GrESt bei Übergang des Vermögens einer Unterstützungskasse auf den Träger der Insolvenzsicherung gem. § 9 Abs. 3 BetrAVG
Gesetze: GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 3, § 4 Nr. 1; BetrAVG §§ 9, 14
Instanzenzug: 101091K 5 (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Träger der Insolvenzsicherung nach § 14 Abs. 1 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG). Infolge der Insolvenz der X-AG und des damit für den Kläger eingetretenen Sicherungsfalls ging das Vermögen der Unterstützungskasse der X-AG gemäß § 9 Abs. 3 BetrAVG auf den Kläger über. Zum Vermögen der Unterstützungskasse gehörten mehrere Grundstücke, als deren Eigentümer der Kläger am im Grundbuch im Wege der Grundbuchberichtigung eingetragen wurde.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) setzte gegen den Kläger durch Bescheid vom Grunderwerbsteuer in Höhe von ... DM fest. Die Bemessungsgrundlage wurde vom FA mit 140 v.H. der Einheitswerte der übergegangenen Grundstücke angesetzt. Der Einspruch des Klägers blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben und in seiner in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 219 veröffentlichten Entscheidung ausgeführt: Der gesetzliche Übergang der zum Vermögen der Unterstützungskasse gehörenden Grundstücke auf den Kläger erfülle zwar bei wörtlicher Auslegung die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG). Der gesetzliche Vermögensübergang nach § 9 Abs. 3 BetrAVG sei aber —worauf auch § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 GrEStG hinweise— nicht besteuerungswürdig. Der Vermögensübergang erfolge ausschließlich im öffentlichen Interesse und in einem öffentlich-rechtlichen Verfahren, dem sich der Kläger aufgrund der ihm auferlegten öffentlich-rechtlichen Aufgabenzuweisung nicht entziehen könne. Eine Besteuerung würde zudem die öffentlich-rechtliche Aufgabenstellung des Klägers, aus dem übernommenen Vermögen Versorgungsleistungen für anspruchsberechtigte Versorgungsempfänger zu erbringen, beeinträchtigen. Hätte der Gesetzgeber eine mögliche Besteuerung des Vermögensübergangs nach § 9 Abs. 3 BetrAVG nach dem GrEStG bedacht, so hätte er —entsprechend der dem Kläger für andere Steuerarten gewährten Steuerbefreiungen— Steuerfreiheit angeordnet.
Mit der Revision rügt das FA fehlerhafte Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG. Das FG habe verkannt, dass die Steuerbarkeit nach dieser Vorschrift allein an den im Streitfall gegebenen Rechtsträgerwechsel anknüpfe und kein gesetzlicher Befreiungstatbestand erfüllt sei.
Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.
Der Kläger ist der Revision entgegengetreten.
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das FA hat den Übergang der streitbefangenen Grundstücke auf den Kläger zu Recht gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterworfen.
1. Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG unterliegt der Übergang des Eigentums an einem Grundstück der Grunderwerbsteuer, wenn kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist und es auch keiner Auflassung bedarf. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Der Erwerb des Klägers beruht auf einem durch § 9 Abs. 3 BetrAVG angeordneten gesetzlichen Eigentumsübergang, weil nach dieser Vorschrift das Vermögen einer Unterstützungskasse im Sicherungsfall auf den Träger der Insolvenzsicherung übergeht.
Entgegen der Auffassung des FG widerspricht die Besteuerung des Eigentumsüberganges gemäß § 9 Abs. 3 BetrAVG auf den Kläger nicht dem § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG zugrunde liegenden Gesetzeszweck. Der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG knüpft ausschließlich an die zivilrechtliche (sachenrechtliche) Eigentumsänderung an (, BFHE 174, 185, BStBl II 1994, 866) und entspricht in seiner rechtstechnischen Ausgestaltung dem Charakter der Grunderwerbsteuer als einer Verkehrsteuer, wobei Besteuerungsgegenstand der auf einem tatbestandlichen Erwerbsvorgang beruhende Erwerb eines Grundstücks oder grundstücksgleichen Rechts ist (Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts —BVerfG— vom 2 BvR 72/90, BStBl II 1992, 212; vom 1 BvL 14/98, BStBl II 1999, 152). Ein solcher Erwerb ist im Streitfall gegeben. Für den Besteuerungstatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG ist unerheblich, ob ein wirtschaftlicher Umsatz verwirklicht wird (vgl. , BFHE 95, 287, BStBl II 1969, 400) und welche (öffentlichen) Interessen dem gesetzlichen Eigentumsübergang zugrunde liegen.
Für eine einschränkende Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG im Hinblick auf den gesetzlichen Vermögensübergang nach § 9 Abs. 3 BetrAVG ist kein Raum. Die hierfür vom FG angeführte Erwägung, dass § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 GrEStG den Übergang des Eigentums an Grundstücken aufgrund staatlichen Eingriffs aus dem Kreis der besteuerungswürdigen Erwerbsvorgänge ausscheide, ist im Ausgangspunkt unzutreffend. Denn die in § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 GrEStG aufgeführten Übergänge des Eigentums werden —ungeachtet der systematischen Stellung dieser Vorschrift— nicht aus dem Steuertatbestand ausgegrenzt, sondern lediglich von der Steuer befreit (, BFHE 190, 225, BStBl II 2000, 206).
2. Der Erwerb des Klägers ist mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung nicht von der Grunderwerbsteuer befreit. Eine Steuerbefreiung aufgrund § 4 Nr. 1 GrEStG scheidet aus, weil der Kläger keine Körperschaft des öffentlichen Rechts, sondern eine rechtsfähige Körperschaft des privaten Rechts ist. Auch dem Rechtsgedanken der Befreiungsvorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 GrEStG kann —entgegen der Ansicht des FG— eine Befreiung nicht entnommen werden. Diese Vorschrift ist nach ihrem Wortlaut auf den Eigentumsübergang in den dort näher bezeichneten Verfahren beschränkt. Das GrEStG ist im Hinblick auf einen für den Streitfall fehlenden Befreiungstatbestand nicht lückenhaft. Im Wege der Auslegung darf kein durch das Gesetz nicht belegter Begünstigungstatbestand geschaffen werden (, BFHE 187, 239, BStBl II 1999, 89; vom IX R 56/88, BFHE 159, 146, BStBl II 1990, 216). Die dem Kläger in anderen Steuergesetzen gewährten Vergünstigungen sind für die Auslegung des GrEStG ohne Bedeutung.
3. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen. Der Kläger wird durch den angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheid nicht in seinen Rechten verletzt.
Bemessungsgrundlage für die auf den Kläger übergegangenen Grundstücke ist gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 10 des Grunderwerbsteuergesetzes in der für den Streitfall maßgebenden Fassung (GrEStG a.F.) der Wert der Grundstücke, da eine Gegenleistung nicht vorhanden ist. Die vom Kläger übernommenen Verbindlichkeiten der Unterstützungskasse der X-AG sind keine Gegenleistung i.S. des § 8 Abs. 1 und § 9 GrEStG a.F. Die Übernahme dieser Verbindlichkeiten erfolgte nicht um des Erwerbs der Grundstücke willen, sondern beruhte ausschließlich auf der sich aus § 7 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG ergebenden und von § 9 Abs. 3 Satz 1 BetrAVG vorausgesetzten gesetzlichen Pflicht des Klägers zur Erbringung der Versorgungsleistungen. Zutreffend hat daher das FA der Grunderwerbsteuerfestsetzung gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 10 GrEStG a.F. die mit 140 v.H. angesetzten Einheitswerte (§ 121a des Bewertungsgesetzes) zugrunde gelegt.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 1120
BFH/NV 2004 S. 1120 Nr. 8
ZAAAB-22528