§ 350 AO Rechtsschutzbedürfnis [1]
Zur Behandlung von Einsprüchen gegen gem. § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO vorläufige Steuerbescheide gilt Folgendes:
Wird mit dem Einspruch ausschließlich die angebliche Verfassungswidrigkeit einer Rechtsnorm gerügt, fehlt grundsätzlich das Rechtsschutzbedürfnis, wenn die Finanzbehörde den angefochtenen Verwaltungsakt spätestens im Einspruchsverfahren hinsichtlich des strittigen Punktes für vorläufig erklärt hat. [2]
Ein Rechtsschutzbedürfnis für einen Einspruch kann nur dann bejaht werden, wenn
der Einspruchsführer zu erkennen gibt, dass er vor Abschluss des Musterverfahrens seinen Fall an das Bundesverfassungsgericht herantragen will, [3]
ausnahmsweise eine Aussetzung der Vollziehung in Betracht kommt oder
ein Steuerpflichtiger davon ausgeht, dass seine Steuerfestsetzung durch den Vorläufigkeitsvermerk nicht „offen gehalten„ wird [4] .
Falls der Steuerpflichtige auf einer Einspruchsentscheidung besteht, kann hierfür folgendes Muster verwendet werden:
„Gründe
Der Einspruchsführer (Ef) wurde mit Bescheid vom <DATUM> zur <STEUERART> steuer für das Jahr <> veranlagt. Der Bescheid erging im Hinblick auf strittige verfassungsrechtliche Fragen gemäß § 165 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) teilweise vorläufig hinsichtlich <STREITFRAGE>.
Im Bescheid wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Änderungen dieser Regelungen von Amts wegen berücksichtigt werden.
Mit Schreiben vom <DATUM>, beim Finanzamt eingegangen am <DATUM>, wendet sich der Ef unter Hinweis auf die verfassungsrechtlichen Fragen gegen die vorläufige Steuerfestsetzung.
Bezüglich der Einzelheiten wird auf das Einspruchsschreiben verwiesen.
Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.
Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig. Er ist weiterhin vorläufig aus den mitgeteilten Gründen.
Gemäß Artikel 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) ist die Verwaltung an Recht und Gesetz gebunden, insbesondere soweit die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Rechtsnorm durch das Bundesverfassungsgericht nicht für verfassungswidrig erklärt worden ist (vgl. Artikel 93 Abs. 1 bzw. 100 Abs. 1 GG i.V.m. § 13 Nr. 11 und §§ 80 bis 82 bzw. 90, 93a bis 95 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes).
Die Festsetzung der <STEUERART> steuer, speziell <STREITFRAGE> richtet sich nach § <> des <STEUERART> steuergesetzes in der Fassung vom <DATUM>. Diese Vorschrift beinhaltet <>. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens wurde der Bescheid aus materiellrechtlicher Sicht überprüft. Dabei wurde festgestellt, dass die Festsetzung der anzuwendenden Fassung des <STEUERART> steuergesetzes entspricht.
Da im vorliegenden Sachverhalt die Voraussetzungen des § 165 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AO erfüllt sind, war die Aufnahme des Vorläufigkeitsvermerks in den Bescheid gerechtfertigt.
Eine Steuer kann gemäß § 165 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AO teilweise vorläufig festgesetzt werden, wenn die Vereinbarkeit eines Steuergesetzes, in diesem Fall § <>, mit höherrangigem Recht – wie dem Grundgesetz – Gegenstand eines Verfahrens beim Bundesverfassungsgericht ist. Im vorliegenden Fall ist die Verfassungsbeschwerde/das Normenkontrollverfahren mit dem Az. <> beim Bundesverfassungsgericht anhängig.
Dem Begehren des Ef, im Fall einer für ihn positiven Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in den Genuss einer sich daran ggf. anschließenden gesetzlichen Neuregelung zu kommen, wurde in vollem Umfang Rechnung getragen.
Sobald das Bundesverfassungsgericht im Musterverfahren eine Entscheidung getroffen hat, wird überprüft, welche Auswirkungen sich für den angefochtenen Bescheid ergeben. Auf eine für den Ef günstige Entscheidung hin wird die Steuerfestsetzung nach § 165 Abs. 2 AO geändert.„
OFD Hannover
v. - S 0619
– 19 – StO 321; S 0619
– 26 – StH 461
Fundstelle(n):
NAAAB-15135