Geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen durch einen in einem anderen Mitgliedstaat der EU niedergelassenen Stb.
Gesetze: StBerG § 3 Nr. 4
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine Aktiengesellschaft luxemburgischen Rechts mit Sitz in Luxemburg. Gegenstand der Gesellschaft ist u.a. die Datenverarbeitung sowie das Halten und Führen von Geschäftsbüchern für natürliche Personen und für nationale und internationale Gesellschaften, die Erstellung von Bilanzen und Steuererklärungen sowie die Beratung in betriebswirtschaftlichen, organisatorischen und steuerrechtlichen Fragen. Sie ist in Luxemburg im Besitz der Erlaubnis, durch ihren Verwaltungsratsvorsitzenden, Dipl.-Kfm. D, die freiberufliche Tätigkeit eines „expert comptable„ auszuüben. D ist deutscher Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Luxemburg. Deutsche Mandanten der Klägerin werden ausschließlich durch D betreut.
Die Klägerin wirkte u.a. bei der Anfertigung der Umsatz- und Gewerbesteuererklärung 1999 für die im Inland ansässige und beim Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) steuerlich geführte X-OHG mit und vertrat diese wie auch die ebenfalls beim FA steuerlich geführte X-GbR anlässlich einer Betriebsprüfung gegenüber dem FA. Mit Bescheid vom…wies das FA die Klägerin gemäß § 80 Abs. 5 und 7 der Abgabenordnung (AO 1977) als Bevollmächtigte ihrer o.g. Auftraggeber zurück. Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos. Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2003, 1343 veröffentlichten Gründen ab.
Mit ihrer auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestützten Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin geltend, dass die Frage der Reichweite der Niederlassungsfreiheit höchstrichterlich noch nicht geklärt sei und auch die Frage, wann eine Dienstleistung i.S. des Art. 50 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) vorliege, grundsätzliche Bedeutung habe. Unter Berücksichtigung der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) fehle es in der deutschen Rechtsprechung an einer klaren Linie zum Begriff der Dienstleistung bei Steuerberatern.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund nicht vorliegt.
1. Einer Rechtsfrage ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) grundsätzliche Bedeutung beizumessen, wenn die für die Beurteilung des Streitfalles maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Gesamtheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Dabei muss es sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln, die klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig ist (vgl. , BFH/NV 1996, 141, m.w.N.) Das Vorliegen dieser Zulassungsvoraussetzungen muss der Beschwerdeführer in der Beschwerdeschrift und innerhalb der Begründungsfrist schlüssig und substantiiert darlegen (§ 116 Abs. 3 Satz 1 und 3 FGO). Dazu ist es erforderlich, dass der Beschwerdeführer eine konkrete Rechtsfrage formuliert und substantiiert auf ihre Klärungsbedürftigkeit, ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung sowie darauf eingeht, weshalb von der Beantwortung der Rechtsfrage die Entscheidung über die Rechtssache abhängt (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 1996, 141, m.w.N.; vom V B 23/00, BFH/NV 2000, 1148).
Offen bleiben kann, ob die Beschwerdebegründung allein mit der Frage nach der Reichweite der Niederlassungsfreiheit und nach dem Begriff der Dienstleistung i.S. des Art. 50 EG hinreichend darlegt, dass insoweit entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfragen vorliegen, da diese Rechtsfragen jedenfalls nicht klärungsbedürftig sind.
Nach dem im Streitfall maßgeblichen § 3 Nr. 4 Satz 1 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) i.d.F. des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften über die Tätigkeit der Steuerberater (7. StBÄndG) vom (BGBl I 2000, 874) sind Personen und Vereinigungen zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union als Deutschland beruflich niedergelassen sind und dort befugt geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen nach dem Recht des Niederlassungsstaates leisten, soweit sie mit der Hilfeleistung eine Dienstleistung nach Art. 50 EG erbringen. In der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum 7. StBÄndG heißt es insoweit, dass mit der Beschränkung dieses Erlaubnistatbestands auf Erbringer von Dienstleistungen in Steuersachen im Anwendungsbereich des Art. 50 EG den Anforderungen des EG-Vertrages im Bereich der Dienstleistungsfreiheit bei grenzüberschreitender Hilfeleistung in Steuersachen Rechnung getragen werde (BTDrucks 14/2667, S. 27).
Der somit für § 3 Nr. 4 Satz 1 StBerG maßgebende Begriff der Dienstleistung i.S. des Art. 50 EG ist durch die Rechtsprechung des EuGH und —ihr folgend— des BFH geklärt. Vom Erlaubnistatbestand dieser Vorschrift werden nur grenzüberschreitende, vorübergehende Hilfeleistungen in Steuersachen erfasst. Denn zum einen sind nach Art. 49 EG nur solche Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft für Angehörige von Mitgliedstaaten verboten, die in einem anderen Staat der Gemeinschaft als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind. Zum anderen sind Dienstleistungen i.S. des Art. 50 EG zeitlich beschränkte Leistungen, die ohne dauerhafte Niederlassung (nach Art. 50 Abs. 3 EG: „vorübergehend„) in dem betreffenden Mitgliedstaat erbracht werden (vgl. 205/84, EuGHE 1986, 3755, 3801; vom Rs. C-55/94, EuGHE 1995, I-4165, 4195; Senatsbeschluss vom VII B 330/02, VII S 41/02, BFHE 201, 483, BStBl II 2003, 422, m.w.N.; , nicht veröffentlicht).
Ebenso ist nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil in EuGHE 1995, I-4165, 4195 f.) geklärt, unter welchen Voraussetzungen eine grenzüberschreitende Dienstleistung einen nur vorübergehenden Charakter hat. Dieser ist nicht nur unter Berücksichtigung der Dauer der Leistung, sondern auch ihrer Häufigkeit, regelmäßigen Wiederkehr oder Kontinuität zu beurteilen, und er schließt nicht die Möglichkeit für den Dienstleistungserbringer i.S. des Art. 50 EG aus, sich im Aufnahmemitgliedstaat mit einer bestimmten Infrastruktur (einschließlich eines Büros, einer Praxis oder einer Kanzlei) auszustatten, soweit diese Infrastruktur für die Erbringung der fraglichen Leistung erforderlich ist. Wer dagegen in stabiler und kontinuierlicher Weise eine Berufstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausübt, fällt unter die Vorschriften des Kapitels über das Niederlassungsrecht und nicht unter die des Kapitels über die Dienstleistungen.
Anders als die Beschwerde meint, ist auch der Begriff der Niederlassungsfreiheit geklärt. Dieser ist ein sehr weiter Begriff, der die Möglichkeit für einen Gemeinschaftsangehörigen impliziert, in stabiler und kontinuierlicher Weise am Wirtschaftsleben eines anderen Mitgliedstaats als seines Herkunftsstaats teilzunehmen und daraus Nutzen zu ziehen (EuGH-Urteil in EuGHE 1995, I-4165, 4195). Allerdings können die Aufnahme und Ausübung einer selbständigen Tätigkeit von der Beachtung bestimmter durch das Allgemeininteresse gerechtfertigter Rechts- und Verwaltungsvorschriften wie der Vorschriften über Organisation, Qualifikation, Standespflichten, Kontrolle und Haftung, abhängig gemacht werden. Solche besonderen Bedingungen muss der Angehörige eines anderen Mitgliedstaats, der die betreffende selbständige Tätigkeit ausüben will, grundsätzlich erfüllen (EuGH-Urteil in EuGHE 1995, I-4165, 4197; Senatsbeschluss in BFHE 201, 483, BStBl II 2003, 422).
Hiervon ausgehend hat der BFH bereits entschieden, dass durch die Regelung in § 3 Nr. 4 StBerG die in Art. 43 ff. EG gewährleistete Niederlassungsfreiheit und die in Art. 49 ff. EG gewährleistete Dienstleistungsfreiheit in keiner Weise unzulässig beeinträchtigt werden (Senatsbeschluss in BFHE 201, 483, BStBl II 2003, 422; ebenso ).
2. Von diesen rechtlichen Voraussetzungen ist das FG in dem angefochtenen Urteil zutreffend ausgegangen und hat dementsprechend untersucht, ob die von der Klägerin in Deutschland erbrachten Dienstleistungen —gemessen an den in dem EuGH-Urteil in EuGHE 1995, I-4165, 4195 dargestellten Kriterien, die der EuGH in seinem Urteil vom Rs. C-131/01 (EuGHE 2003, I-1659) unverändert gelassen hat— einen nur vorübergehenden Charakter haben.
Wenn sich die Beschwerde dagegen wendet, dass das FG aufgrund der von ihm getroffenen tatsächlichen Feststellungen geurteilt hat, dass die Tätigkeit der Klägerin in Deutschland als nicht nur vorübergehend angesehen werden könne, so macht sie geltend, dass das FG die maßgeblichen rechtlichen Vorschriften in ihrem Fall unzutreffend angewandt habe. Damit wendet sich die Beschwerde aber gegen die materielle Richtigkeit der Entscheidung des FG, was jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen kann, weil damit kein Zulassungsgrund gemäß § 115 Abs. 2 FGO dargetan wird (, BFH/NV 2002, 1476, m.w.N.).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 827 Nr. 6
UAAAB-17843