Anerkennung eines Mietvertrags nach einer Grundstücksübertragung unter Angehörigen
Gesetze: EStG §§ 21, 9; AO § 42
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die in den Streitjahren (1993 und 1994) zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurden. Der Vater des Klägers übertrug diesem im Jahre 1991 sein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück. Der Kläger verpflichtete sich, an seine Eltern als Gesamtberechtigte monatlich 950 DM als dauernde Last zu zahlen, und zwar mit der Möglichkeit der Anpassung nach § 323 der Zivilprozessordnung (ZPO) auf höchstens 1 200 DM pro Monat. Die Forderung der Eltern wurde durch eine Reallast dinglich gesichert. Der Kläger vermietete seinen Eltern mit Wirkung vom die Räume im Erdgeschoss des Hauses für monatlich 620 DM zuzüglich Nebenkosten, wobei sich das Mietverhältnis nach Fertigstellung des vom Kläger geplanten Anbaus auch auf das neuerrichtete Zimmer erstrecken sollte. Der Mietvertrag war auf die Lebenszeit des Längstlebenden der Mieter abgeschlossen. Die Vertragsparteien konnten nur aus wichtigem Grunde kündigen. Die Eltern des Klägers bewohnten während der Baumaßnahme bis zum das gesamte Haus. Mit dem Anbau, für dessen Herstellung der Kläger 105 268,14 DM aufwandte, entstanden im Erd- und Obergeschoss jeweils eine abgeschlossene Wohnung. Die Eltern des Klägers nutzen fortan die Erdgeschosswohnung (101 qm), während die Kläger die Obergeschosswohnung (97 qm) bewohnen.
Sie erklärten für die Streitjahre neben einer dauernden Last in Höhe von jeweils 11 400 DM (950 DM x 12) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) erkannte die vertraglichen Vereinbarungen wegen des Missbrauchs rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten nicht an, berücksichtigte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung jeweils mit 0 DM und kürzte die dauernde Last um die von den Eltern gezahlten Mietzinsen, so dass für einen Abzug als Sonderausgaben 3 960 DM verblieben.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seiner Entscheidung aus, zwar liege in der Vereinbarung des Klägers mit seinen Eltern kein Scheingeschäft i.S. des § 41 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977), wohl aber ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts gemäß § 42 AO 1977. Dadurch habe erreicht werden sollen, dass die Eltern ohne wirtschaftliche Belastung weiterhin im übertragenen Anwesen hätten wohnen können. Verständige Parteien hätten aber nicht den umständlichen Weg über gegenseitige Zahlungspflichten gewählt, sondern hätten den Eltern ein dingliches Wohnungsrecht eingeräumt. Die wiederkehrenden Leistungen wären nicht in demselben Umfang wie im Streitfall vereinbart worden, weil ein Ausgleich für die Miete nicht erforderlich gewesen wäre. Die Verknüpfung der Vermögensübertragung gegen Versorgung mit einer Rückanmietung habe Versorgungsleistungen und Mieteinnahmen wirtschaftlich neutralisieren sollen. Sei die Vereinbarung —wie hier— rechtsmissbräuchlich, komme es nicht mehr darauf an, ob der Mietvertrag einem Fremdvergleich standhalte.
Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger, die sie auf Verletzung materiellen Rechts stützen. Die von ihnen gewählte Gestaltung sei angemessen. Ihre Zahlungen beruhten auf der Übertragung des Grundstücks und bildeten keinen Ausgleich für die Mietzahlungen der Eltern.
Die Kläger beantragen sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und der Klage stattzugeben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Ein Rechtsmissbrauch sei hier ebenso wie im Fall des (BFH/NV 1996, 123) zu bejahen. Wenn dort schon der Verzicht auf ein dingliches Nutzungsrecht gegen eine dauernde Last und Rückvermietung als Gestaltungsmissbrauch anzusehen sei, so erst Recht bei einem Verzicht auf das Eigentumsrecht von Anfang an gegen eine dauernde Last und Rückvermietung.
Der Senat hat durch Beschluss in dieser Sache vom mit Einverständnis der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens bis zum Abschluss des beim Großen Senat des BFH anhängigen Verfahrens GrS 1/00 angeordnet. Er hat —nachdem der Große Senat des über dieses Verfahren entschieden hat— durch Beschluss vom das Verfahren wieder aufgenommen.
II. Die Revision ist begründet und führt nach § 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.
1. Das FG hat die Voraussetzungen eines Missbrauchs von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten unzutreffend bejaht und dadurch § 42 Abs. 1 AO 1977 verletzt.
Rechtsmissbräuchlich i.S. des § 42 Abs. 1 AO 1977 ist eine Gestaltung, die —gemessen an dem erstrebten Ziel— unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist. Eine rechtliche Gestaltung ist dann unangemessen, wenn der Steuerpflichtige die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen bestimmter wirtschaftlicher Ziele nicht gebraucht, obwohl hierfür keine beachtlichen außersteuerlichen Gründe vorliegen, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel, Steuern zu sparen, nicht erreichbar sein soll (vgl. , BFHE 201, 246, BStBl II 2003, 509, und vom IX R 51/92, BFHE 180, 330, BStBl II 1996, 443, m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor.
a) Das FG ist zu Unrecht der Ansicht, dass im Streitfall nur der Vorbehalt eines lebenslänglichen (unentgeltlichen) Nutzungsrechts angemessen gewesen wäre. Eltern steht es nämlich frei, ihren Kindern Vermögensgegenstände entgeltlich oder unentgeltlich zu übertragen und sich ferner die Nutznießung des übertragenen Gegenstandes entweder unentgeltlich oder entgeltlich zu sichern (, BFH/NV 1997, 404).
b) Das FG sieht den Missbrauch im Streitfall unzutreffend vor allen Dingen in der Verknüpfung der Versorgungsleistungen mit der „Rückanmietung„, die zu einer Neutralisierung des Vorgangs mit dem Ziel führen, den ursprünglichen wirtschaftlichen Stand der Eltern des Klägers zu sichern.
Es ist schon fraglich, ob man die Leistungen überhaupt miteinander verknüpfen kann; denn die Eltern wurden im Streitfall nicht so gestellt, wie sie vor der Übertragung standen. Der Mietvertrag umfasste nicht das gesamte Anwesen, sondern lediglich die Räume im Erdgeschoss, die auch die durch den Anbau bedingte Erweiterung der Wohnung betraf (Abgrenzung zum Urteil in BFH/NV 1996, 123).
Überdies stellt der Abschluss eines Mietvertrages unter Angehörigen nach dem Senatsurteil vom IX R 12/01 nicht schon deshalb einen Gestaltungsmissbrauch i.S. von § 42 AO 1977 dar, weil der Mieter das Grundstück —wie hier— zuvor gegen wiederkehrende Leistungen auf den Vermieter übertragen hat. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf diese Entscheidung. Die Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 sind aber erfüllt, wenn ein im Zusammenhang mit einer Grundstücksübertragung eingeräumtes, unentgeltliches Wohnungsrecht gegen Vereinbarung einer dauernden Last aufgehoben und gleichzeitig ein Mietverhältnis mit einem Mietzins in Höhe der dauernden Last vereinbart wird (vgl. dazu im Einzelnen das , zur amtlichen Veröffentlichung vorgesehen).
Ein derartiger Fall liegt hier aber nicht vor; denn die Parteien des Übertragungsvertrages (der Kläger und sein Vater) vereinbarten die dauernde Last als Gegenleistung für die Grundstücksübertragung.
2. Nach diesen Grundsätzen ist die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat von seinem Standpunkt aus folgerichtig nicht geprüft, ob der Mietvertrag dem Fremdvergleich genügt (vgl. dazu das , BFH/NV 2003, 465). Das wird es in einer neuen Verhandlung und Entscheidung nachholen müssen.
Das FG muss ferner prüfen, ob es sich bei den Leistungen der Eltern um Anschaffungskosten des Grundstücks handelt. Dann sind sie nicht als dauernde Last gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1a des Einkommensteuergesetzes (EStG) abziehbar. Nach dem Beschluss des Großen Senats des (BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95) sind Versorgungsleistungen von der Art, wie sie im Streitfall vorliegen, dann nicht als dauernde Last abziehbar, wenn sie nicht aus den erzielbaren laufenden Nettoerträgen des übergebenen Vermögens gezahlt werden können. So kann es sich im Streitfall verhalten, weil bereits der durch die vereinbarte Miete bedingte Bruttoertrag (620 DM pro Monat) nicht ausreicht, daraus die vereinbarten Leistungen zu begleichen (950 DM pro Monat). Allerdings ist auch die vom Kläger ersparte Nettomiete in die Berechnung einzubeziehen; denn der Kläger nutzt das Obergeschoss des Hauses. Der Senat verweist zur Berechnung im Einzelnen auf den Beschluss des Großen Senats in BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95, unter C. II. 6.).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 939
BFH/NV 2004 S. 939 Nr. 7
VAAAB-20769