VGA bei Tätigkeit eines Betriebs gewerblicher Art für den Hoheitsbereich der Trägerkörperschaft ohne Deckung der Vollkosten
Leitsatz
1. Lesen Bedienstete eines Betriebs gewerblicher Art (Frischwasser-)Messeinrichtungen ab und stellt der Betrieb gewerblicher Art die Ableseergebnisse (Hebedaten) der Trägerkörperschaft zu deren hoheitlichen Zwecken (Abwassergebührenerhebung) zur Verfügung, ohne hierfür ein im Geschäftsverkehr übliches Entgelt zu verlangen, so liegt darin eine vGA (Bestätigung des Senatsurteils vom I R 108-109/95, BFHE 181, 277, BStBl II 1997, 230).
2. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter wird jedenfalls dann nicht auf die (anteilige) Deckung der vollen Selbstkosten für die erbrachte Leistung verzichten, wenn er dies gegenüber dem (gedachten) Vertragspartner bei der Preisvereinbarung durchsetzen kann.
Gesetze: KStG § 8 Abs. 3 Satz 2
Instanzenzug: ,U,F (EFG 2003, 482) (Verfahrensverlauf),
Gründe
I.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), ein kommunaler Zweckverband, betrieb bis Ende 1995, die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, betreibt ab Anfang 1996 ein Verbandswasserwerk. Bis zum versorgte der Kläger seine Verbandsmitglieder —die Städte A und B— mit Frischwasser. Mit Wirkung zum wurde das Verbandswasserwerk durch Ausgliederung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten an A und B auf die Klägerin übertragen.
Die Kläger führten in den Streitjahren 1993 bis 1995 (Kläger) und 1996 (Klägerin) auch das Inkasso der Abwassergebühren für A und B durch. Hierzu wurden die von ihnen erhobenen Daten über den Frischwasserverbrauch der einzelnen Abnehmer verwendet. Gleichzeitig wurden die auf die Inkassoleistungen entfallenden Personal- und Sachkosten sowie die hälftigen Personalkosten für die Ablesung der Wasserzähler den Städten A und B in Rechnung gestellt.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) vertrat unter Hinweis auf das Senatsurteil vom I R 108-109/95 (BFHE 181, 277, BStBl II 1997, 230) die Auffassung, dass auch die auf die Wasserzähler entfallenden Abschreibungsbeträge zu den Sachkosten hätten gerechnet und den beiden Städten hälftig in Rechnung gestellt werden müssen. Das FA ermittelte die verdeckten Gewinnausschüttungen (vGA) wie folgt:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
1993 (DM) | 1994 (DM) | 1995 (DM) | 1996 (DM) | |
Abschreibungen
Wasserzähler |
367 940 |
424 051 |
434 877 |
425 714 |
Abschlag für
Kunden ohne städtischen Kanalanschluss |
./. 36 794 |
./. 42 405 |
./. 43 487 |
./. 42 871 |
verbleiben | 331
146 | 381
646 | 391
390 | 383
143 |
davon auf
Abwasser entfallend |
165 573 |
190 823 |
195 695 |
191 571 |
Die Klage gegen die hiernach ergangenen Steuerbescheide hatte Erfolg. Das , G, U, F ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 482 abgedruckt.
Seine Revision stützt das FA auf Verletzung materiellen Rechts.
Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Dessen Feststellungen reichen für eine abschließende Entscheidung nicht aus.
1. Gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) sind bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Einkommens vGA zu berücksichtigen; sie mindern das Einkommen nicht. Für die Ermittlung des Gewerbeertrages gilt Entsprechendes (§ 7 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes).
Unter einer vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht (vgl. z.B. Senatsurteil vom I R 2/02, BFHE 200, 197). Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der Bundesfinanzhof (BFH) eine Veranlassung der Vermögensminderung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (Senatsurteil vom I 261/63, BFHE 89, 208, BStBl III 1967, 626). § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG findet auch auf Betriebe gewerblicher Art und damit auf den Kläger als kommunalen Zweckverband i.S. des § 4 Abs. 1 und 3 KStG Anwendung (vgl. Senatsurteil in BFHE 181, 277, BStBl II 1997, 230, m.w.N.).
2. Wie der erkennende Senat durch sein Urteil in BFHE 181, 277, BStBl II 1997, 230 entschieden hat, ist eine vGA anzunehmen, wenn ein Betrieb gewerblicher Art (Wasser-)Messeinrichtungen abliest und die Ableseergebnisse (Hebedaten) der Trägerkörperschaft zu deren hoheitlichen Zwecken (Abwassergebührenerhebung) zur Verfügung stellt, ohne hierfür ein im Geschäftsverkehr übliches Entgelt zu erhalten. An diesem Urteil, auf das, um Wiederholungen zu vermeiden, verwiesen wird, hält der Senat fest.
3. Von den Rechtsgrundsätzen dieser Entscheidung ist das FG im Streitfall ausgegangen (vgl. auch Gosch, Gemeindehaushalt —GemH— 1998, 79; anders Löblein, GemH 1997, 208; 1998, 79). Die Beteiligten streiten allerdings über den Umfang und die kalkulatorische Zusammensetzung des für das Ablesen der Messeinrichtungen zu leistenden, angemessenen Entgelts. Die Kläger haben den Städten A und B hierfür zwar die auf die Inkassoleistungen entfallenden Personal- und Sachkosten sowie die hälftigen Personalkosten für die Ablesung der Wasserzähler in Rechnung gestellt, nicht jedoch Kosten für die Abschreibung der Wasserzähler. Das FA geht demgegenüber davon aus, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter zusätzlich den Abschreibungsaufwand zur Hälfte in die Leistungskalkulation eingestellt und den hiernach errechneten Betrag an die Auftraggeber weiterbelastet hätte.
a) Das FG hat sich der Auffassung der Kläger angeschlossen. Es hat sich dabei nicht an dem Kostenaufwand des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters eines „Ablese-Unternehmens„, sondern in ausschlaggebender Weise an jenen Kosten orientiert, die von A und B aufzuwenden gewesen wären, wenn sie die Daten für das verbrauchte Frischwasser selbst ermittelt hätten. Das müsse bei der Preisgestaltung berücksichtigt werden. Denn statt die Kläger in Anspruch zu nehmen, hätten A und B alternativ ohne weiteres die Abwassereinleiter verpflichten können, die zur Feststellung der Kanalgebühren erforderlichen Auskünfte zu erteilen und entsprechenden Nachweise, beispielsweise in Gestalt der Frischwasserrechnung, beizubringen. Ggf. hätte auch eine entsprechende Auskunft bei dem Wasserversorger eingeholt werden können. Für die Geltendmachung derartiger Mitwirkungsverlangen wären aber lediglich Portokosten angefallen. In Anbetracht dessen hätte es eine Gemeinde nicht akzeptiert, wenn ihr vom Wasserwerk anteiliger Abschreibungsaufwand berechnet worden wäre, der diesem für die Erhebung der Frischwasserdaten ohnehin entstanden wäre. Dem Vorteil durch die Inanspruchnahme des Wasserwerks entspreche dann kein wirtschaftlicher Nutzen. Ein fremder Dritter hätte für die Überlassung der Hebedaten jedenfalls nicht mehr bezahlt, als er selbst für deren Ermittlung hätte aufwenden müssen.
b) Ob diese Betrachtungsweise einer revisionsrechtlichen Prüfung standhält, lässt sich nach den bisherigen tatrichterlichen Feststellungen nicht abschließend beurteilen.
aa) Zwar ist es richtig, dass es aus betriebswirtschaftlicher Sicht bei Vorliegen „guter wirtschaftlicher Gründe„ durchaus sinnvoll sein kann, auf die —ansonsten übliche (vgl. Baumhoff in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 1 AStG Anm. 506 ff.)— Deckung der vollen Selbstkosten einer Leistung zu verzichten (vgl. Baumhoff, ebenda, § 1 AStG Anm. 512). Das betrifft insbesondere Sachverhalte, in denen —wie im Streitfall— Kosten für die Erfüllung der eigentlichen unternehmerischen Zwecke ohnehin aufzuwenden sind und in denen diese Kosten für eine weitere Leistungserbringung nicht besonders ins Gewicht fallen. Der Ertrag aus dem Leistungsentgelt für die weitere Leistungserbringung stellt sich dann als „windfall profit„ dar, also als zusätzlicher Marktlagengewinn, der ohne sonderlichen Mehraufwand „mitgenommen„ wird. Es ist in diesem Zusammenhang geboten, in den anzustellenden Fremdvergleich auch die Position des —gedachten— Vertragspartners einzubeziehen und darin ein Indiz für die angemessene Preisgestaltung zu erkennen (sog. verdoppelter Fremdvergleich, vgl. , BFHE 178, 203, BStBl II 1996, 204; vom I R 88/94, BFHE 179, 322, BStBl II 1996, 383; aber auch vom I R 36/97, BFHE 186, 226, BStBl II 1998, 689). Stehen diesem Vertragspartner sonstige Möglichkeiten offen, die ihm angebotene Leistung auf preislich günstigere Weise zu erlangen, wird er regelmäßig nicht bereit sein, dem Anbieter einen vollen Kostenausgleich zu gewähren. Er wird vielmehr versuchen, seinen infolge der Handlungsalternativen bestehenden Verhandlungsvorteil auszuspielen.
Andererseits wird der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter des leistenden Unternehmens seinerseits nicht ohne weiteres bereit sein, einen wirtschaftlichen Vorteil ganz oder teilweise unentgeltlich abzugeben. Er wird vielmehr versuchen, bei den Preisvereinbarungen das für die von ihm vertretene Kapitalgesellschaft Maximale zu erreichen und —neben einem angemessenen Gewinnaufschlag— eine Deckung seiner Vollkosten durchzusetzen. Um dieses Ziel zu erreichen, kommt es darauf an, wie stark seine Position gegenüber dem Vertragspartner und wie groß dessen Interesse daran ist, das ihm Angebotene anzunehmen, obwohl die Inanspruchnahme alternativer Möglichkeiten ggf. kostengünstiger wäre. Es ist Aufgabe des Fremdvergleichs, diesem Interessengegensatz unter den konkreten Gegebenheiten des zu beurteilenden Sachverhaltes nachzugehen. Dies obliegt dem FG, das sich in dem angefochtenen Urteil in zu starker Weise ausschließlich an der Sicht von A und B und deren Kostenbelastung im Falle einer unterstellten, tatsächlich nicht verwirklichten anderweitigen Datenbeschaffung orientiert hat.
bb) Im Rahmen des hiernach anzustellenden Fremdvergleichs wird im Streitfall einerseits zu berücksichtigen sein, dass die beteiligten Abwasserentsorger auch nach Ergehen des Senatsurteils in BFHE 181, 277, BStBl II 1997, 230 durchweg nicht auf derartige anderweitige Möglichkeiten ausgewichen sind, um an die benötigten Hebedaten zu gelangen, obwohl die Wasserversorger sich in ihrer Preisgestaltung den in diesem Urteil vertretenen Grundsätzen angepasst und sie sich darauf eingestellt haben. Vielmehr haben die kommunalen Abwasserentsorger die Wasserversorger nach wie vor entsprechend beauftragt, die Berechnung höherer Entgelte für die Leistungserbringung in Kauf genommen und diese auf die eigenen Abnehmer —die Abwassereinleiter— abgewälzt, was sich offenbar auch durchsetzen lässt. Darin könnte ein Indiz dafür zu sehen sein, dass die Vollkostenberechnung sich für die Abwasserentsorger im wirtschaftlichen Ergebnis immer noch als günstiger erweist als ein Ausweichen auf die anderen Möglichkeiten der Datenbeschaffung. Andererseits ist davon auszugehen, dass A und B eine Belastung mit den hälftigen Zählerkosten in den Streitjahren nach Lage der Dinge tatsächlich nicht auf die Abwassereinleiter abgewälzt haben und dies auch nicht mehr hätten nachholen können. Aus der zeitlichen Perspektive der Streitjahre —vor Ergehen des Senatsurteils in BFHE 181, 277, BStBl II 1997, 230— bestand für die Kläger für eine solche Kostenabwälzung auch keine Veranlassung. Das könnte dafür sprechen, dass aus damaliger —und für die Beurteilung des hier in Rede stehenden Sachverhaltes maßgeblicher— Sicht sich eine (anteilige) Vollkostenberechnung für die Kläger nicht hätte durchsetzen lassen, und dass diese bei einer derartigen Berechnung Gefahr gelaufen wären, die Aufträge zur Ablesung der Daten zu verlieren. In jedem Fall ist allerdings zu erwarten, dass die Kläger ihre Auftraggeber mit einem angemessenen Gewinnaufschlag belastet hätten.
4. Sollte das FG im 2. Rechtsgang nach Maßgabe dieser Erwägungen zu dem Ergebnis gelangen, dass die Kläger davon abgesehen haben, einen im Geschäftsverkehr üblichen Ausgleich für die erbrachten Leistungen zu verlangen, so ist davon auszugehen, dass dies auf der Grundlage des einem mitgliedschafts- oder gesellschaftsverhältnisähnlichen Verhältnisses zu A und B erfolgt ist. Auf dieser Basis ist die Höhe des angemessenen Entgelts, soweit sich dieses nicht anderweitig ermitteln lässt, im Rahmen einer Bandbreitenbetrachtung gemäß § 162 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) zu schätzen (vgl. z.B. Senatsurteil vom I R 103/00, BFHE 197, 68).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2004 S. 817 Nr. 15
BFH/NV 2004 S. 736 Nr. 5
DB 2004 S. 850 Nr. 16
DStRE 2004 S. 520 Nr. 9
INF 2004 S. 410 Nr. 11
KÖSDI 2004 S. 14173 Nr. 5
StB 2004 S. 163 Nr. 5
QAAAB-17866