BFH Beschluss v. - VII B 157/03

Erstattung überzahlter ESt an Eheleute bei Leistung von Vorauszahlungen durch einen Ehegatten

Gesetze: AO § 37 Abs. 2, § 44; EStG §§ 36, 37

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger), zusammen veranlagte Eheleute, haben unter Berücksichtigung der von dem Einkommen des Ehemannes aus nichtselbständiger Arbeit einbehaltenen und abgeführten Lohnsteuer sowie entrichteter Vorauszahlungen nach dem gegen sie für 1999 ergangenen Einkommensteuerbescheid Anspruch auf Erstattung von Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag. Den vom Lohn des Klägers einbehaltenen Betrag hat der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) in dem streitgegenständlichen Abrechnungsbescheid dem Kläger als Guthaben zugerechnet. Im Übrigen hat das FA jedoch den überzahlten Betrag beiden Eheleuten je zur Hälfte gutgeschrieben, obwohl die Vorauszahlungen aufgrund einer Einzugsermächtigung der Klägerin von deren Geschäftskonto geleistet worden waren. Hiergegen richtet sich die Klage, die das Finanzgericht (FG) im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen hat, wegen der im Streitfall bestehenden intakten Ehe sei unbeschadet der Zahlungsweise davon auszugehen, dass die Vorauszahlungen für Rechnung beider Ehegatten bewirkt worden sind; dementsprechend stehe beiden der Erstattungsanspruch je zur Hälfte zu. Die §§ 268 ff. der Abgabenordnung (AO 1977) könnten nicht entsprechend angewandt werden.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die Beschwerde der Kläger, mit der geltend gemacht wird, das Urteil des FG weiche von dem Urteil des beschließenden Senats vom VII R 89/95 (BFHE 180, 1, BStBl II 1996, 436) ab. Ferner habe die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Hinblick auf folgende Fragen:

"1. Kann für die Frage der Erstattungsberechtigung von Steuererstattungsansprüchen von Ehegatten das Tatbestandsmerkmal in § 37 Abs. 2 AO 'auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist' dahin gehend ausgelegt werden, dass bei einer bestehenden Ehe die Zahlung von Einkommensteuer durch einen Ehegatten für Rechnung beider Ehegatten bewirkt worden ist, oder ist davon auszugehen, dass der die Einkommensteuer zahlende Ehegatte nur seine eigene Steuerschuld tilgen will?

2. Ist eine Aufteilung des Steuererstattungsanspruches von Ehegatten analog §§ 268 ff. AO nach dem Verhältnis der Beträge möglich, die sich bei einer fiktiven getrennten Veranlagung ergeben?„

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil weder der Zulassungsgrund des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) noch der des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO vorliegt.

1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die von der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen sind in der Rechtsprechung des beschließenden Senats bereits geklärt, ohne dass in der Beschwerdebegründung neue, von dieser Rechtsprechung noch nicht berücksichtigte Gesichtspunkte bezeichnet worden wären, die eine erneute höchstrichterliche Beantwortung der angeblichen Grundsatzfragen erforderten.

Nach der vom Senat zuletzt in seinem Beschluss vom VII B 382/02 (BFH/NV 2004, 314) bestätigten ständigen Rechtsprechung (s. die Nachweise dort) ist im Allgemeinen anzunehmen, dass die Leistungen eines Ehegatten an das FA auch die Steuerschuld des anderen, mit ihm zusammen veranlagten Ehepartners begleichen sollen, sofern dieser Annahme nicht ausdrückliche Absichtsbekundungen entgegenstehen. Dabei spielt es keine Rolle, ob der andere Ehegatte in seiner Person Tatbestände verwirklicht hat, die zum Entstehen der die Eheleute als Gesamtschuldner treffenden Steuerschuld (§ 44 Abs. 1 Satz 1 AO 1977) geführt haben oder welcher Ehegatte verpflichtet war, Einkommensteuervorauszahlungen (§ 37 Abs. 1 des EinkommensteuergesetzesEStG—) zu leisten. Denn die Annahme, die Tilgungsabsicht beziehe sich auf die Steuerschuld beider Eheleute, beruht auf der bei nicht getrennt lebenden Ehegatten im Allgemeinen bestehenden engen Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft, die erwarten lässt, dass ein Ehegatte mit den von ihm auf eine Gesamtschuld der Eheleute geleisteten Zahlungen ungeachtet des rechtlichen und tatsächlichen Grundes des Entstehens der Zahlungsverpflichtung nicht nur seine eigene Schuld tilgen will.

Es ist deshalb nicht nachvollziehbar, inwiefern für die Ermittlung der Tilgungsabsicht der Güterstand, in dem die gemeinsam veranlagten Eheleute leben, von Bedeutung sein soll, wie die Beschwerde meint. Deshalb hatte der Senat in dem Urteil vom VII R 117/95 (BFH/NV 1997, 482), das die Beschwerde selbst in diesem Zusammenhang anführt und in dem die von ihr in diesem Zusammenhang aufgeworfene Frage übrigens bereits beantwortet ist, keinen Anlass, auf die Bedeutung des Güterstandes für die Anwendung des § 37 Abs. 2 AO 1977 näher als dort geschehen einzugehen.

Das (Entscheidungen der Finanzgerichte 1998, 1499), das nach Ansicht der Beschwerde eine erneute Befassung des beschließenden Senats mit den von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen in einem Revisionsverfahren erfordern soll, ist nicht geeignet, den Senat von seiner Rechtsansicht abzubringen, wie bereits in dem Beschluss vom VII B 163/00 (BFH/NV 2001, 917) ausgeführt worden ist. Denn wenn die Beschwerde mit dem FG meint, ein Erstattungsanspruch sei aufgrund einer wirtschaftlichen Betrachtung durch Gegenüberstellung der Steuerschulden bei einer Einzelveranlagung der Ehegatten aufzuteilen, übersieht sie, dass der beschließende Senat die Aufteilung eines Erstattungsanspruchs nicht in erster Linie nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten, sondern nach § 37 Abs. 2 AO 1977 vorzunehmen hat.

2. Das angefochtene Urteil weicht nicht von dem in der Beschwerdebegründung angeführten Urteil des beschließenden Senats in BFHE 180, 1, BStBl II 1996, 436 ab. Denn in diesem Urteil geht es im Kern um die Frage, unter welchen Voraussetzungen Leistungen des FA auf die Schuld eines Ehegatten gegenüber einem Dritten einen dem anderen Ehegatten zustehenden Steuererstattungsanspruch tilgen, insbesondere, ob im Falle eines gegenüber jenem Ehegatten ergangenen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses sich das FA als Drittschuldner auf § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG berufen kann oder ob die in der Rechtsprechung für Anweisungsfälle entwickelten Rechtsgrundsätze auf diesen Fall zu übertragen sind. Jenes Urteil des beschließenden Senats setzt also, was die Beschwerde übersieht, voraus, dass der Erstattungsanspruch einem der beiden Ehegatten (dort: zum überwiegenden Teil) zusteht und nicht beiden je zur Hälfte. Das beruht darauf, dass es um die Erstattung von Lohnsteuer ging. Die von dem Lohn des Klägers einbehaltene Steuer hat jedoch auch im Streitfall das FA allein dem Kläger zugerechnet. Streitig ist zwischen den Beteiligten allein, wer einen Anspruch auf Erstattung der geleisteten Vorauszahlungen hat, soweit diese nicht zur Tilgung der gegen die Eheleute festgesetzten Einkommensteuer benötigt werden. Dazu enthält das vorgenannte Urteil überhaupt nichts, so dass es schwerlich in Widerspruch zu dem angefochtenen Urteil des FG stehen kann und die Revision folglich —ungeachtet aller sonstigen Mängel des diesbezüglichen Beschwerdevorbringens, auf die das FA mit Recht hingewiesen hat— auch nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen werden kann.

Fundstelle(n):
QAAAB-20039