Passivierungspflichtige öffentlich-rechtliche Verbindlichkeit wegen immissionsschutzrechtlicher Verpflichtung zur Nachrüstung einer Anlage
Gesetze: BewG § 103; BImSchV § 17
Instanzenzug: BB
Gründe
I. Die Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin), eine Aktiengesellschaft, stellte im Jahr 1986…her. In ihrer Steuerbilanz auf den bildete sie u.a. eine Rückstellung in Höhe von ... DM wegen bevorstehender Aufwendungen für technische Änderungen an den Dampfkesseln 5 und 6 ihres firmeneigenen Kraftwerks, die sie in die Vermögensaufstellung auf den übernahm. Zur Begründung verwies sie auf die 13. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vom (BGBl I 1983, 719) —13. BImSchV— und die technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft vom (Gemeinsames Ministerialblatt —GMBl— 1986, 95) —TA Luft—, deren verschärfte Emissionswerte die technischen Änderungen erforderlich machten.
Nach einer Außenprüfung gelangte der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt —FA—) jedoch unter Berufung auf das Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom IV B 2 -S 2137- 49/88 (Der Betrieb —DB— 1988, 2279) zu der Ansicht, die Rückstellung sei nicht rechtens, weil die Kessel im Jahr 1986 noch den geltenden Bestimmungen entsprochen hätten und die verschärften Emissionswerte erst nach einer Übergangsfrist einzuhalten gewesen seien, welche erst nach dem geendet habe. Dementsprechend änderte das FA zunächst den Körperschaftsteuerbescheid für 1986 und sodann mit Feststellungsbescheid vom auch den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den , und zwar auf ... DM.
Die Klägerin focht lediglich den Feststellungsbescheid an und hatte damit vor dem Finanzgericht (FG) Erfolg. Das FG war der Auffassung, bereits ab In-Kraft-Treten der 13. BImSchV habe gemäß deren § 36 Abs. 1 eine Anpassungsverpflichtung bestanden. Denn gemäß dieser Vorschrift seien unverzüglich vorbereitende Maßnahmen zur Einhaltung der strengeren Emissionswerte einzuleiten gewesen, wenn auch die Werte selbst erst nach einer fünfjährigen Übergangsfrist hätten erreicht werden müssen. Diese Übergangsfrist stelle lediglich ein Gebot praktischer Vernunft dar. Sie enthalte keine zeitlich begrenzte Genehmigung zum Weiterbetrieb der Anlage, die den Zeitpunkt der Entstehung der Anpassungsverpflichtung habe hinausschieben sollen. Auf eine wirtschaftliche Verursachung bereits zum streitigen Stichtag komme es nicht an. Die Verbindlichkeit sei überdies ausreichend konkretisiert und zudem sanktionsbewehrt. Die zu tätigenden Aufwendungen hätten auch nicht zu Herstellungskosten geführt.
Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht das FA geltend, der Sache komme grundsätzliche Bedeutung wegen der Frage zu, ob —wie das FG meine— bei einer Rückstellung wegen ungewisser Verbindlichkeiten auf das Erfordernis verzichtet werden könne, dass sie zum maßgeblichen Stichtag bereits wirtschaftlich verursacht seien und damit —anders ausgedrückt— ihren wesentlichen wirtschaftlichen Bezugspunkt in der Vergangenheit haben müssten. Eine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Rückstellung durch das Revisionsgericht sei auch zur Fortbildung des Rechts erforderlich. Das FG habe sich im Wesentlichen auf das (BFHE 196, 216, BStBl II 2003, 121) gestützt, das sich aber über die bilanzsteuerrechtliche Wertung des Gesetzgebers, wie sie insbesondere in § 5 Abs. 4 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) zum Ausdruck käme, hinweggesetzt habe und daher einer Überprüfung bedürfe (vgl. auch Nichtanwendungserlass vom , BStBl I 2003, 125).
II. Die Beschwerde ist unbegründet. Weder hat die vom FA aufgeworfene Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO), noch ist zur Fortbildung des Rechts eine Revisionsentscheidung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO erforderlich.
1. Die Rechtsfrage, der das FA grundsätzliche Bedeutung beimisst, ist bereits höchstrichterlich geklärt. In der Rechtsprechung zum Bilanzsteuerrecht wird unterschieden zwischen am Bilanzstichtag bereits bestehenden und lediglich der Höhe nach ungewissen Verbindlichkeiten einerseits und den künftig erst entstehenden Verbindlichkeiten andererseits (vgl. , BFHE 150, 140, BStBl II 1987, 848, sowie in BFHE 196, 216, BStBl II 2003, 121). Hinsichtlich dieser künftig erst entstehenden Verbindlichkeiten ist nach der Rechtsprechung zum Bilanzsteuerrecht die Bildung einer Rückstellung nur unter der weiteren Voraussetzung zulässig, dass die künftigen zur Tilgung der ungewissen Verbindlichkeit zu leistenden Ausgaben wesentlich bereits im abgelaufenen Wirtschaftsjahr oder vorausgegangenen Wirtschaftsjahren verursacht worden sind (vgl. , BFHE 137, 489, BStBl II 1983, 375; vom IV R 205/79, BFHE 139, 41, BStBl II 1983, 670, sowie in BFHE 150, 140, BStBl II 1987, 848). Bewertungsrechtlich —d.h. im Rahmen der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens— kam vor Einführung der verlängerten Maßgeblichkeit der Handelsbilanz durch Art. 13 des Steueränderungsgesetzes (StÄndG) 1992 vom (BGBl I, 297) der Ansatz einer Verbindlichkeit von gesetzlichen Ausnahmefällen abgesehen ohnehin nur wegen solcher Verpflichtungen in Betracht, die am Bewertungsstichtag bereits bestanden und nur in ihrer Höhe noch ungewiss waren (vgl. , BFHE 139, 422, BStBl II 1984, 51). Die Frage des Zeitraums ihrer wirtschaftlichen Verursachung stellte sich dabei nicht. Weiterer Klärungsbedarf besteht unter diesen Umständen hinsichtlich der Bedeutung des Erfordernisses der wirtschaftlichen Verursachung in der Vergangenheit nicht.
2. Eine revisionsgerichtliche Entscheidung über die Vorfrage, ob zum maßgeblichen Feststellungszeitpunkt bereits eine passivierungspflichtige öffentlich-rechtliche Verbindlichkeit nach dem Immissionsschutzrecht bestand, ist zur Fortbildung des Rechts für Zwecke der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens nicht erforderlich, da es sich bei den Vorschriften über die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens um ausgelaufenes Recht handelt. Das FA hat nicht vorgetragen, dass noch in größerer Zahl Fälle zur Einheitsbewertung des Betriebsvermögens anhängig sind, bei denen diese immissionsrechtliche Vorfrage von Bedeutung ist (vgl. , BFH/NV 1994, 835). Auch zur Fortbildung des Bilanzsteuerrechts ist eine revisionsgerichtliche Entscheidung nicht erforderlich, da die Vorfrage im Streitfall nicht klärungsfähig wäre. Selbst wenn der erkennende Senat der Auslegung des § 17 13. BImSchV, wie sie dem BFH-Urteil in BFHE 196, 216, BStBl II 2003, 121 zugrunde liegt, folgen würde (vgl. zur Kritik an dieser BFH-Entscheidung: Wieland in Deutsches Steuerrecht 2004, 1, unter 1.), fehlte es an der wirtschaftlichen Belastung durch die dann angenommene Verbindlichkeit im Feststellungszeitpunkt und somit an einer weiteren Grundvoraussetzung für den Abzug einer rechtlichen Verpflichtung nach § 103 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes i.d.F. vor dem StÄndG 1992 (vgl. BFH-Urteil in BFHE 139, 422, BStBl II 1984, 51). Infolgedessen bedürfte die Vorfrage im Streitfall keiner Entscheidung.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 614
BFH/NV 2004 S. 614 Nr. 5
DB 2005 S. 13 Nr. 34
FAAAB-17297