Steuerfreiheit von Zuwendungen an AN anlässlich des Geschäftsjubiläums einer Unternehmensgruppe
Gesetze: EStG § 3 Nr. 52
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Streitig ist, ob Zuwendungen an Arbeitnehmer anlässlich des Geschäftsjubiläums einer Unternehmensgruppe auch dann steuerfrei sind, wenn die rechtlich selbständige arbeitgebende Gesellschaft nicht selbst 25 Jahre oder ein Mehrfaches davon bestand.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine im Jahr 1977 errichtete GmbH. Gesellschafter sind Frau A mit 50 v.H., sowie die Herren B und C mit jeweils 25 v.H. der Anteile. Geschäftsführer der Klägerin sind A, B und C.
Schwestergesellschaften waren im Streitjahr die A-GmbH, die A-GmbH & Co. KG, die B-GmbH und die C-GmbH. An diesen Unternehmen waren die Gesellschafter jeweils im gleichen Verhältnis wie an der Klägerin beteiligt; zugleich waren sie in allen Gesellschaften Geschäftsführer. Der Einkauf und der Vertrieb für die Unternehmensgruppe erfolgte ausschließlich über die A-GmbH.
Die Unternehmensgruppe feierte im Mai 1992 ihr 100-jähriges Bestehen. Wie die anderen Unternehmen der Gruppe zahlte die Klägerin aus diesem Anlass ihren Arbeitnehmern für jedes Jahr der Beschäftigung 50 DM. Beträge bis 1 200 DM wurden steuerfrei ausgezahlt, darüber hinausgehende Beträge pauschal nach § 40 Abs. 2 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit 25 v.H. versteuert. Insgesamt zahlte die Klägerin 32 050 DM.
Nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung sah der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung der Jubiläumszuwendungen nicht als erfüllt an, weil es sich bei der Feier des 100-jährigen Bestehens nicht um ein Geschäftsjubiläum der Klägerin gehandelt habe.
Die dagegen gerichtete Klage wies das Finanzgericht (FG) ab, weil nicht die Klägerin selbst als Arbeitgeberin 25 Jahre oder ein Mehrfaches davon bestanden habe, wie es nach dem Wortlaut der Vorschrift (§ 3 Abs. 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung —LStDV— 1990) und wegen des in der Ermächtigungsgrundlage (§ 3 Nr. 52 EStG) genannten Vereinfachungszwecks erforderlich sei. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 995 veröffentlicht.
Mit der Revision macht die Klägerin geltend, das FG habe die Steuerbefreiung zu Unrecht allein mit dem Vereinfachungszweck begründet. Der Begriff „Geschäftsjubiläum„ stelle auf die objektive Erscheinungsform des Unternehmens in seiner Gesamtheit am Markt unter Beachtung der unternehmerischen Tradition ab, wie das FG Münster zutreffend entschieden habe (Urteil vom VII 8182/86 L, EFG 1989, 539, vom Bundesfinanzhof —BFH— mit Beschluss vom VI R 85/89, nicht veröffentlicht, bestätigt). Vorliegend seien die einzelnen Firmen der Unternehmensgruppe trotz ihrer formalrechtlichen Selbständigkeit als Unternehmenseinheit anzusehen. Der wirtschaftliche Zusammenhang sei im Streitfall ebenso eng, wie bei Vorliegen eines Organschaftverhältnisses in dem vom FG Münster in EFG 1989, 539 entschiedenen Fall.
Die Klägerin beantragt,
das finanzgerichtliche Urteil vom und den Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid vom in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom aufzuheben.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Es beruft sich auf die Gründe des finanzgerichtlichen Urteils und macht geltend, das FG habe das Kriterium „Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens„ zutreffend ausgelegt. Folge man der Klägerin, ergäben sich erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten. Eine Divergenz zur Entscheidung des sei nicht gegeben, da es sich in dem dort entschiedenen Fall um eine steuerlich anerkannte Organschaft gehandelt habe und daher die betroffenen Unternehmen zumindest steuerrechtlich nicht selbständig gewesen seien.
II. Die Revision ist begründet. FA und FG sind zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Jubiläumszuwendungen der Klägerin an ihre Arbeitnehmer nicht nach § 3 Abs. 2 LStDV 1990 begünstigt waren.
Nach § 3 Abs. 2 LStDV 1990 sind Jubiläumszuwendungen des Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer im zeitlichen Zusammenhang mit seinem Geschäftjubiläum steuerfrei, soweit sie —neben weiteren Voraussetzungen, die vorliegend unstreitig sind— gegeben werden, weil das Geschäft 25 Jahre oder ein Mehrfaches von 25 Jahren besteht. Ermächtigungsgrundlage ist § 3 Nr. 52 EStG in der bis 1998 geltenden Fassung, von deren Verfassungsmäßigkeit der Senat in Anknüpfung an die bisherige Rechtsprechung weiterhin ausgeht. Danach sind steuerfrei besondere Zuwendungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer nach näherer Maßgabe einer Rechtsverordnung, soweit es aus sozialen Gründen oder zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens geboten erscheint, die Zuwendungen ganz oder teilweise steuerfrei zu belassen.
1. § 3 Abs. 2 LStDV 1990 begünstigt Zuwendungen des Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer. Diese Voraussetzung ist nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil erfüllt; es geht um Zuwendungen der Klägerin an ihre Arbeitnehmer. Aus der Stellung der Klägerin als Arbeitgeberin folgt jedoch —entgegen der Auffassung des FG— nicht zwingend, dass für die Steuerbefreiung auf die Gründung der Klägerin abzustellen ist; für die vorliegend streitige Rechtsfrage kommt es nicht auf die Auslegung des Begriffs „Arbeitgeber„, sondern des Begriffs „Geschäftsjubiläum„ an (dazu unter 2.).
2. Das FG hat die Steuerbefreiung versagt, weil diese voraussetze, dass die arbeitgebende Gesellschaft selbst 25 Jahre oder ein Mehrfaches davon besteht. Diese Auslegung folgt jedoch aus dem Wortlaut der Vorschrift nicht. Sie steht auch mit ihrem Sinn und Zweck, der sich aus der Entstehungsgeschichte und dem Willen des Verordnungsgebers ergibt, und der bisherigen Rechtsprechung nicht in Einklang.
a) Nach dem Wortlaut der Vorschrift hängt die Steuerbefreiung davon ab, ob das „Geschäft„ des Arbeitgebers 25 Jahre oder ein Mehrfaches davon besteht. Geschäft in diesem Sinne ist die tatsächlich vorhandene Wirtschaftseinheit, die als solche nicht Trägerin von Rechten oder Pflichten zu sein braucht (im Einzelnen s. dazu FG Münster in EFG 1989, 539). Der Begriff „Geschäft„ kann deshalb nicht mit den Begriffen „Gesellschaft„ oder „Firma„ gleichgesetzt werden.
b) Die Entstehungsgeschichte der Steuerbefreiung und die Begründung für die Einführung des Tatbestandsmerkmals „Geschäft„ bestätigen diese Auslegung. Der früher verwendete Begriff „Firmenjubiläum„ wurde in der LStDV 1960 (BStBl I 1960, 26, damals in § 5 Abs. 2) durch den Begriff „Geschäftsjubiläum„ ersetzt. Die Änderung sollte deutlich machen, dass es entsprechend der damaligen Verwaltungspraxis nicht entscheidend auf firmenrechtliche Gesichtspunkte ankommen sollte, sondern dass „das Geschäft„ als solches die erforderliche Zeit bestanden haben müsse (vgl. amtliche Begründung, BRDrucks 353/59).
c) Deshalb hat die Rechtsprechung den Begriff „Geschäftsjubiläum„ weit ausgelegt (vgl. FG Münster in EFG 1989, 539; , BFHE 184, 403, BStBl II 1998, 62). Dementsprechend wurde die Frage, ob ein Unternehmen trotz eines Strukturwandels, einer Änderung der Rechtsform oder der Person der Inhaber mit dem bisherigen Unternehmen identisch ist, wirtschaftlich beurteilt (, BFHE 86, 754, BStBl III 1966, 693 zu § 5 Abs. 2 LStDV 1955, unter Hinweis auf das Urteil vom VI 195/59 U, BFHE 70, 323, BStBl III 1960, 121, das die Steuerfreiheit von Zuwendungen anlässlich von Arbeitnehmerjubiläen nach § 5 Abs. 1 LStDV 1952 betrifft).
d) Auch die Finanzverwaltung verknüpft die Begünstigung nicht mit der Rechtsform oder der Firma der arbeitgebenden Gesellschaft (vgl. Abschn. 23 Abs. 5 Sätze 3 ff. der Lohnsteuer-Richtlinien —LStR— 1990, die insoweit bis 1999 unverändert geblieben sind). Sie ist bei mehreren, rechtlich selbständigen Unternehmen von einem einheitlichen Geschäftsjubiläum ausgegangen, wenn ein enger Zusammenhang zwischen den Unternehmen besteht (vgl. Erlass des Finanzministeriums Bayern vom S 2339-R-24 900 unter Hinweis auf eine Erörterung der Lohnsteuer-Referenten der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder).
e) Im Streitfall betreiben die Klägerin und ihre Schwestergesellschaften das vom Ursprungsunternehmen begründete Geschäft gemeinsam, wie sich aus den Feststellungen im angefochtenen Urteil ergibt. Bei wirtschaftlicher Betrachtung hat sich daran durch die Aufspaltung in Produktionsgesellschaften und eine für den Einkauf und den Vertrieb zuständige Gesellschaft trotz der juristischen Selbständigkeit nichts geändert. Durch die Identität der Gesellschafter und der Geschäftsführer sowie das einheitliche Auftreten bei Ein- und Verkauf besteht ein so enger Zusammenhang zwischen den Gesellschaften, dass von einem gemeinsamen Betreiben des Geschäfts ausgegangen werden kann. Unter diesen Voraussetzungen kann das Geschäftsjubiläum der Unternehmensgruppe —auch— der Klägerin zugerechnet werden. Eine statische Auslegung des Begriffs „Geschäft„ stünde im Widerspruch zu den Anforderungen an eine erfolgreiche Unternehmensführung, die gerade über lange Zeiträume —wie sie § 3 Abs. 2 LStDV 1990 voraussetzt— ständige Anpassungen an veränderte Rahmenbedingungen wirtschaftlicher, rechtlicher und politischer Art erfordert.
3. Die gegen ein einheitliches Geschäftsjubiläum angeführten Gründe greifen nicht durch.
a) Soweit es nach Auffassung der Finanzverwaltung nicht ausreicht, wenn ein beherrschender Gesellschafter an den Unternehmen zu mehr als 50 v.H. beteiligt ist (vgl. Finanz-Rundschau 1977, 416), lässt sich damit ein enger Zusammenhang zwischen der Klägerin und ihren Schwestergesellschaften nicht verneinen. Denn die Frage, ob rechtlich selbständige Gesellschaften wirtschaftlich ein gemeinsames Geschäft betreiben, hängt —wie bereits entschieden wurde (FG Münster in EFG 1989, 539)— nicht davon ab, ob das Stammunternehmen über eine Mehrheitsbeteiligung verfügt.
Entscheidend ist, ob die Unternehmen durch Organschaft —wie in dem vom FG Münster in EFG 1989, 539 entschiedenen Fall— oder in anderer enger Weise —wie im vorliegenden Streitfall— miteinander verbunden sind. Das entspricht auch der Regelung in Abschn. 23 Abs. 3 Nr. 2 der —insoweit bis zum Auslaufen der Steuerbefreiung nicht geänderten— LStR zu der Berechnung der Arbeitnehmerjubiläen; dort wird ebenfalls auf eine Verbindung der Arbeitgeber entweder durch Organschaft oder in anderer enger Weise abgestellt. Diese Beurteilung ist auch für Geschäftsjubiläen sachgerecht.
b) Der in § 3 Nr. 52 EStG neben den sozialen Gründen genannte Zweck „zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens„ rechtfertigt es ebenfalls nicht, vorliegend ein einheitliches Geschäftsjubiläum von der Begünstigung auszuschließen. Denn diese Alternative ist —entgegen der Auffassung des FG— nicht Ermächtigungsgrundlage für die Steuerbefreiung der Jubiläumszuwendungen in § 3 LStDV 1990. Dies ergibt sich aus der Entwicklung der Vorschrift.
Die Ermächtigungsgrundlage für die bereits zuvor in die LStDV aufgenommene Steuerbefreiung der Jubiläumszuwendungen (ursprünglich als § 5 Abs. 1 Nr. 2 der LStDV vom , RStBl 1934, 1489) wurde durch das Einkommensteuer- und Körperschaftsteueränderungsgesetz vom (BGBl I, 95) in das EStG als § 3 Nr. 14 eingefügt. Der weitere Zweck „zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens„ kam erst später hinzu (§ 3 Nr. 52 i.d.F. des Steueränderungsgesetzes vom , BGBl I, 473). Nach der Gesetzesbegründung sollte es dadurch ermöglicht werden, eine größere Anzahl von nur die Arbeitnehmer betreffenden Steuerbefreiungen und Begünstigungen in der LStDV zu regeln (vgl. BTDrucks 3/448 S. 9). Ermächtigungsgrundlage für § 3 LStDV 1990 ist demgemäß die erste Alternative des § 3 Nr. 52 EStG; von der Möglichkeit einer auf die Vereinfachungsbefreiung gestützten Rechtsverordnung hat der Verordnungsgeber keinen Gebrauch gemacht (vgl. Wünsch in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 3 Nr. 52 EStG Anm. 4). Diese Regelung kann daher zur Auslegung des § 3 LStDV auch nicht herangezogen werden.
c) Auch die vom FA befürchteten Abgrenzungsschwierigkeiten dürften bei Geschäftsjubiläen einer ganzen Firmengruppe —die nur nach jeweils 25 Jahren und nur unter der Voraussetzung einheitlichen Verfahrens bei allen Geschäftsjubiläen (§ 3 Abs. 2 Satz 2 LStDV 1990) begünstigt waren— weit seltener auftreten als in den in Abschn. 23 Abs. 3 Nr. 2 LStR 1990 bis 1999 geregelten Fällen, in denen es um Dienstjubiläen einzelner Arbeitnehmer geht. Hinzu kommt, dass die Steuerbefreiung mit Wirkung ab dem Jahr 2000 aufgehoben wurde, so dass neue Problemfälle nicht mehr auftreten können. Abgrenzungsprobleme rechtfertigen daher eine andere Entscheidung nicht. Im Übrigen hat eine einheitliche Beurteilung für eine Unternehmensgruppe tendenziell eher vereinfachende Wirkung.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 618
BFH/NV 2004 S. 618 Nr. 5
ZAAAB-16826