Voraussetzungen für das Kindergeld i. S. des § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG
Leitsatz
Kindergeld i.S. des § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG umfasst auch nach ausländischem Recht gezahlte kindergeldähnliche Leistungen.
Gesetze: BGB § 1601BGB § 1603 Abs. 2 Satz 3BGB § 1606 Abs. 2BGB § 1607 Abs. 1EStG 1997 § 31 Satz 6EStG 1997 § 33a Abs. 1 Satz 1 und 3EStG 1997 § 65
Instanzenzug: (EFG 2003, 465) (Verfahrensverlauf), , , , BVerfG 2 BvR 255/04
Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist rechtskräftig
Gründe
I.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) unterstützte im Streitjahr 1997 seine beiden Enkelkinder, die in Großbritannien bei Tochter und Schwiegersohn leben, durch Übernahme von Aufwendungen für den Schulbesuch. Für den am geborenen D zahlte er insgesamt 4 685 englische Pfund, für den am geborenen P 2 670 englische Pfund. Hinzu kamen noch 1 565 englische Pfund für Anmeldegebühren, Kosten für Sonderkurse und Schuluniformen.
In seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 1997 machte der Kläger diese Beträge in Höhe von insgesamt 21 329 DM vergeblich als außergewöhnliche Belastung nach § 33a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend. In der Einspruchsentscheidung führte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) aus, die Gleichstellung von Kindergeld und kindergeldähnlichen Leistungen in § 65 Abs. 1 Satz 2 EStG gelte allgemein und damit auch für die Ausschlussklausel des § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG.
Die Klage hiergegen hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) war der Auffassung, ein Abzug der Aufwendungen scheitere im Streitfall schon an § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG. Der Schwiegersohn bzw. die Tochter des Klägers hätten nämlich Anspruch auf Kindergeld im Sinne dieser Vorschrift; hierzu zählten auch die Ansprüche auf kindergeldähnliche Leistungen in Großbritannien. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2003, 465 veröffentlicht.
Mit seiner Revision macht der Kläger die Verletzung materiellen Rechts geltend (§ 33a Abs. 1 EStG).
Der Kläger beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Einkommensteuer für das Jahr 1997 dahin gehend zu ändern, dass Aufwendungen für die Berufsausbildung seiner Enkel in Höhe von 12 000 DM und 9 350 DM als außergewöhnliche Belastungen nach § 33a Abs. 1 EStG anerkannt werden.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
Das FG hat zu Recht die Schulgeldzahlungen für die Enkel nicht als außergewöhnliche Belastungen nach § 33a Abs. 1 EStG berücksichtigt. Der Abzug der Aufwendungen scheitert schon daran, dass die Tochter und der Schwiegersohn des Klägers Anspruch auf Kindergeld im Sinne dieser Vorschrift hatten.
1. Nach § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung wird die Einkommensteuer auf Antrag des Steuerpflichtigen dadurch ermäßigt, dass Aufwendungen für den Unterhalt oder eine etwaige Berufsausbildung einer dem Steuerpflichtigen oder seinem Ehegatten gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Person bis zu 12 000 DM im Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Nach § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG ist Voraussetzung, dass weder der Steuerpflichtige noch eine andere Person Anspruch auf einen Kinderfreibetrag oder auf Kindergeld für die unterhaltene Person hat und die unterhaltene Person kein oder nur geringes Vermögen besitzt.
§ 33a Abs. 1 EStG ist durch das Jahressteuergesetz 1996 (JStG 1996) geändert worden. Abziehbar sind nach der Neufassung —von den Fällen des § 33a Abs. 1 Satz 2 EStG abgesehen— nur noch Unterhaltsleistungen an gesetzlich unterhaltsberechtigte Personen. Grundsätzlich sind Großeltern ihren Enkeln gegenüber zivilrechtlich zum Unterhalt verpflichtet (§ 1601 des Bürgerlichen Gesetzbuchs —BGB—), wenn die Eltern nicht über ausreichende Einkünfte oder Vermögen verfügen, den Unterhalt der Enkel selbst zu gewährleisten (§§ 1603 Abs. 2 Satz 3, 1607 Abs. 1 BGB); denn unter den Verwandten der aufsteigenden Linie haften die näheren vor den entfernteren (§ 1606 Abs. 2 BGB).
§ 33a Abs. 1 EStG will wie seine Vorgängervorschriften die wirtschaftlichen Belastungen, die durch den Unterhalt und die Berufsausbildung von Kindern und anderen gesetzlich unterhaltsberechtigten Personen erwachsen, berücksichtigen (Bundesfinanzhof —BFH—, Urteile vom III R 47/00, BFHE 197, 233, BStBl II 2002, 195; vom III R 41/01, BFHE 201, 192, BStBl II 2003, 655). Das Gesetz geht dabei typisierend davon aus, dass das Existenzminimum des Unterhaltsempfängers bereits sichergestellt ist und die Unterhaltsaufwendungen damit nicht zwangsläufig anfallen, wenn dem Steuerpflichtigen oder einer anderen Person für den Unterhaltsempfänger ein Kinderfreibetrag oder Kindergeld zusteht.
Diese Vermutung des Gesetzes greift grundsätzlich auch bei Unterhaltsempfängern, für die im Ausland ansässige Personen eine dem inländischen Kindergeld nach Art und Höhe vergleichbare Familienbeihilfe erhalten. Die gegenteilige Auffassung führte zu einer nicht gerechtfertigten Privilegierung von Unterhaltsleistungen an Enkelkinder mit Wohnsitz bei ihren Eltern im Ausland. Während Unterhaltsleistungen für Enkel, die bei ihren Eltern im Inland wohnen, nicht abziehbar sind, da den Eltern bereits ein Anspruch auf einen Kinderfreibetrag oder auf Kindergeld i.S. der §§ 62 ff. EStG zusteht, wären Unterhaltsleistungen an Enkel, die zusammen mit ihren Eltern im Ausland wohnen, begünstigt, und zwar auch dann, wenn für das Kind von dem Wohnsitzstaat eine dem deutschen Kindgeld entsprechende Leistung gewährt würde. Eine unterschiedliche steuerrechtliche Behandlung beider Sachverhalte wäre sachlich nicht gerechtfertigt und entspräche auch nicht dem Zweck des Gesetzes.
Aus der Regelung zum Familienleistungsausgleich ist ersichtlich, dass das Existenzminimum minderjähriger Kinder grundsätzlich abschließend durch Kinderfreibetrag und Kindergeld steuerlich berücksichtigt werden soll. § 33a Abs. 1 EStG gilt nur subsidiär. Jedoch werden auch Kindergeld und Kinderfreibetrag nur gewährt, wenn nicht bereits kindergeldähnliche Leistungen bezogen werden. Dabei stellt das Gesetz nicht darauf ab, ob der notwendige Unterhalt zu Lasten des deutschen Fiskus, sondern dass er überhaupt —etwa durch eine nach ausländischem Recht gewährte Familienbeihilfe— berücksichtigt wird. So folgt sowohl aus § 31 Satz 6 EStG i.d.F. für das Streitjahr 1997 als auch aus § 65 EStG, dass Kinderfreibetrag und Kindergeld gemindert werden oder gänzlich entfallen, wenn kindergeldähnliche Leistungen nach ausländischem Recht für dieses Kind bezogen werden. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll demnach zwar —wie verfassungsrechtlich geboten— der notwendige Unterhalt von gesetzlich unterhaltsberechtigten Personen entweder steuermindernd durch Abzug nach § 33a Abs. 1 EStG oder Kinderfreibetrag oder durch Zahlung von Kindergeld berücksichtigt werden, aber nur dann, wenn nicht bereits kindergeldähnliche Leistungen bezogen werden (vgl. , BFH/NV 1997, 282).
Der Wortlaut des § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG steht dieser Auslegung nicht entgegen. Er ist nicht eindeutig. Er lässt die Deutung zu, dass unter den Begriff des Kindergeldes nicht nur Kindergeld i.S. des § 62 EStG ff., sondern auch kindergeldähnliche Leistungen fallen. Das Einkommensteuergesetz verwendet den Begriff des Kindergeldes an anderer Stelle in einem auch kindergeldähnliche Leistungen umfassenden Sinne. So regelt § 31 Satz 6 EStG i.d.F. für das Streitjahr 1997, inwieweit nach ausländischem Recht gezahltes „Kindergeld„ auf den Kinderfreibetrag angerechnet wird. Ebenso ist in § 62 Abs. 1 EStG von einem Anspruch auf Kindergeld „nach diesem Gesetz„ die Rede. Hieraus folgt, wie vom FA zutreffend hervorgehoben, dass der Gesetzgeber den Begriff „Kindergeld„ in einem Familienbeihilfen nach ausländischem Recht umfassenden Sinn versteht. Dieser Gedanke liegt schließlich auch der Regelung in § 65 Abs. 1 Satz 2 EStG zugrunde.
Durch § 33a Abs. 1 EStG werden auch Berufsausbildungskosten abgegolten. Daher ist unerheblich, dass es sich bei den Zahlungen des Klägers um Berufsausbildungskosten der Enkelkinder handelt.
2. Die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 (VO Nr. 1408/71) des Rates vom zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (i.d.F. der Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom , Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 28 vom , zuletzt geändert am ) hindert diese Auslegung nicht. Diese Verordnung regelt, nach den Vorschriften welchen Mitgliedstaates ein Arbeitnehmer, Selbständiger oder Beamter Anspruch auf Sozialleistungen hat. Sie will eine Kumulation von Ansprüchen auf Sozialleistungen in unterschiedlichen EG-Staaten vermeiden, zugleich aber sicherstellen, dass Arbeitnehmer oder Selbständige, die in unterschiedlichen Staaten ansässig sind und arbeiten, Ansprüche auf Sozialleistungen nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaates haben.
§ 33a Abs. 1 EStG regelt hingegen, unter welchen Voraussetzungen Steuerpflichtige Unterhaltsleistungen an gesetzlich unterhaltsberechtigte Personen abziehen können. Wie der Kläger selbst vorträgt, handelt es sich bei dem nach englischem Recht zu zahlenden Kindergeld in gleicher Weise um eine Familienleistung i.S. des Art. 4 Abs. 1 Buchst. h VO Nr. 1408/71 wie das deutsche Kindergeld. Wegen des vergleichbaren Charakters des englischen und des deutschen Kindergeldes ist die Gleichsetzung inländischen und ausländischen Kindergeldes in § 33a Abs. 1 EStG nicht nur möglich, sondern unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung sogar geboten. Es ließe sich nicht rechtfertigen, Unterhaltsleistungen für Kinder, deren Eltern Kindergeld erhalten, vom Abzug auszuschließen, dagegen Unterhaltszahlungen an Kinder, deren Eltern nach ausländischem Recht eine vergleichbare Leistung erhalten, zum Abzug zuzulassen.
Entgegen der Auffassung des Klägers lässt sich aus Art. 6 VO Nr. 1408/71 nicht herleiten, dass unter den Begriff „Kindergeld„ in § 33a Abs. 1 EStG nur Familienleistungen nach deutschem Recht fallen. Darin wird lediglich bestimmt, dass die Verordnung für den von ihr erfassten Personenkreis an die Stelle anderer Abkommen tritt.
3. Da die Tochter und der Schwiegersohn —zwischen den Beteiligten unstreitig— in Großbritannien Anspruch auf kindergeldähnliche Leistungen hatten und diese auch bezogen haben, hat das FG zu Recht die Schulgeldzahlungen nicht berücksichtigt.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
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Fundstelle(n):
BStBl 2004 II Seite 275
BB 2004 S. 260 Nr. 5
BFH/NV 2004 S. 410
BFH/NV 2004 S. 410 Nr. 3
BStBl II 2004 S. 275 Nr. 7
DB 2004 S. 412 Nr. 8
DStRE 2004 S. 254 Nr. 5
FR 2004 S. 298 Nr. 5
INF 2004 S. 170 Nr. 5
KÖSDI 2004 S. 14052 Nr. 2
NWB-Eilnachricht Nr. 48/2005 S. 4063
WAAAB-14912