BFH Urteil v. - VII R 42/02

Kraftfahrzeugsteuerliche Einordnung eines Quad

Gesetze: KraftStG § 9

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Halterin eines Kfz. Es handelt sich um ein offenes Fahrzeug mit vier Rädern, das einen Sitz hat und mit Hilfe eines Motorradlenkers gesteuert wird. Das zulässige Gesamtgewicht des Fahrzeugs beträgt 399 kg. Der Motor mit 401 ccm Hubraum erzeugt eine Leistung von 15 kW, die auf zwei Antriebsachsen geleitet wird und das Fahrzeug auf eine Geschwindigkeit von 59 km/h beschleunigen kann. Fahrzeuge dieser Art werden auch als Ultraleichttraktor oder „Quad„ bezeichnet.

Das beklagte und revisionsklagende Finanzamt (FA) setzte für das Fahrzeug zunächst entsprechend seiner Einstufung durch die Verkehrsbehörde die Steuer nach Maßgabe des für LKW geltenden Steuersatzes fest. Mit Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom wurde dieser Bescheid jedoch nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geändert, weil das FA nunmehr zu der Auffassung gelangt war, es handle sich nicht um eine Zugmaschine (LKW), sondern um einen PKW. Hierfür wurde nach Maßgabe der einschlägigen Steuerstaffel Kraftfahrzeugsteuer von 248 DM festgesetzt.

Das Finanzgericht (FG) hat diesen Bescheid mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 192 veröffentlichten Urteil aufgehoben. Hiergegen richtet sich die vom FG zugelassene Revision des FA.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision des FA zurückzuweisen. Sie hält es für zulässig, dass das FG auf das Prospektmaterial des Herstellers Bezug genommen hat, aus welchem sich die Herstellerkonzeption ableiten lasse. Das FG habe auch die vom Hersteller angebrachte Anhängerkupplung dafür heranziehen dürfen, dass es sich um eine Zugmaschine und nicht um ein Sportgerät handele. Auch der Allradantrieb sei dafür ein Indiz, wenn auch kein Kriterium. Ein weiteres Indiz sei die Kraftübertragung mittels eines Kardanantriebes auf alle vier Räder, während Sportgeräte sämtlich über einen auf die Hinterräder wirkenden Kettenantrieb verfügten. Auch die höhere Geschwindigkeit, die das Befahren von jeder Art Straße ermögliche, mache die Herstellerkonzeption deutlich.

II. Die zulässige Revision ist begründet. Das FG konnte nicht ohne Verstoß gegen Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—) zu dem Ergebnis kommen, dass das Fahrzeug der Klägerin ein anderes Fahrzeug i.S. des § 8 Nr. 2 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG), nämlich eine Zugmaschine ist, und deshalb gemäß § 9 KraftStG nicht nach Maßgabe seines Hubraums, sondern nach dem verkehrsrechtlich zulässigen Gesamtgewicht zu besteuern ist.

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. schon Urteil vom VII R 1/97, BFHE 183, 272, BStBl II 1997, 627, und z.B. Urteil vom VII R 104/97, BFHE 185, 515, BStBl II 1998, 489) ist für die kraftfahrzeugsteuerrechtliche Beurteilung von Kfz als PKW oder als anderes Fahrzeug grundsätzlich auf deren objektive Beschaffenheit und die diese prägende Konzeption des Herstellers abzustellen. Letzteres gilt nach der Rechtsprechung nicht nur in sog. Umbaufällen, an denen sich diese Rechtsprechung allerdings entwickelt hat, sondern auch dort, wo die kraftfahrzeugsteuerrechtliche Einordnung von Serienfahrzeugen strittig ist (vgl. Urteil des erkennenden Senats in BFHE 185, 515, BStBl II 1998, 489). Dabei bedarf es keiner näheren Darlegung, dass mit dem Begriff der „Herstellerkonzeption„ nicht etwa lediglich und entscheidend auf die Angaben des Herstellers in seinem Verkaufsprospekt abgestellt wird, wenn diese auch ein —wenn auch in der Regel schwaches— Indiz für das Vorliegen oder Fehlen einer bestimmten Herstellerkonzeption sein können. Für welchen Verwendungszweck der Hersteller ein Fahrzeug konzipiert hat, ist vielmehr maßgeblich aus dessen objektiven Eigenschaften, insbesondere seiner Bauart, seiner Motorisierung, seiner Ausstattung und dergleichen abzuleiten (zu deren Bedeutung für die Feststellung der Herstellerkonzeption , BFH/NV 1992, 414, und vom VII R 37/99, BFH/NV 2001, 345), wobei die objektive Beschaffenheit des Fahrzeuges unter Berücksichtigung aller Merkmale in ihrer Gesamtheit zu bewerten ist (so schon Urteil des Senats in BFH/NV 1992, 414). Ist die Herstellerkonzeption eines Fahrzeuges auf vielseitige Verwendbarkeit sowohl zur Personen- wie zur Lastenbeförderung gerichtet, etwa auf ein Fahrzeug, das wahlweise als PKW oder als LKW verwendet werden kann, oder beruht das konkrete Serienfahrzeug auf einem Basistyp, der dafür konzipiert ist, je nach dem Kundenwunsch als PKW, Kombinationsfahrzeug oder LKW ausgestattet zu werden, so ist die Herstellerkonzeption für die kraftfahrzeugsteuerrechtliche Einordnung insoweit unergiebig (Urteil des Senats vom VII R 27/99, BFH/NV 2001, 648). In einem solchen Fall kann nur auf die festzustellenden objektiven Beschaffenheitsmerkmale als solche abgestellt werden. Eine Einordnung des Fahrzeuges als LKW kann dann nur vorgenommen werden, wenn diese Merkmale den Schluss rechtfertigen, dass die Eignung und Bestimmung des Fahrzeuges zur Lastenbeförderung deutlich überwiegt und die Personenbeförderung in den Hintergrund treten lässt; denn anderenfalls würde es sich allenfalls um ein Kombinationsfahrzeug handeln, welches bei geringem Gesamtgewicht (vgl. § 23 Abs. 6a der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung) als PKW zu besteuern ist (vgl. schon Urteil des Senats vom VII R 12/97, BFH/NV 1997, 810, sowie Urteil in BFH/NV 2001, 345).

Es handelt sich demnach bei der kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Einordnung eines Fahrzeuges als LKW oder PKW um eine zusammenfassende Würdigung der einzelnen Merkmale des Fahrzeuges, denen für die Bestimmung der Herstellerkonzeption und damit für die kraftfahrzeugsteuerrechtliche Einordnung des Fahrzeuges unter Umständen unterschiedliches Gewicht beizumessen ist und von denen keines für sich genommen allein ausschlaggebend ist (vgl. Urteil des Senats in BFHE 185, 515, BStBl II 1998, 489, für fehlende Seitenfenster im Fond; vgl. auch , BFHE 172, 566, BStBl II 1994, 304). Weil vielmehr insoweit die komplexen Verhältnisse des jeweiligen Einzelfalls in einer umfassenden Beurteilung zu berücksichtigen sind und dabei eine Reihe gesetzlich nicht abschließend festgelegter Kriterien von Bedeutung ist, welche —ebenfalls je nach dem Einzelfall— in unterschiedlicher Gewichtung für oder gegen eine bestimmte kraftfahrzeugsteuerrechtliche Zuordnung des Fahrzeuges sprechen können, muss diese Beurteilung nach der Rechtsprechung des Senats im Wesentlichen dem Tatrichter, also dem FG, überlassen bleiben (vgl. Entscheidungen des Senats in BFH/NV 1992, 414; in BFHE 183, 272, BStBl II 1997, 627; in BFHE 185, 515, BStBl II 1998, 489, und vom VII B 9/99, BFH/NV 2000, 227; zum Grundsätzlichen Entscheidungen des , BFHE 170, 275, BStBl II 1993, 379; vom V B 137/01, BFH/NV 2002, 1503). Ob die tatrichterliche Würdigung zutreffend ist, kann das Revisionsgericht nur daraufhin überprüfen, ob das FG von zutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgegangen ist und seine Entscheidung insoweit nachvollziehbar begründet hat; ob ein anderes Ergebnis der Würdigung des Falles vertretbar wäre, ist folglich nicht von Bedeutung.

2. Die angegriffene Entscheidung des FG hält indes auch unter Berücksichtigung dieses eingeschränkten Prüfungsmaßstabes einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.

Richtig ist das FG davon ausgegangen, dass der Begriff Zugmaschine kraftfahrzeugsteuerrechtlicher Art ist. Der erkennende Senat hat ihn in dem Urteil vom VII R 49/93 (BFH/NV 1994, 741) dahin definiert, dass es sich bei einer Zugmaschine um ein Fahrzeug handele, dessen wirtschaftlicher Wert im Wesentlichen in der Zugleistung liege und das deshalb nach seiner Bauart ausschließlich oder doch überwiegend zur Fortbewegung von Lasten durch Ziehen von Anhängern zu dienen geeignet und bestimmt ist. Das FG hat sich ferner auch auf die in der Rechtsprechung des Senats für die kraftfahrzeugsteuerrechtliche Einordnung von Kfz aufgestellten Maßstäbe, insbesondere auf die in dem Urteil des Senats vom VII R 7/00 (BFHE 194, 477, BStBl II 2001, 451) für die Bewertung sog. Quads angestellten Überlegungen bezogen.

Rechtsirrtümlich und durch diese Rechtsprechung des Senats nicht gestützt ist jedoch bereits die Ansicht des FG, es könne —maßgeblich— auf die Auskunft des Herstellers und die Angaben des Verkaufsprospekts zur Eignung und Bestimmung des Fahrzeugs abgestellt werden, um daraus die Herstellerkonzeption abzuleiten. Nach der Rechtsprechung des Senats ist vielmehr, wie dargelegt, entscheidend, wozu ein Fahrzeug nach seiner objektiven Beschaffenheit geeignet und bestimmt ist, was sich in seinen technischen und Ausstattungsmerkmalen zeigt. Hingegen werden die Angaben des Herstellers, insbesondere die von ihm dem Kfz zugeschriebenen Verwendungszwecke in einem Verkaufsprospekt, wesentlich davon bestimmt sein, welchen Kundenkreis der Hersteller ansprechen will und welche Verwendungsmöglichkeiten bei den Fahrzeugen herauszustellen ihm deshalb aus werblichen Gesichtspunkten erfolgversprechend erscheint. Das gilt insbesondere bei Fahrzeugen mit vielseitiger Verwendbarkeit für unterschiedliche Einsatzmöglichkeiten. So zeigt gerade der Streitfall, dass sich mitunter im Wesentlichen in ihren technischen und Ausstattungsmerkmalen baugleiche Fahrzeuge in unterschiedlicher werblicher Aufmachung sowohl um die Gunst des Publikums bemühen, welches ein Fahrzeug für die Personenbeförderung bzw. zur Freizeitbeschäftigung sucht, als auch um jenes, das ein Nutzfahrzeug benötigt.

Nicht frei von Rechtsirrtum ist es ferner, wenn das FG weiter geprüft hat, ob die anhand der Herstellerangaben ermittelte angebliche Zweckbestimmung gleichsam durch die objektive Beschaffenheit des Fahrzeugs widerlegt wird, ob also das vom Hersteller als Zugmaschine ausgewiesene Fahrzeug „in Abweichung von der Herstellerkonzeption ausnahmsweise als PKW zu beurteilen ist„. Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung muss vielmehr, wie dargelegt, die objektive Beschaffenheit sein, wobei die aufgrund dieser gewonnene kraftfahrzeugsteuerrechtliche Einordnung eines Fahrzeuges im Einzelfall durch die Angaben des Herstellers bestätigt werden kann und dadurch letzte Zweifel an der Richtigkeit dieser Einordnung beseitigt werden können, nicht aber umgekehrt —wie es der Betrachtungsweise des FG entspricht— die kraftfahrzeugsteuerrechtliche Zuordnung maßgeblich durch die subjektive Bewertung des Herstellers vorgenommen wird und diese nur dann nicht durchschlägt, wenn sie mit den objektiven Beschaffenheitsmerkmalen schlechterdings nicht vereinbar ist. Nur im Falle des Umbaus eines Serienfahrzeuges oder z.B. bei einer Sonderanfertigung eines Serienfahrzeuges hat der Senat die Prüfung für geboten gehalten, ob es sich trotz abweichender (die objektive Beschaffenheit des Fahrzeuges ursprünglich bzw. bei seiner Serienfertigung bestimmenden) Herstellerkonzeption als PKW infolge der vorgenommenen Umbauten bzw. der Sonderausstattung um einen LKW handelt, weil sich diese gegen die Herstellerkonzeption „durchsetzen„ (Urteil in BFHE 185, 515, BStBl II 1998, 489, und in BFH/NV 2001, 648). Dergleichen kommt indes hier nicht in Betracht.

Die objektive Beschaffenheit des Fahrzeugs der Klägerin lässt nach Auffassung des erkennenden Senats dessen Einordnung als anderes Fahrzeug, nämlich als Zugmaschine, ebenso wenig zu, wie dieses bei dem dem Fahrzeug der Klägerin unstreitig ähnlichen Fahrzeug der Fall war, das Gegenstand des Urteils des Senats in BFHE 194, 477, BStBl II 2001, 451 war.

Der wesentliche Unterschied zwischen beiden Fahrzeugen, nämlich die etwas geringere Höchstgeschwindigkeit des Fahrzeuges der Klägerin (sowie dessen vom FG nicht näher gewürdigter größerer Hubraum und seine etwas höhere Leistung), rechtfertigen nicht, diesem Eignung und Bestimmung ausschließlich zum Ziehen von Lasten zuzuschreiben. Dem steht nicht entgegen, dass auch Zugmaschinen mitunter wie das Fahrzeug der Klägerin eine Höchstgeschwindigkeit von 59 km/h erreichen können. Entscheidend ist vielmehr, dass diese Höchstgeschwindigkeit selbstredend Eignung und Bestimmung des Fahrzeuges (auch) zur Personenbeförderung nicht wesentlich beeinträchtigt, nämlich die Nutzung als Freizeitgefährt im Gelände bzw. als Sportgerät, welche Verwendungsmöglichkeit nach der Verkehrsanschauung (zu deren kraftfahrzeugsteuerrechtlicher Bedeutung , BFH/NV 1991, 838, und Senatsurteil in BFH/NV 2001, 648) Fahrzeugen dieser Art (zumindest neben anderen) eigentümlich ist. Ähnlich verhält es sich mit dem vom FG hervorgehobenen Wellenantrieb auf alle vier Räder und der Anhängerkupplung, die beide auch das Fahrzeug in BFHE 194, 477, BStBl II 2001, 451 aufwies. Wenn auch diese Einrichtungen bei einem Fahrzeug wie dem strittigen in erster Linie für seine Verwendung als Zugmaschine nützlich oder gar notwendig sein mögen, so ist doch nicht erkennbar oder vom FG festgestellt, inwieweit sie das Fahrzeug für eine Verwendung (auch) zur Personenbeförderung ungeeignet machen oder jedenfalls insoweit einerseits so nutzlos, andererseits aber für die Beschaffenheit des Fahrzeuges so prägend wären, dass daraus trotz fortbestehender Eignung zur Personenbeförderung geschlossen werden könnte, das Fahrzeug sei jedenfalls nicht (auch) zur Personenbeförderung, sondern ausschließlich oder doch ganz überwiegend zum Ziehen von Lasten bestimmt, so dass seine Eignung für eine andere Verwendung dahinter gleichsam zurücktritt.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 822 Nr. 6
IAAAB-17500