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) sowie auf das Erfordernis der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) gestützte Nichtzulassungsbeschwerde. Dem FG-Urteil fehle es an einer hinreichenden Darstellung des Tatbestandes. Das FG begründe seine Erkenntnis mit Ausführungen zu Treu und Glauben, ohne sich mit diesen Fragen im Tatbestand auseinander zu setzen. Das Urteil verletze auch § 96 Abs. 1 FGO. Aus den Akten ergebe sich, dass der maßgebende Sachverhalt bereits verwirklicht war, als das Schreiben des Vorstehers den Klägern zugegangen sei. Überdies weiche das Urteil von der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ab, wonach die Bindung des FA an eine Zusage nur dann gegeben sei, wenn die Zusage vor Verwirklichung des zu beurteilenden Sachverhalts gegeben sei.
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG (§ 116 Abs. 6 FGO). Dessen Urteil leidet an einem Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO, da es nicht in ausreichender Weise mit Gründen versehen ist.
1. Nach § 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO muss das Urteil eines FG u.a. Entscheidungsgründe enthalten. Fehlt es daran, so liegt ein Verfahrensmangel vor (Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler —HHSp—, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 105 FGO Rz. 38, 57, m.w.N.), der mit der Nichtzulassungsbeschwerde gerügt werden kann (BFH-Beschlüsse vom X B 36/01, BFH/NV 2002, 348; vom VI B 98/01, BFH/NV 2002, 810, m.w.N.).
Die von § 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO geforderte Begründung eines Urteils dient vor allem der Unterrichtung der Verfahrensbeteiligten darüber, auf welchen Feststellungen und Überlegungen die richterliche Entscheidung beruht (, BFH/NV 2000, 968, 969; , BFH/NV 2001, 46). Dazu muss zwar das Gericht nicht auf jede Einzelheit des Sachverhalts und des Beteiligtenvortrags ausführlich eingehen. Zudem kann es auf Erwägungen in dem angefochtenen Verwaltungsakt oder in der angefochtenen Einspruchsentscheidung Bezug nehmen, wenn und soweit es diesen Erwägungen folgt (§ 105 Abs. 5 FGO). Ein Verstoß gegen das Begründungsgebot liegt jedoch u.a. dann vor, wenn das Gericht einen wesentlichen Streitpunkt entweder überhaupt nicht erörtert (, BFH/NV 2001, 626; vom I R 80/99, BFH/NV 2001, 1277; vom IV R 93/99, BFH/NV 2001, 1570) oder mit formelhaften und inhaltlich nicht nachvollziehbaren Wendungen abhandelt (BFH-Urteil in BFH/NV 2001, 46; , BFH/NV 2003, 172).
2. Nach diesen Maßstäben lässt sich die angefochtene Entscheidung aus ihrer Begründung nicht nachvollziehen: Das FG stützt seine stattgebende Entscheidung auf eine bindende Zusage des FA. Ganz abgesehen davon, dass unklar bleibt, in welcher Aussage das FG eine derartige Zusage sieht, fehlen —wie das FA in seiner Beschwerdeschrift zutreffend bemerkt— jegliche Angaben dazu, in welcher Weise die Kläger die Herstellungskosten des Objekts sowie die (bereits aufgenommenen) Darlehen den drei Wohnungen auf Grund des Schreibens des FA zugeordnet haben (vgl. zu den Voraussetzungen der Bindungswirkung einer Zusage , BFHE 198, 403, BStBl II 2002, 714, m.w.N.). Außerdem enthalten die Gründe keine Ausführungen dazu, ob und inwieweit die Kläger die Herstellungskosten tatsächlich mit den aufgenommenen Darlehen beglichen haben (vgl. dazu die ständige Rechtsprechung des BFH, z.B. , BFHE 187, 276, BStBl II 1999, 676). Es ist nicht anzunehmen, der entscheidende Einzelrichter, der sich ausdrücklich auf die BFH-Rechtsprechung stützt, habe von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichen wollen. Deshalb lässt sich seine Entscheidung, das FA sei an eine Zusage seines Vorstehers gebunden, aus der von ihm gegebenen Begründung nicht nachvollziehen.
3. Die Sache wird an den zuständigen Vollsenat des FG und nicht an den Einzelrichter zurückverwiesen; denn die Sache weist besondere Schwierigkeiten tatsächlicher Art auf, § 6 Abs. 1 Nr. 1 FGO (vgl. , BFHE 180, 509, BStBl II 1996, 478; vgl. dazu auch Offerhaus in HHSp, § 126 FGO Rz. 54).
Fundstelle(n):
NAAAB-23517