Keine Verletzung des rechtlichen Gehörs bei verspäteter Glaubhaftmachung des Hinderungsgrundes
Gesetze: FGO § 96 Abs. 2, §§ 91, 115
Instanzenzug: (L)
Gründe
I. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) hat die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) als Geschäftsführerin für rückständige Lohnsteuer einer GmbH in Haftung genommen. Nach im Wesentlichen erfolglosem Einspruch erhob die Klägerin Klage gegen den Haftungsbescheid und beantragte gleichzeitig dessen Aussetzung von der Vollziehung (AdV). Zur Begründung hat sie vorgetragen, ihre Geschäftsführerstellung sei lediglich eine formale Rechtsstellung gewesen; eigentlich sei sie Hausfrau mit drei minderjährigen Kindern und ohne Buchhaltungskenntnisse.
Nachdem ein auf den anberaumter Termin zur mündlichen Verhandlung auf Antrag des Prozessbevollmächtigten der Klägerin wegen einer anderen Terminverpflichtung verlegt worden war, ordnete der als Einzelrichter bestimmte Vorsitzende des Senats des Finanzgerichts (FG) mit Verfügung vom einen neuen Termin zur mündlichen Verhandlung auf Montag, den , 9.30 Uhr an. Die Ladung ist dem Prozessbevollmächtigten am zugegangen. Mit Schreiben vom beantragte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin auch diesen Termin zu verlegen, da er an diesem Tag einen seit längerer Zeit anberaumten Verhandlungstermin vor dem Landgericht X wahrzunehmen habe. Auf die Aufforderung zur Glaubhaftmachung des Hindernisses übersandte der Prozessbevollmächtigte am Freitag, den um 19.20 Uhr per Telefax eine bei ihm am gleichen Tag wie die Ladung des FG eingegangene Ladung des LG X. Dieses Telefax wurde dem Einzelrichter erst am Schluss der mündlichen Verhandlung am Montag, den um 11.00 Uhr vorgelegt. Das Gericht hat den Termin zur mündlichen Verhandlung durchgeführt, obwohl für die Klägerin niemand erschienen war.
Im Urteil führte das FG aus, eine Vertagung sei abzulehnen gewesen, weil die Bereitschaft der Klägerin zur Mitwirkung im gerichtlichen Verfahren bislang sehr gering gewesen sei. Der Bevollmächtigte der Klägerin habe sich auf die Aufforderung des Berichterstatters zur Stellungnahme auf die Gegenäußerung darauf beschränkt, insgesamt fünf Anträge auf Fristverlängerung zu stellen und sich auch nach Ergehen des ablehnenden Beschlusses des Gerichtes über seinen Antrag auf AdV des Haftungsbescheides nicht zu einer Stellungnahme im Hauptsacheverfahren veranlasst gesehen. Auf das Ersuchen des Berichterstatters um Glaubhaftmachung des Hinderungsgrundes bezüglich des Antrags auf Verlegung des Termins vom habe der Prozessbevollmächtigte der Klägerin dem Gericht entgegengehalten, als unabhängiges Organ der Rechtspflege sei er zur Glaubhaftmachung des Hinderungsgrundes nicht verpflichtet und habe schließlich erst nach sieben Wochen, mithin ganz knapp vor dem Termin, die anderweitige Ladung vorgelegt. Nach der ersten Terminverlegung hätte ihm allerdings klar sein müssen, dass er den Grund der Verhinderung für den neuerlichen Vertagungsantrag rechtzeitig glaubhaft zu machen habe. Stattdessen habe er sich darauf beschränkt vorzutragen, dass am gleichen Tag ein anderer Termin anberaumt sei, ohne die Ladung vorzulegen und ohne darzutun, warum diese Terminüberschneidung nur durch die erneute Verlegung des Termins vor dem FG beseitigt werden könne.
Im Übrigen sei die Klage unbegründet; denn der Haftungsbescheid sei rechtmäßig.
Mit der gegen dieses Urteil erhobenen Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision rügt die Klägerin die Verletzung ihres Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes —GG—, § 96 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Die Durchführung der mündlichen Verhandlung in Abwesenheit des ordnungsgemäß geladenen Prozessbevollmächtigten der Klägerin kann den Verfahrensfehler einer Verletzung des rechtlichen Gehörs i.S. des § 103 Abs. 1 GG und § 96 Abs. 2 FGO i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO begründen, wenn einem vor dem Termin gestellten Antrag auf Terminverlegung nicht stattgegeben worden ist. Die schlüssige Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs erfordert in diesem Fall auch keine Ausführungen dazu, was bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs noch vorgetragen worden wäre und dass dieser Vortrag zu einer anderen Entscheidung des Gerichts hätte führen können, wenn das Gericht verfahrensfehlerhaft in Abwesenheit des Prozessbevollmächtigten des Rechtsmittelführers aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden hat (Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs —BFH— vom GrS 3/98, BFHE 196, 39, BStBl II 2001, 802).
Die gerügte Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt jedoch im Streitfall nicht vor. Das FG konnte zu Recht davon ausgehen, dass ein für die Aufhebung und Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung vom erheblicher Grund i.S. des § 227 der Zivilprozessordnung (ZPO) nicht vorgelegen hat. Dem in Art. 103 Abs. 1 GG gewährleisteten Anspruch auf Gewährung des rechtlichen Gehörs entspricht nämlich ein bestimmtes Maß an Prozessverantwortung der Beteiligten, die darin besteht, dass der Inhaber dieses Anspruchs auch aktiv am Prozess mitwirkt (, BFHE 113, 4, BStBl II 1974, 637). Dieser Grundsatz lässt erkennen, dass es von den jeweils gegebenen Umständen abhängt, ob die Ablehnung einer beantragten Terminverlegung den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt (vgl. , BFH/NV 2001, 1125, m.w.N.). Der Senat geht mit dem FG davon aus, dass es der Prozessbevollmächtigte der Klägerin an einer pflichtgemäßen Mitwirkung im Klageverfahren hat fehlen lassen. Er hatte bereits bei dem vorangegangenen Antrag auf Verlegung des Termins vom kundgetan, dass er sich als unabhängiges Organ der Rechtspflege zur Glaubhaftmachung des Hinderungsgrundes für die Wahrnehmung des anberaumten Termins zur mündlichen Verhandlung nicht verpflichtet fühle und auch den am Freitag, den gestellten Antrag auf Verlegung des erneut anberaumten Termins vom ohne Beifügung der Ladung lediglich damit begründet, dass er an diesem Tage einen bereits seit längerer Zeit anberaumten Verhandlungstermin vor dem LG X wahrzunehmen habe und deshalb nicht nach B reisen könne. Erst auf die ausdrückliche Aufforderung des als Einzelrichter bestimmten Senatsvorsitzenden hat er dann am Freitag, den um 19.20 Uhr per Telefax dem Gericht die Ladung des LG X zur Glaubhaftmachung übermittelt. In Anbetracht der Mitteilung auf der Ladung, dass auch ohne die Klägerin bzw. ihren Prozessvertreter verhandelt werden könne und des Umstandes, dass Letzterer sich trotz mehrfacher Fristverlängerung und zwischenzeitlich ergangenem ablehnenden Beschluss über die AdV zum Prozess nicht geäußert hat, konnte das Gericht, dem die anderweitige Ladung des Prozessbevollmächtigten bei Durchführung der mündlichen Verhandlung am Montag, dem —nach zweimaligem Aufruf der Sache um 9.30 Uhr und 9.45 Uhr— noch nicht vorgelegen hat, davon ausgehen, dass dem Klägervertreter an einer zügigen Durchführung des Verfahrens nicht gelegen war. Aus der unterbliebenen Ablehnung der Terminverlegung bis zum Freitag vor dem am Montag anberaumten Termin durfte der Beteiligte bzw. sein Prozessvertreter vernünftigerweise nicht schließen, dass seinem Antrag stattgegeben werde, auch wenn er die geforderte Glaubhaftmachung des Hinderungsgrundes am letzten Tag noch bewirkt hat. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin musste daher davon ausgehen, dass die ihm zugestellte Ladung ungeachtet des Antrages auf Verlegung des Termins und der verspäteten Vorlage der anderweitigen Ladung wirksam geblieben ist; er hätte sich zumindest noch am Montag, dem vor Sitzungsbeginn nach dem Eingang seines Telefaxes bei dem zuständigen Richter und der Verbescheidung seines Antrags erkundigen müssen (vgl. , BFH/NV 2001, 333, m.w.N.). Es ist auch nicht einzusehen, warum der Klägervertreter die nunmehr erstmals im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründe, die aus seiner prozessökonomischen Sicht einem Antrag auf Verlegung des Termins vor dem LG X —dessen Ladung ihm am gleichen Tage wie die Ladung des FG zugegangen war— entgegengestanden haben mögen, nicht vor Durchführung der mündlichen Verhandlung dem FG gegenüber vorgetragen hat. Wenn der Prozessvertreter die ihm vielfach gebotene Gelegenheit, sich zum Prozess und zur Begründung seiner Anträge auf Terminverlegung zu äußern, nicht nutzt, kann er nicht mit Erfolg im Verfahren der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision die Verletzung des rechtlichen Gehörs nur deshalb geltend machen, weil er an der mündlichen Verhandlung nicht hat teilnehmen können (s. auch VIII C 6.61, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 310, § 108 der Verwaltungsgerichtsordnung, Nr. 24; BFH-Beschlüsse in BFHE 113, 4, BStBl II 1974, 637, 638, und vom IX B 151/00, BFH/NV 2002, 1047).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 199 Nr. 2
IAAAB-13787