BFH Beschluss v. - VII B 109/03

Einreihung von sog. „Reispapier”

Gesetze: KN Pos. 1901, Pos. 1905

Instanzenzug:

Gründe

I. Streitig ist die tarifliche Einreihung einer Ware, die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) in den Jahren 1998 und 1999 aus Vietnam eingeführt worden ist. Es handelte sich um Blätter, die durch Trocknung einer aus gemahlenem Reis (96 %), Mehl (2 %), Maniokstärke (2 %) sowie Salz und Wasser bestehenden Mischung hergestellt wurden. Diese Bestandteile wurden im Herstellungsprozess zu einer gleichmäßig vermischten Masse verarbeitet, die portionsweise auf Bambusmatten getrocknet wurde, wodurch die später von der Klägerin eingeführten durchscheinenden kreisrunden Blätter entstanden, deren gitterartige Struktur derjenigen der Matten entsprach, auf denen die Blätter getrocknet worden waren.

Bei der Abfertigung zum freien Verkehr ließ die Klägerin die Ware durch ihren Vertreter als „andere Teigwaren aus Reis zur Herstellung von Backwaren„ oder als „andere Lebensmittelzubereitungen, 50-75 % Stärke, andere Teigwaren aus Reis„, jedoch in allen Fällen unter der Unterpos. 1901 90 99 der Kombinierten Nomenklatur (KN) anmelden. Die Zollstellen nahmen diese Zollanmeldungen ohne Prüfung der Warenbeschaffenheit an. Aufgrund einer späteren Prüfung bei der Klägerin wurde die Ansicht vertreten, dass die Ware in die Unterpos. 1905 90 20 KN einzureihen sei. Wegen des aus der abweichenden Einreihung folgenden höheren Zollsatzes erhob der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt —HZA—) mit mehreren Steueränderungsbescheiden Zoll nach. Die hiergegen nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab.

Das FG urteilte, dass von der Pos. 1901 KN nur Lebensmittelzubereitungen aus Mehl, Grieß, Stärke oder Malzextrakt erfasst würden, die anderweit weder genannt noch inbegriffen seien, dass es sich aber bei der streitbefangenen Ware um getrocknete Teigblätter aus Mehl, jedenfalls um eine diesen ähnliche Ware, der Pos. 1905 KN handele. Auf Einzelheiten des Herstellungsverfahrens oder auf die spätere Verwendung der Ware komme es zolltariflich nicht an. Aufgrund der Eindeutigkeit der Einreihung bestehe kein Anlass, die Einreihungsfrage dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) zur Vorabentscheidung vorzulegen. Die abweichenden verbindlichen Zolltarifauskünfte (vZTA) aus Großbritannien beträfen ersichtlich andere als die streitbefangenen Waren. Die vZTA aus den Niederlanden seien, sollten sie sich auf den Waren des Streitfalls vergleichbare Waren beziehen, nicht nachvollziehbar.

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, die sie auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—) stützt. Die grundsätzliche Bedeutung ergebe sich aus Zweifeln an der Auslegung des anzuwendenden Gemeinschaftsrechts, die zwar nicht für das FG, aber für den Bundesfinanzhof (BFH) eine Pflicht zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH begründeten. Die Rechtsgehalte der Unterpos. 1901 90 99 einerseits und der Unterpos. 1905 90 20 andererseits sowie die Tragweite der Verordnung (EG) Nr. 1196/97 (VO Nr. 1196/97) der Kommission vom zur Einreihung von bestimmten Waren in die Kombinierte Nomenklatur (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften —ABlEG— Nr. L 170/13) seien vom EuGH noch nicht geklärt. Auch zeigten die dem FG vorgelegten vZTA aus anderen Mitgliedstaaten, dass keine einheitliche Verwaltungspraxis bestehe. Der Ansicht des FG, dass die vZTA aus Großbritannien andere Waren beträfen und diejenigen aus den Niederlanden nicht nachvollziehbar seien, könne nicht gefolgt werden. Die Auslegung der Tarifpositionen sei daher entgegen der Ansicht des FG zweifelhaft. Waren der Unterpos. 1905 90 20 müssten im Wesentlichen aus Mehl und Stärke bestehen, während die streitgegenständliche Ware zu 96 % aus Reis bestehe. Reis könne nicht einfach mit Mehl oder Stärke gleichgesetzt werden. Auch sei nicht geklärt, wann eine „ähnliche Ware„ i.S. der Pos. 1905 bzw. der Unterpos. 1905 90 20 vorliege.

II. Die Beschwerde ist —bei Zweifeln an ihrer Zulässigkeit— jedenfalls unbegründet, weil der Rechtssache die von der Klägerin behauptete grundsätzliche Bedeutung nicht zukommt.

Einer Rechtsfrage ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH grundsätzliche Bedeutung beizumessen, wenn ihre Beantwortung in dem angestrebten Revisionsverfahren aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei muss es sich um eine Frage handeln, die klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig ist (vgl. , BFHE 198, 316, BStBl II 2002, 581, m.w.N.). Das Vorliegen dieser Zulassungsvoraussetzungen muss der Beschwerdeführer innerhalb der Begründungsfrist schlüssig und substantiiert darlegen (§ 116 Abs. 3 Satz 1 und 3 FGO). Dazu ist es erforderlich, dass der Beschwerdeführer eine konkrete Rechtsfrage formuliert und substantiiert auf ihre Klärungsbedürftigkeit, ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung sowie darauf eingeht, weshalb von der Beantwortung der Rechtsfrage die Entscheidung über die Rechtssache abhängt (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom II B 5/95, BFH/NV 1996, 141, m.w.N.; vom V B 23/00, BFH/NV 2000, 1148; Senatsbeschluss vom VII B 178/02, BFH/NV 2003, 214).

Mit dem Beschwerdevorbringen wird keine konkrete Rechtsfrage formuliert. Die Beschwerde macht lediglich geltend, dass die streitige Ware sowohl von Seiten des HZA als auch des FG unzutreffend eingereiht worden sei und dass die Auslegung der im Streitfall maßgebenden gemeinschaftsrechtlichen Positionen der KN zweifelhaft sei und deshalb in dem angestrebten Revisionsverfahren die Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH erfordere.

Um die grundsätzliche Bedeutung der streitigen Tarifierungsfrage darzulegen, hätte die Beschwerde unter Heranziehung der zu dieser Frage ggf. vorhandenen Literatur und Rechtsprechung der europäischen und der nationalen Gerichte sowie der einschlägigen Zolltarifmaterialien (Avise, Erläuterungen u.a.), ggf. auch unter Vorlage abweichender vZTA aus anderen Mitgliedstaaten, Zweifel an dieser Einreihung der Ware erwecken und aufzeigen müssen, aus welchen Gründen ihrer abweichenden Tarifauffassung möglicherweise der Vorzug vor der Tarifauffassung des HZA bzw. des FG zu geben ist (vgl. Senatsbeschluss vom VII B 142/01, BFH/NV 2002, 1183). Ob die Beschwerde dieser Darlegungspflicht in ausreichendem Maße nachgekommen ist, erscheint zweifelhaft, kann aber offen bleiben, da —wie der Senat bereits in einem eine ähnliche Ware betreffenden Fall entschieden hat (Senatsbeschluss in BFH/NV 2002, 1183)— die hier maßgebliche Tarifierungsfrage nicht klärungsbedürftig ist, weil sie sich nur so beantworten lässt, wie es das FG in dem angefochtenen Urteil getan hat. Die Beschwerde hat nicht aufgezeigt, dass Zweifel an der Auslegung der maßgebenden Positionen der KN bestehen.

Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, dass sowohl in der Überschrift zur Pos. 1905 KN —für 1998 i.d.F. der Verordnung (EG) Nr. 2086/97 der Kommission vom (ABlEG Nr. L 312/1) und für 1999 i.d.F. der Verordnung (EG) Nr. 2261/98 der Kommission vom (ABlEG Nr. L 292/1)— als auch in der Unterpos. 1905 90 20 KN „getrocknete Teigblätter aus Mehl oder Stärke und ähnliche Waren„ ausdrücklich genannt sind und daher, falls die Ware hier einzuordnen ist, ein Rückgriff auf die Auffangposition 1901 als „Lebensmittelzubereitung aus Mehl, Grieß, Stärke oder Malzextrakt,…anderweit weder genannt noch inbegriffen„ schon nach dem Wortlaut dieser Position ausscheidet.

Ebenso zutreffend ist das FG davon ausgegangen, dass das entscheidende Kriterium der zolltariflichen Einreihung grundsätzlich in den objektiven Merkmalen und Eigenschaften einer Ware zu suchen ist, wie sie im Wortlaut der Positionen der KN und ggf. auch in den Vorschriften zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind (vgl. etwa , EuGHE 2000, I-1975, Rz. 14).

Dem Beschwerdevorbringen lässt sich demgegenüber nicht entnehmen, in welcher Hinsicht der Streitfall Zweifel an der vom FG vorgenommenen Auslegung nach dem Wortlaut der in Betracht kommenden Positionen der KN oder der maßgebenden Tarifierungsgrundsätze weckt. Der Hinweis, dass die Rechtsgehalte der Unterpos. 1901 90 99 und 1905 90 20 vom EuGH noch nicht geklärt seien, reicht insoweit nicht aus. Die Beschwerde macht im Grunde lediglich geltend, dass das FG die streitgegenständliche Ware zu Unrecht in die Unterpos. 1905 90 20 KN eingereiht habe und rügt damit die materielle Unrichtigkeit des angefochtenen Urteils, was jedoch keinen Zulassungsgrund gemäß § 115 Abs. 2 FGO darstellt.

Darüber hinaus ist aber auch davon auszugehen, dass die vom FG vorgenommene Einreihung zutreffend ist. Zur Unterpos. 1905 90 20 KN gehören „... getrocknete Teigblätter aus Mehl oder Stärke und ähnliche Waren„. Nach den Feststellungen des FG erfüllt die streitgegenständliche Ware diese Voraussetzungen. Der Einwand der Beschwerde, dass bei der Einreihung in die Unterpos. 1905 90 20 KN die Kriterien „Mehl und Stärke„ maßgebend seien, die streitgegenständliche Ware jedoch zu 96 % aus Reis bestehe, der aber nicht mit Mehl oder Stärke gleichgesetzt werden dürfe, greift nicht durch. Unter Mehl i.S. des Kap. 19 KN ist Getreidemehl des Kap. 11 KN, also auch Reismehl, zu verstehen (vgl. Anm. 2 a zum Kap. 19 KN; Erläuterung zum Harmonisierten System zu Pos. 1905 Rz. 02.0). Da das FG festgestellt hat, dass der zur Herstellung der streitgegenständlichen Ware verwendete Reis zuvor gemahlen worden ist, ist es nicht zu beanstanden, dass es die Ware als Teigblätter aus Mehl oder jedenfalls als eine ähnliche Ware angesehen hat.

Der Senat hält weiterhin an seiner bereits geäußerten Rechtsauffassung fest (Senatsbeschluss in BFH/NV 2002, 1183), dass die VO Nr. 1196/97 keine Sperrwirkung in dem Sinne entfaltet, dass sie für Waren, die von der dort beschriebenen Beschaffenheit abweichen, die Einreihung in die Unterpos. 1905 90 20 KN ausschließt. Vielmehr kann die VO Nr. 1196/97 in Anbetracht der großen Übereinstimmung der durch sie eingereihten Ware mit der streitgegenständlichen Ware als Bestätigung der Tarifauffassung von HZA und FG gewertet werden.

Schließlich vermögen auch die von der Klägerin im Verfahren vor dem FG vorgelegten vZTA aus anderen Mitgliedstaaten keine Zweifel an der Auslegung des anzuwendenden gemeinschaftlichen Zolltarifrechts zu begründen. Die vZTA aus Großbritannien betreffen —wie das FG zutreffend ausgeführt hat— offensichtlich andere Waren. Die beiden vZTA aus den Niederlanden, die nach dem Beschwerdevorbringen Waren der streitgegenständlichen Art betreffen, finden sich —möglicherweise wegen des Ablaufs ihrer sechsjährigen Gültigkeit gemäß Art. 12 Abs. 4 Satz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABlEG Nr. L 302/1)— nicht mehr in der vZTA-Datenbank der Europäischen Kommission. Hingegen finden sich dort drei vZTA aus den Niederlanden, gültig ab 20. Februar, 23. Februar bzw. , mit denen der streitgegenständlichen Ware ähnliche Waren, nämlich aus Reismehl, Wasser und Salz hergestellte getrocknete Teigblätter, in die Unterpos. 1905 90 20 KN eingereiht werden (vZTA-Nr. NL199801305660107-0, NL199802235650013-0, NL199807065660711-0).

Die nach dem Vorbringen der Klägerin abweichende Tarifauffassung in den Niederlanden ist somit überholt. Zudem zeigt der vom Senat mit Beschluss in BFH/NV 2002, 1183 entschiedene Fall, dass eine Reihe von vZTA aus anderen Mitgliedstaaten die Einreihung von sog. „ricepaper„ in die Unterpos. 1905 90 20 KN bestätigen.

Der Senat wäre daher in einem künftigen Revisionsverfahren nicht gemäß Art. 234 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft verpflichtet, die hier streitige Tarifierungsfrage dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 990
BFH/NV 2004 S. 990 Nr. 7
TAAAB-20521