Aufwendungen einer Gemeindediakonin für eine Nachqualifikationsmaßnahme als vorab entstandene WK
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
Streitig ist, ob bei der Zusammenveranlagung der Kläger und Revisionskläger (Kläger) zur Einkommensteuer 1999 Aufwendungen für eine Nachqualifikationsmaßnahme als vorab entstandene Werbungskosten anzuerkennen sind.
Die 1962 geborene Klägerin wurde nach ihrer Schulausbildung im mittleren Verwaltungsdienst bei einem Regierungspräsidium ausgebildet. Anschließend nahm sie eine weitere Ausbildung an einer kirchlichen Ausbildungsstätte für Diakonie und Religionspädagogik auf, um als Gemeindediakonin tätig zu sein. Nach einem Grundstudium von vier Semestern und einem weiteren Jahr erhielt sie 1985 die staatliche Anerkennung als Erzieherin, Fachrichtung Jugend- und Heimerziehung. Daraufhin absolvierte sie ein viersemestriges Hauptstudium. Dieses Studium schloss sie 1987 mit der ersten Dienstprüfung einer Landeskirche im Fachbereich Gemeindediakonie ab. Nach einer berufsbegleitenden Aufbauausbildung legte sie im November 1990 die zweite Dienstprüfung ab, wodurch ein dem Fachhochschulabschluss (Fachbereich III) innerkirchlich vergleichbarer Ausbildungsabschluss erreicht wurde.
Nach Jahren der Berufstätigkeit befand sich die Klägerin wegen der in den Jahren 1993, 1995 und 1996 geborenen Kinder bis Ende Dezember des Streitjahres 1999 im Erziehungsurlaub. Im Jahr 2000 meldete sie sich arbeitslos bzw. arbeitssuchend.
Im Streitjahr hatte die Klägerin mit der Nachqualifikation zur staatlich anerkannten Sozialpädagogin begonnen. Die Möglichkeit der Nachqualifikation stand nunmehr auch Diakoninnen und Diakonen offen. Hintergrund war u.a., dass die Kirchliche Ausbildungsstätte erstmals die Erlaubnis erhalten hatte, neben dem kirchlichen auch einen staatlich anerkannten Fachhochschulabschluss anzubieten. Die Nachqualifikationsmaßnahme gliederte sich in sechs Kurswochen, die nach dem Lehrgangsplan im Oktober 1999, im Januar, Mai und Oktober 2000 sowie Januar und Mai 2001 stattfanden. Die Klägerin nahm hieran erfolgreich teil. Damit absolvierte sie eine dem Fachhochschulstudium im Studiengang Sozialpädagogik gleichwertige Ausbildung. Im November 2000 hatte sie sich bei einer kirchlichen Einrichtung vergeblich auf eine Vollzeitstelle als Sozialpädagogin beworben.
In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1999 machten die Kläger Aufwendungen der Ehefrau bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit als vorab entstandene Werbungskosten geltend, und zwar „Fortbildungskosten„ (3 116 DM, u.a. Lehrgangsgebühren, Aufwendungen für Fahrten zur Fachhochschule, Verpflegungsmehraufwendungen), Kosten für ein Arbeitszimmer (9 136 DM) und Telefonkosten (264 DM). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) sah die Aufwendungen als Berufsausbildungskosten i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) an und ließ diese lediglich mit dem Höchstbetrag von 2 400 DM als Sonderausgaben zum Abzug zu. Der hiergegen erhobene Einspruch blieb ohne Erfolg.
Mit der Klage vertraten die Kläger die Ansicht, die Aufwendungen für die Nachqualifikation der Klägerin seien in vollem Umfang als vorab entstandene Werbungskosten anzuerkennen. Hiermit sei nur eine höhere Qualifikation im bereits ausgeübten Beruf verbunden. Neben der Tätigkeit als Gemeindediakonin im kirchlichen Bereich könne sich die Klägerin nunmehr auch als Sozialpädagogin auf außerkirchliche Stellen bewerben. Angesichts erhöhter Vermittlungschancen werde ihre berufliche und wirtschaftliche Situation verbessert. Da sie —die Klägerin— aber zur Zeit drei Kinder erziehe, könne sie nur eine Teilzeitbeschäftigung annehmen.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung ab, bei den Aufwendungen für die Nachqualifikation handele es sich lediglich um Berufsausbildungskosten i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Die Klägerin habe erstmals einen staatlich anerkannten Fachhochschulabschluss erlangt, mit dem ihr der gesamte öffentliche und privatwirtschaftliche Arbeitsmarkt offen stehe. Zudem strebe sie einen Tätigkeitswechsel an, weil sie sich um eine Anstellung außerhalb des kirchlichen Dienstes bemühe.
Mit der vom FG zugelassenen Revision führen die Kläger aus, die Bildungsaufwendungen seien nicht nur nach der Rechtsprechungsänderung, sondern auch nach der seinerzeitigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) als Werbungskosten zu qualifizieren gewesen. Die Klägerin habe schon vor der Nachqualifikation eine abgeschlossene Berufsausbildung, u.a. als staatlich anerkannte Erzieherin, Fachrichtung Jugend- und Heimerziehung, erworben. Auf den bereits vorhandenen Kenntnissen habe die Nachqualifikationsmaßnahme aufgebaut, zumal diese nur sechs Kurswochen gedauert habe und der von ihr zurückgelegte Berufsweg Teilnahmevoraussetzung gewesen sei.
Die Kläger beantragen, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Einkommensteuer für 1999 herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Es ist der Ansicht, es lägen keine Werbungskosten vor, weil ein hinreichend konkreter Zusammenhang mit steuerpflichtigen Einnahmen fehle.
Die Revision der Kläger ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
Aufwendungen für eine Bildungsmaßnahme können, sofern sie beruflich veranlasst sind, Werbungskosten sein. Liegt ein erwerbsbezogener Veranlassungszusammenhang vor, kommt es für die steuerliche Berücksichtigung der Aufwendungen nicht darauf an, ob ein neuer, ein anderer oder ein erstmaliger Beruf ausgeübt werden soll. Zur Begründung im Einzelnen wird auf die Urteile vom VI R 120/01 (BFHE 201, 156, BStBl II 2003, 403, zur Umschulung), vom VI R 137/01 (BFHE 201, 211, BStBl II 2003, 407, zum berufsbegleitenden Erststudium) und vom VI R 33/01 (BFHE 202, 314, BFH/NV 2003, 1119, zur erstmaligen Berufsausbildung) verwiesen. Diese Grundsätze gelten auch für Aufwendungen einer Steuerpflichtigen, die sich noch im Erziehungsurlaub befindet (, BFHE 202, 561, BFH/NV 2003, 1380).
Im Streitfall ergibt sich aus dem vom FG festgestellten Sachverhalt, dass die Aufwendungen der Klägerin für die Nachqualifikationsmaßnahme dem Grunde nach beruflich veranlasst sind. Die Maßnahme bereitete die Klägerin konkret und gezielt auf eine Tätigkeit als staatlich anerkannte Sozialpädagogin vor. Da diese Zusatzqualifikation auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet war, sind hiermit im Zusammenhang stehende Aufwendungen dem Grunde nach als vorab entstandene Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehbar. Angesichts der Art der Qualifizierungsmaßnahmen ändert hieran auch nichts, wenn die Klägerin —etwa wegen der Betreuung ihrer Kinder— Erwerbseinnahmen noch nicht in unmittelbarem Anschluss an den Lehrgangsabschluss anstrebt.
Die Sache ist jedoch nicht spruchreif. Da das FG —von seinem Standpunkt aus zu Recht— zu den einzelnen von den Klägern geltend gemachten Aufwendungen keine Feststellungen getroffen hat, war die Sache an das FG zurückzuweisen. Im zweiten Rechtsgang werden die Grundsätze der Urteile vom VI R 86/99 (BFHE 202, 299, BStBl II 2003, 749) und in BFHE 202, 561, BFH/NV 2003, 1380 zu beachten sein.
Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 483
BFH/NV 2004 S. 483 Nr. 4
DStRE 2004 S. 1001 Nr. 17
DAAAB-16586