BFH Beschluss v. - VII B 353/02

Haftung des Geschäftsführers trotz interner Zuständigkeitsvereinbarung

Gesetze: AO §§ 34, 69

Instanzenzug:

Gründe

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist einer von zwei Geschäftsführern einer zahlungsunfähig gewordenen GmbH, für deren Schulden er vom Beklagten und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) als Haftungsschuldner neben dem Mitgeschäftsführer in Anspruch genommen worden ist. Die deswegen erhobene Klage ist ohne Erfolg geblieben. Das Finanzgericht (FG) urteilte, die Haftungsvoraussetzungen lägen vor. Der Kläger habe insbesondere auch grob fahrlässig gehandelt. Zwar könnten interne Zuständigkeitsregelungen in der Geschäftsleitung, für die er eine schriftliche Geschäftsordnung nicht vorgelegt habe und die wohl auch nicht vorhanden gewesen sei, die haftungsrechtliche Verantwortung eines Geschäftsführers beschränken; sie könnten ihn aber nicht völlig aus der Verantwortung für die Gesellschaft entlassen, sondern er müsse sich zumindest stichprobenartig davon überzeugen, dass der andere Geschäftsführer die ihm zugewiesenen Aufgaben erledige. Der Kläger habe indes von Mai 1997 bis August 2000 sich von der Erledigung der dem anderen Geschäftsführer angeblich übertragenen Aufgaben nicht einmal ansatzweise, z.B. durch Vorlage der Steuerbescheide für die Gesellschaft, überzeugt.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die Beschwerde des Klägers, welche der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimisst.

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—) hat.

Der Kläger sieht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache in der Frage, ob ein Geschäftsführer grob fahrlässig handelt, wenn nach interner Vereinbarung für den kaufmännischen Bereich ein anderer Geschäftsführer zuständig und dieser im Besitz sämtlicher Geschäftsunterlagen ist und sich jener von der Erledigung der diesem übertragenen Aufgaben nicht überzeugt, solange die wirtschaftliche Lage des Unternehmens oder die Person des handelnden Geschäftsführers dazu (gemeint: keinen) Anlass geben; ferner wann ein derartiger Anlass anzunehmen ist und inwieweit eine Verpflichtung des Geschäftsführers besteht, nach derartigen Anlässen selbst überhaupt zu forschen.

Diese Fragen sind indes in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht klärungsfähig, da die Revision nach § 126 Abs. 4 FGO schon deshalb zurückgewiesen werden müsste, weil das Urteil des FG jedenfalls im Ergebnis richtig ist, nachdem eine schriftliche Vereinbarung über die Verteilung der Aufgaben innerhalb der Geschäftsführung der GmbH, für deren Schulden der Kläger in Anspruch genommen wird, nicht vorgelegen hat. Dies ist jedoch nach ständiger Rechtsprechung des beschließenden Senats grundlegende Voraussetzung dafür, dass ein Geschäftsführer von der umfassenden Sorge für die ordnungsgemäße Erfüllung der steuerlichen Pflichten der Gesellschaft, die ihm § 34 der Abgabenordnung (AO 1977) auferlegt, (teilweise) entlastet wird (vgl. z.B. , BFHE 141, 443, BStBl II 1984, 776, und vom VII R 90/85, BFH/NV 1989, 4). Nicht klärungsfähig sind die von der Beschwerde formulierten Rechtsfragen aber auch deshalb, weil sie im Kern nicht rechtsgrundsätzlicher Natur sind, sondern sich nur anhand der —in erster Linie dem Tatrichter obliegenden— umfassenden Abwägung der konkreten Umstände des einzelnen Falles beantworten lassen. Jedenfalls muss die Beschwerde insoweit daran scheitern, dass die Frage, ob ein nicht mit den kaufmännischen, insbesondere den steuerlichen Angelegenheiten der Gesellschaft betrauter Geschäftsführer sich von dem pflichtgemäßen Verhalten des Mitgeschäftsführers, dem diese Aufgaben übertragen sind, überzeugen muss, in der Rechtsprechung des beschließenden Senats im bejahenden Sinne geklärt ist (siehe z.B. , BFHE 186, 132, BStBl II 1998, 761), und dass der Senat auch zu der weiteren Frage, wie weit diese Verpflichtung reicht, in zahlreichen Entscheidungen Rechtsgrundsätze aufgestellt hat, soweit sich die Frage nach der Reichweite dieser Verpflichtung überhaupt rechtsgrundsätzlich klären lässt. Mit den vorgenannten, ganz allgemein gehaltenen Fragen nach dem Umfang der Überwachungspflichten eines Mitgeschäftsführers wird jedenfalls nicht in einer § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechenden Weise eine konkrete Rechtsfrage formuliert, die der (rechtsgrundsätzlichen) Beantwortung in einem Revisionsverfahren zugänglich wäre.

Soweit im Übrigen die Beschwerde sinngemäß den Kläger von der Haftung deshalb freigestellt wissen will, weil er nicht über ausreichende Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt habe, um die ordnungsgemäße Erledigung der steuerlichen Angelegenheiten durch den Mitgeschäftsführer der GmbH wirkungsvoll zu überprüfen, ergibt sich aus diesem Vorbringen, das in Wahrheit nicht auf das Fehlen einer Pflichtverletzung seitens des Klägers, sondern ausschließlich auf die subjektive Seite des Haftungstatbestandes, nämlich den angeblichen Mangel eines die Haftung des Klägers auslösenden Verschuldens zielt, schon deshalb kein Einwand gegen die Richtigkeit des angegriffenen Urteils und erst recht kein Grund, der zur Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 FGO führen könnte, weil die Beschwerde insoweit übersieht, dass, wer zur Erfüllung der Aufgaben eines Geschäftsführers nicht in der Lage ist bzw. die auch einem Mitgeschäftsführer immer obliegende Mitverantwortung für die Gesellschaft nicht meint tragen zu können, nach der Rechtsprechung des beschließenden Senats das Amt eines Geschäftsführers nicht übernehmen darf oder zumindest sofort niederlegen muss, sobald er sein eigenes Unvermögen erkennt (vgl. Urteil des Senats vom VII R 38/92, BFHE 171, 10, BStBl II 1993, 581, sowie Beschluss vom VII B 33/99, BFH/NV 2000, 303).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 157
BFH/NV 2004 S. 157 Nr. 2
QAAAB-13861