Abgrenzung von Beteiligtenwechsel und Rubrumsänderung; irrtümliche Bezeichnung eines unzuständigen FA
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erhob gegen die im Anschluss an eine Steuerfahndungsprüfung geänderten Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1989 bis 1993 nach erfolglosem Einspruch Klage. Die Klageschrift vom , in der zugleich die Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuerbescheide beantragt wurde, war gerichtet gegen das Finanzamt (FA) G. Die Einkommensteuerbescheide und die Einspruchsentscheidung waren von dem für die Veranlagung des Klägers zuständigen FA S, dem Beklagten und Revisionsbeklagten, erlassen worden. Die Klageschrift enthält die zutreffende Rechtsbehelfslistennummer und die richtige Steuernummer. Der Klageschrift war die Entscheidung des FA S beigefügt, mit der es die Aussetzung der Vollziehung abgelehnt hatte. Nach Ablauf der Klagefrist teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers auf Anfrage des Finanzgerichts (FG) mit, dass sich die Klage gegen das FA S richte. Die Klageschrift habe versehentlich das FA G ausgewiesen, weil die Steuerfahndungsstelle des FA G mit der Bearbeitung des Falles befasst gewesen sei.
Das FG wies die Klage als unzulässig ab. Nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut richte sich die Klage gegen eine Einspruchsentscheidung des FA G. Daher liege ein im Wege der Auslegung zu berichtigendes Kanzleiversehen des Bevollmächtigten nicht vor. Zwar könnten Unklarheiten in der Bezeichnung der Beteiligten im weiteren Verlauf des Verfahrens berichtigt werden. Solche Unklarheiten lägen im Streitfall aber nicht vor, denn in der Klageschrift sei unmissverständlich das FA G als Verfasser der angegriffenen Bescheide und als Beklagter benannt. Ein Beklagtenwechsel könne aber zulässigerweise nur innerhalb der Klagefrist erklärt werden. Die Frist für die Erhebung der Klage sei am abgelaufen, so dass das am eingegangene Schreiben des Bevollmächtigten nicht mehr rechtzeitig gewesen sei. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand seien weder vorgetragen noch ersichtlich. Davon abgesehen stehe einer Wiedereinsetzung auch der Ablauf der Jahresfrist entgegen. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 36 veröffentlicht.
Seine Revision stützt der Kläger auf Verfahrensfehler (§§ 56, 65, 67, 74 und 76 Abs. 1, 96 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
Der Kläger beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Das FA S beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).
1. Das FG ist zu Unrecht von einem Beteiligtenwechsel i.S. des § 67 FGO ausgegangen. Es liegt vielmehr lediglich eine Rubrumsberichtigung vor, die jederzeit auch nach Ablauf der Klagefrist möglich ist.
Nach § 65 Abs. 1 FGO muss die Klageschrift u.a. den Beklagten bezeichnen. Wird der in der Klageschrift benannte Beklagte nach Einreichung der Klage ausgewechselt, liegt eine (subjektive) Klageänderung i.S. des § 67 FGO vor, die, auch wenn die Voraussetzungen des § 67 Abs. 1 FGO vorliegen, nur statthaft ist, wenn sowohl das ursprüngliche als auch das geänderte Klagebegehren alle Sachentscheidungsvoraussetzungen erfüllt. Daraus folgt, dass bei fristgebundenen Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen eine subjektive Klageänderung nur innerhalb der Klagefrist zulässig ist (z.B. Bundesfinanzhof —BFH—, Urteile vom VII R 60/78, BFHE 130, 12, BStBl II 1980, 331, und vom VIII R 118/85, BFH/NV 1991, 429).
Unklarheiten in der Bezeichnung der Beteiligten können dagegen im weiteren Verlauf des Verfahrens jederzeit berichtigt werden. Dem entspricht § 65 Abs. 2 FGO, nach dem der Vorsitzende den Kläger zu einer erforderlichen Ergänzung der Klageschrift aufzufordern hat. Bestehen Zweifel, wer Beklagter sein soll, ist die Klageschrift auszulegen. Die Klageschrift ist eine Prozesshandlung, für die die Auslegungsregeln der §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gelten (, BFHE 196, 16, BStBl II 2001, 767). Es ist der wirkliche Wille zu erforschen, und nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. Eine Änderung des Rubrums einer Klageschrift ist möglich, sofern für Gericht und Gegner von Anfang an klar erkennbar ist, wer durch die (unrichtige) Parteibezeichnung als Partei angesprochen werden sollte (BFH-Beschluss in BFHE 196, 16, BStBl II 2001, 767, m.w.N.; Bundesgerichtshof —BGH—, Urteil vom VII ZR 208/79, Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 1981, 1453; , NJW 2002, 459).
Im Streitfall hat der Kläger zwar irrtümlich das FA G als Beklagten bezeichnet, andererseits aber seine Steuernummer angegeben, die auf das zuständige FA S als erlassende Behörde verweist. Da auch die Wohnanschrift des Klägers aufgeführt ist, sich die Klage gegen Einkommensteuerbescheide richtet und hierfür das FA S zuständig ist, ist die Klageschrift vieldeutig (anders als im Fall in BFHE 130, 12, BStBl II 1980, 331). Hieraus lassen sich zwei mögliche Beklagte entnehmen, zum einen das ausdrücklich benannte FA G, zum anderen das FA S, auf das über die Steuernummer in Verbindung mit dem Wohnort des Klägers und der Art der angefochtenen Steuerbescheide (Einkommensteuer) hingewiesen wird. Zudem war der Klageschrift die Entscheidung des FA S beigefügt, mit der die Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuerbescheide abgelehnt worden war.
Zwar ist denkbar, dass im Falle des Wechsels der örtlichen Zuständigkeit während des Verwaltungsverfahrens das ursprünglich zuständige FA unter den Voraussetzungen des § 26 Satz 2 der Abgabenordnung (AO 1977) das Verwaltungsverfahren bei sich fortführt. Jedoch wird auch in diesem Fall die Einspruchsentscheidung unter der bisherigen Steuernummer dieses FA ergehen, so dass in der Klageschrift bei zutreffender Kennzeichnung nicht eine evtl. bereits erteilte neue Steuernummer, sondern die ursprüngliche Steuernummer aufgeführt ist. Entgegen der Auffassung des FA S weist daher die Angabe der richtigen Steuernummer auf das darin genannte FA als erlassende Behörde hin.
Lässt sich einer Klageschrift nicht eindeutig entnehmen, gegen welches von zwei in Betracht kommenden FÄ sich die Klage richtet, so kann als Auslegungshilfe der Gesichtspunkt dienen, dass die Klage im Zweifel nicht gegen den falschen, sondern gegen den nach dem Inhalt der Klage richtigen Beklagten gerichtet sein soll (, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1983, 172; , EFG 1981, 460; , EFG 1986, 589; , EFG 1990, 255).
Hier war für das FA G durch die zutreffende Steuer- und Rechtsbehelfslistennummer ohne weiteres erkennbar, dass richtiger Beklagter das FA S war. Es hat daher die Klageschrift, sogar noch innerhalb der Klagefrist, an das zuständige FA S weitergeleitet und dies dem FG mitgeteilt. Es kann auch unterstellt werden, dass im FG gerichtsbekannt ist, dass die angegebene Steuernummer und Anschrift auf eine Zuständigkeit des FA S als erlassende Behörde hinweist, zumal dies hier durch die der Klageschrift beigefügte Entscheidung über den Aussetzungsantrag bestärkt wurde. Zudem war noch innerhalb der Klagefrist durch den Anruf des FA G beim Berichterstatter geklärt, dass sich die Klage gegen das FA S richten sollte. Auch Umstände, die sich außerhalb der Klageschrift ergeben, können jedenfalls dann zur Auslegung der Frage, wer Beteiligter sein soll, herangezogen werden, wenn es sich um Umstände handelt, die dem Gericht und dem Gegner innerhalb der Klagefrist bekannt werden.
2. Die Klage ist nicht spruchreif. Das FG hat keine Feststellungen zur Sache getroffen. Die Sache ist daher an das FG zurückzuverweisen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 792 Nr. 6
EAAAB-20030