BFH Beschluss v. - VII B 127/03

Begr. eines Antrags auf Wiedereinsetzung bei Verlust eines Schriftsatzes bei der Postbeförderung

Gesetze: FGO § 56

Instanzenzug:

Gründe

I. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) wegen Haftung für Steuerschulden abgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen. Das Urteil wurde dem damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin am zugestellt.

Mit Schriftsatz vom beantragten die gegenwärtigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde bis zum zu verlängern. Nachdem die Geschäftsstelle des erkennenden Senats mit Schreiben vom die Prozessbevollmächtigten der Klägerin darauf hingewiesen hatte, dass dem Bundesfinanzhof (BFH) eine Beschwerde in der von ihnen bezeichneten Sache nicht vorliege, stellten diese mit Schriftsatz vom —eingegangen beim BFH am darauffolgenden Tage— Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und legten zugleich Nichtzulassungsbeschwerde gegen das FG-Urteil ein.

Wegen der Versäumung der Beschwerdefrist machen die Prozessbevollmächtigten der Klägerin geltend: Der ehemalige Prozessbevollmächtigte habe mit Schriftsatz vom Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH eingelegt. Wie dem Postausgangsbuch des ehemaligen Prozessbevollmächtigten zu entnehmen sei, sei der Schriftsatz am auch an den BFH nach München versandt worden. Offensichtlich sei die Nichtzulassungsbeschwerde auf dem Postweg zum BFH verloren gegangen. Da der ehemalige Prozessbevollmächtigte den Schriftsatz rechtzeitig in den Postlauf gebracht habe, treffe die Klägerin kein Verschulden. Zur Glaubhaftmachung des geschilderten Geschehensablaufs legten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin ihrem Schreiben vom eine Kopie des Schriftsatzes vom und einen Auszug aus dem Postausgangsbuch des ehemaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin in Fotokopie bei.

II. Die Beschwerde ist unzulässig.

1. a) Nach § 116 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Nichtzulassungsbeschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim BFH einzulegen. Im Streitfall ist diese Frist für das am zugestellte Urteil des FG am abgelaufen (§ 54 FGO, § 222 Abs. 1 der ZivilprozessordnungZPO—, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 und 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Die erst am beim BFH eingegangene Beschwerde der Klägerin war mithin verspätet.

b) Die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 FGO wegen der Versäumung der Beschwerdeeinlegungsfrist kann der Klägerin nicht gewährt werden.

aa) Eine solche Wiedereinsetzung ist auf Antrag zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden an der Einhaltung einer gesetzlichen Frist gehindert war (§ 56 Abs. 1 FGO). Dies setzt in formeller Hinsicht voraus, dass innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses die versäumte Rechtshandlung nachgeholt und diejenigen Tatsachen vorgetragen und im Verfahren über den Antrag durch präsente Beweismittel glaubhaft gemacht werden, aus denen sich die schuldlose Verhinderung ergeben soll. Die Tatsachen, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen können, sind innerhalb dieser Frist vollständig, substantiiert und in sich schlüssig darzulegen (vgl. § 56 Abs. 2 FGO, ständige Rechtsprechung, s. z.B. , BFHE 144, 1, BStBl II 1985, 586; BFH-Beschlüsse vom X R 102/98, BFH/NV 1999, 1221, und vom VI R 60/90, BFH/NV 1993, 616, m.w.N.). Nach der Rechtsprechung des BFH schließt jedes Verschulden —also auch eine einfache Fahrlässigkeit— die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus (Senatsbeschluss vom VII R 113/97, BFH/NV 1998, 709). Der Beteiligte muss sich ein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO).

bb) Die Klägerin macht geltend, mit Schriftsatz vom sei vom ehemaligen Prozessbevollmächtigten Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt worden. Dieses Schriftstück sei am selben Tage an den BFH abgesandt worden. Bei Berufung auf den Verlust eines Schriftsatzes bei der Postbeförderung, wie er hier vorgetragen wird, sind die Tatsachen, aus denen sich die rechtzeitige Absendung bzw. Aufgabe zur Post ergibt, detailliert anzugeben. Dazu gehört nicht nur die Bezeichnung der Versendungsart, sondern auch die Darlegung, zu welchem Zeitpunkt (Tag und Uhrzeit) der Briefumschlag mit dem betreffenden Schriftsatz von welcher Person und auf welche Weise (Abgabe beim Postamt oder Einwurf in einen bestimmten Postbriefkasten) zur Post aufgegeben worden ist (ständige Rechtsprechung, s. z.B. , BFH/NV 1997, 120, und Senatsbeschluss vom VII B 134/94, BFH/NV 1995, 704; vgl. auch Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 56 Rz. 36, m.w.N.). Bei Prozessbevollmächtigten ist außerdem die Schilderung der Fristenkontrolle sowie der Postausgangskontrolle nach Art und Umfang erforderlich (, BFH/NV 1998, 1231). Diese Angaben sind glaubhaft zu machen, was gemäß § 155 FGO i.V.m. § 294 Abs. 1 ZPO durch eine eidesstattliche Erklärung derjenigen Person, die den Brief aufgegeben hat, geschehen kann.

Diesen Begründungsanforderungen wird der Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin nicht gerecht. Er enthält ohne Angabe der damit verbundenen näheren Umstände lediglich die Behauptung, die Beschwerdeschrift sei am zur Post aufgegeben worden. Zur Glaubhaftmachung hierfür wird dem Wiedereinsetzungsantrag ein Auszug aus dem Postausgangsbuch des ehemaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin beigefügt. Die bloße Vorlage der Kopie des Postausgangsbuchs reicht indessen nicht aus (vgl. BFH-Beschlüsse vom VIII B 75/02, BFH/NV 2003, 60; vom VII B 246/02, BFH/NV 2003, 1206, und in BFH/NV 1997, 120), denn daraus ergeben sich keine näheren Umstände über das Absenden der Beschwerdeschrift. Auch lässt die Begründung nicht erkennen, welche Person zu welchem Zeitpunkt und auf welche Weise den Schriftsatz vom auf den Postweg gebracht hat.

2. Die Beschwerde wäre auch deshalb unzulässig, weil sie den formellen Anforderungen an die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO nicht entspricht. Die Beschwerdebegründungsschrift enthält im Wesentlichen Einwendungen gegen die tatsächliche und rechtliche Würdigung des FG, die die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 FGO nicht rechtfertigen können. Soweit die Klägerin geltend macht, die Rechtssache sei von grundsätzlicher Bedeutung, ist ein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO nicht hinreichend dargelegt worden. Es fehlt schon an der Formulierung einer abstrakten Rechtsfrage. Außerdem mangelt es der Beschwerdebegründung an substantiierten Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage (vgl. zu den Anforderungen an die Darlegung des Zulassungsgrundes i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO: z.B. Senatsbeschluss vom VII B 178/02, BFH/NV 2003, 214, m.w.N.; s. auch Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz. 32, m.w.N.).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 655
BFH/NV 2004 S. 655 Nr. 5
WAAAB-16318