Ermäßigter Steuersatz für Umsätze aus Pferdepension
Leitsatz
Das Einstellen und Betreuen von Reitpferden, die von ihren Eigentümern zur Ausübung von Freizeitsport genutzt werden, fällt nicht unter den Begriff „Halten von Vieh„ i.S. des § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG 1993 und ist deshalb nicht mit dem ermäßigten, sondern mit dem allgemeinen Steuersatz zu versteuern.
Gesetze: UStG 1993 § 12 Abs. 2 Nr. 3Richtlinie 77/388/EWG Art. 12 Abs. 3 Buchst. a i.V.m. Anhang H Kategorie 10
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf), ,
Gründe
I.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betrieb im Streitjahr 1997 eine Pensionspferdehaltung.
Nach den ab dem gültigen Geschäftsbedingungen bot der Kläger zum Preis von 540 DM die Unterstellung von Pferden in einer „Box ohne Pflege„ an. Enthalten waren die Unterstellung nebst Ausmisten und Einstreuen, Fütterung und Betreuung einschließlich der Benutzung der Reithalle, des Dressurvierecks, des Springplatzes und der Hindernisse. Zu einem monatlichen Pensionspreis von 640 DM bot er eine „Box mit Pflege„ an; dieses Angebot umfasste zusätzlich das Striegeln und Putzen der Pferde.
Die mit den Eigentümern der Pferde mündlich abgeschlossenen Verträge hatten regelmäßig die Vergabe einer „Box ohne Pflege„ zum Gegenstand. Im Rahmen der Betreuung der Tiere kontrollierte der Kläger regelmäßig ihren körperlichen Zustand, rief im Bedarfsfall den Tierarzt und trieb ein Tier, das zu lange in der Box gestanden hatte, auf die Weide. Das Striegeln und Putzen sowie das regelmäßige Bewegen übernahmen die Eigentümer. Täglich wurden etwa vier bis fünf Pferde, d.h. ca. 20 bis 25 v.H. des Bestandes, durch Auszubildende kostenlos bewegt. Auch die Teilnahme am Reitunterricht war kostenlos. Wünschten die Eigentümer den Beritt durch den Kläger, waren 20 DM zu entrichten.
Der Kläger unterwarf sämtliche Umsätze aus der Pensionspferdehaltung dem ermäßigten Steuersatz für „die Aufzucht und das Halten von Vieh„ (§ 12 Abs. 2 Nr. 3 des Umsatzsteuergesetzes 1993 —UStG—).
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) erließ nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung für das Streitjahr 1997 einen gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Umsatzsteuerbescheid, in dem die Umsätze aus der Pferdepension dem allgemeinen Steuersatz unterworfen wurden. Das FA nahm kein „Halten von Vieh„ an, weil der Kläger die Tiere weder gereinigt noch bewegt habe.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob der Kläger Klage. Mit Änderungsbescheid vom setzte das FA die Umsatzsteuer für das Streitjahr 1997 unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung fest, wobei es seine Rechtsauffassung bezüglich der Besteuerung der Pensionspferdehaltung beibehielt. Auf Antrag des Klägers wurde der Änderungsbescheid gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens vor dem Finanzgericht (FG).
Das FG wies die Klage als unbegründet ab, weil die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG nicht erfüllt seien. Es führte u.a. aus, eine begünstigte Pensionsviehhaltung in Form der Unterbringung und Betreuung von Reitpferden sei gegeben, wenn eine einheitliche Leistung, bestehend aus der Vermietung von Stellplätzen bei gleichzeitiger Übernahme der Fütterung und Pflege erbracht werde. Im Streitfall fehle es jedoch an ausreichenden Pflegeleistungen.
Eine ständige Verpflichtung des Klägers aus den Einstellungsverträgen, sämtliche zur artgerechten Haltung der Tiere erforderlichen Pflegeleistungen —bei Reitpferden auch Reinigen und Bewegen— zu erbringen, habe nicht bestanden.
Darüber hinaus könne der Kläger eine Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auch deshalb nicht begehren, weil Gegenstand des Leistungsangebots auch die Nutzung seiner Reitsportanlagen gewesen sei. Es liege eine einheitliche, den Rahmen des § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG überschreitende Leistung vor, die dem Regelsteuersatz zu unterwerfen sei.
Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung des § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG. Er vertritt die Auffassung, die von ihm erbrachten Pflegeleistungen genügten den Anforderungen an den Begriff der Viehhaltung im Sinne dieser Vorschrift. Ferner macht er Verletzung der Sachaufklärungspflicht geltend, weil das FG seinen Vortrag zum Umfang der Pflegeleistungen teilweise nicht berücksichtigt habe.
Der Kläger beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Umsatzsteuer für das Streitjahr um 7 270,47 € herabzusetzen; hilfsweise, den Rechtsstreit unter Aufhebung der Vorentscheidung zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist unbegründet. Auf die Leistungen des Klägers auf der Grundlage der Einstellungsverträge ist der allgemeine Steuersatz nach § 12 Abs. 1 UStG anzuwenden.
1. Für die streitigen Umsätze des Klägers gilt nicht der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG.
a) Nach dieser Vorschrift ermäßigt sich die Steuer u.a. für die Aufzucht und das Halten von Vieh.
Zwar schließt es der Wortlaut des § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG nicht aus, unter „Viehhaltung„ auch die Einstellung von Reitpferden, die nicht für Zwecke der Landwirtschaft, sondern im Rahmen von Sport und Freizeit genutzt werden, zu verstehen.
Der Zweck der Vorschrift ist ebenfalls nicht eindeutig. Die Vorschrift soll vergleichbare Wettbewerbsbedingungen für die unter § 24 UStG fallenden Tierzüchter und Tierhalter und sonstige Tierzüchter und Tierhalter sicherstellen (vgl. z.B. Schlienkamp in Plückebaum/Malitzky, Umsatzsteuergesetz, § 12 Abs. 2 Nr. 3 Rz. 540 ff.). Allerdings nennt § 24 Abs. 2 Nr. 2 UStG nicht „die Aufzucht und das Halten von Vieh„, sondern die „Tierzucht- und Tierhaltungsbetriebe„. Es ist deshalb offen, ob „Tier„ und „Vieh„ in beiden Vorschriften dieselbe Bedeutung haben. Unklar ist auch, ob im Rahmen des § 24 UStG dieselben Anforderungen an die Pflege der Tiere wie im Rahmen des § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG gestellt werden müssen. Schließlich ist nach der bisherigen Rechtsprechung zweifelhaft, ob eine —von einem Landwirt betriebene— Pferdepension der vorliegenden Art unter die Vorschrift des § 24 UStG fallen würde (vgl. Bundesfinanzhof —BFH—, Urteil vom V R 22/78, BFHE 151, 204, BStBl II 1988, 83).
Soweit die Finanzverwaltung einen begrifflichen Zusammenhang zwischen dem „Halten„ und „Pflegen„ von Vieh herstellen möchte (vgl. z.B. S-7233-9-StH 443, S 7233-6-StO 354-, Steuer-Eildienst —StEd— 2003, 452, Umsatzsteuer-Rundschau —UR— 2004, 44), sieht der Senat darin keine weiter führende Auslegungshilfe.
b) Dass die Vorschrift im Streitfall nicht anzuwenden ist, ergibt sich jedoch aus den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts.
Mit der Vorschrift des § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG hat der Gesetzgeber von der durch Art. 12 Abs. 3 Buchst. a der Sechsten Richtlinie des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften —ABlEG— Nr. L 145, 1, im Folgenden: Richtlinie 77/388/EWG) eingeräumten Möglichkeit, für bestimmte Umsätze einen ermäßigten Steuersatz anzuwenden, Gebrauch gemacht.
Art. 12 Abs. 3 Buchst. a, 3. Absatz der Richtlinie 77/388/EWG bestimmt:
„...
Die Mitgliedstaaten können außerdem einen oder zwei ermäßigte Sätze anwenden. Diese Sätze werden als ein Prozentsatz der Besteuerungsgrundlage festgelegt, der nicht niedriger als 5 % sein darf, und sind nur auf Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen der in Anhang H genannten Kategorien anwendbar.„
Kategorie 10 des Anhangs H erfasst die Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die in der Regel für den Einsatz in der landwirtschaftlichen Erzeugung bestimmt sind, mit Ausnahme von Investitionsgütern wie Maschinen und Gebäuden.
Eine Dienstleistung, die in der Regel für den Einsatz in der landwirtschaftlichen Erzeugung bestimmt ist, könnte beispielsweise vorliegen, wenn Zuchtpferde eines Gestüts oder land- oder forstwirtschaftliche Arbeitspferde untergestellt werden. Das Unterstellen von Reitpferden, die von ihren Eigentümern zur Ausübung von Freizeitsport genutzt werden, ist jedoch —ebenso wie die damit verbundene Gestattung, die Reitanlagen zu nutzen— keine Dienstleistung, die in der Regel für den Einsatz in der landwirtschaftlichen Erzeugung bestimmt ist. Nach ständiger Rechtsprechung sind die Bestimmungen, die Ausnahmen von einem allgemeinen Grundsatz darstellen, eng auszulegen (vgl. Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften —EuGH— vom Rs. C-83/99, Kommission/Spanien, Slg. 2001, I-445, Rdnr. 19). Der Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung von Vorschriften, die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts umsetzen (vgl. , Marks & Spencer, Slg. 2002, I-6325, UR 2002, 436; vom Rs. C-106/89, Marleasing, Slg. 1990, I-4135, Rdnr. 8; vom Rs. C-334/92, Wagner Miret, Slg. 1993, I-6911, Rdnr. 20), gebietet daher eine Auslegung, die die in Streit stehenden Leistungen vom Anwendungsbereich des § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG ausnimmt.
Dem steht auch nicht entgegen, dass in Anhang A „Liste der Tätigkeiten der landwirtschaftlichen Erzeugung„ unter II. 1. „Viehzucht und -haltung„ und in Anhang B „Liste der landwirtschaftlichen Dienstleistungen„ unter Spiegelstrich 4 „Hüten, Zucht und Mästen von Vieh„ genannt sind. Denn unter den Begriff der „Viehzucht und -haltung„ fällt lediglich Tierzucht und Tierhaltung in Verbindung mit der Bodenbewirtschaftung (Anhang A II.). Auch „Hüten von Vieh„ stellt nur dann eine landwirtschaftliche Dienstleistung dar, wenn es „normalerweise zur landwirtschaftlichen Produktion„ beiträgt (Einleitungssatz zu Anhang B). Hieran fehlt es im Streitfall.
2. Die vom Kläger erhobenen Rügen mangelnder Sachaufklärung haben schon deshalb keinen Erfolg, weil es auf den Umfang der Pflegeleistungen nicht ankommt.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
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Fundstelle(n):
BStBl 2004 II Seite 757
BB 2004 S. 928 Nr. 17
BFH/NV 2004 S. 749 Nr. 5
BStBl I 2004 S. 851 Nr. 17
BStBl II 2004 S. 757 Nr. 16
DB 2004 S. 1080 Nr. 20
DB 2004 S. 1861 Nr. 35
DStR 2004 S. 1527 Nr. 36
DStRE 2004 S. 723 Nr. 12
INF 2004 S. 368 Nr. 10
StB 2004 S. 204 Nr. 6
UR 2004 S. 248 Nr. 5
FAAAB-20261