Aufwendungen eines Facharbeiters für Glasbearbeitung für ein berufsbegleitendes erstmaliges Ingenieurstudium als WK
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
Streitig ist, ob Aufwendungen für ein berufsbegleitendes erstmaliges Hochschulstudium Werbungskosten darstellen.
Der 1964 geborene Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist ausgebildeter Facharbeiter für Glasbearbeitung und war in den Streitjahren 1996 und 1997 als erster Schichtführer bei der A-GmbH angestellt. Ab Oktober 1996 nahm er ein Ingenieurstudium mit der Fachrichtung Glas-/ Keramiktechnik an einer Universität auf, um den Abschluss als Diplom-Ingenieur (FH) zu erlangen. Von Oktober 1998 bis Juni 1999 war er in der Abteilung Glastechnologie teilzeitbeschäftigt.
In den Steuererklärungen für die Streitjahre machte der Kläger bei einem Bruttoarbeitslohn von 84 454 DM (1996) und 72 128 DM (1997) u.a. die folgenden Aufwendungen für sein Studium als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend:
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1996: Fahrten zur Universität (68 Fahrten a 25 km x 2 x 0,52 DM) Büromaterial, Porto, Fachbücher etc.
1997: Fahrten zur Universität (200 Fahrten a 25 km x 2 x 0,52 DM) zu Lerngemeinschaften (40 Fahrten x 30 km x 2 x 0,52 DM) Fachliteratur, Zeichenbedarf, Porto etc. |
2 360 DM 1 768 DM 592 DM
7 197 DM 5 200 DM 1 248 DM 749 DM |
Hierzu reichte der Kläger Bescheinigungen der A-GmbH ein, in denen diese bestätigte, dass er berufsbegleitend im Interesse des Unternehmens das Studium absolviere. Sie hoffe, ihm nach Abschluss des Studiums ein adäquates Aufgabengebiet übertragen zu können. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) sah die Aufwendungen als Berufsausbildungskosten i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) an und ließ diese nur mit dem Höchstbetrag von 1 800 DM als Sonderausgaben zum Abzug zu. Der hiergegen erhobene Einspruch blieb ohne Erfolg.
Mit seiner Klage trug der Kläger im Wesentlichen vor, das Studium führe lediglich seine Ausbildung fort. Als erster Schichtführer habe er bereits eine leitende Funktion im administrativen und technischen Bereich erlangt. Die Prüfung zum Diplom-Ingenieur ermögliche ihm, diese Stellung fortzuführen. Er habe nach erfolgreichem Abschluss des Studiums seinen alten Posten wieder übernommen und sei auch weiterhin (jetzt in M) für seinen bisherigen Arbeitgeber tätig.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 1293 veröffentlichten Gründen ab. Zur Begründung nahm es im Wesentlichen auf die seinerzeitige höchstrichterliche Rechtsprechung Bezug, wonach Aufwendungen für ein Erststudium stets Berufsausbildungskosten darstellten.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Das FG verkenne, dass es sich vorliegend nicht um ein „klassisches„ erstmaliges Hochschulstudium handele. Er —der Kläger— schlage keine neue oder andere berufliche Richtung ein. Weder ändere sich sein Arbeitgeber, sein Arbeitsplatz noch seine Stellung im Betrieb. Das Studium ziele ausschließlich darauf, seinen Arbeitsplatz, der bereits durch Leitungsfunktionen gekennzeichnet sei, durch Fortbildung zu erhalten und zu sichern, ihn zukunftstauglich zu gestalten. Nur durch fortwährende Fort- und Weiterbildung auch im Wege des Studiums sei es den Arbeitnehmern möglich, den Arbeitsplatz zu erhalten.
Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die betreffenden Bescheide dahin gehend zu ändern, dass (anstelle des Sonderausgaben-Höchstbetrages) Bildungsaufwendungen für 1996 in Höhe von 2 360 DM und für 1997 in Höhe von 7 197 DM als Werbungskosten berücksichtigt werden.
Das FA tritt der Revision entgegen und beantragt, diese als unbegründet zurückzuweisen.
Die Revision des Klägers ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
Aufwendungen für ein berufsbegleitendes erstmaliges Hochschulstudium sind als Werbungskosten zu berücksichtigen, sofern sie beruflich veranlasst sind. Zur Begründung im Einzelnen wird auf die geänderte Rechtsprechung des Senats im Urteil vom VI R 137/01 (BFHE 201, 211, BStBl II 2003, 407) verwiesen.
Im Streitfall folgt aus den tatsächlichen Feststellungen des FG, dass der Kläger das Ingenieurstudium mit der Fachrichtung Glas-/Keramiktechnik aus beruflichen Gründen betrieben hat. Es diente vornehmlich dazu, den bereits bestehenden beruflichen Anforderungen dauerhaft gerecht zu werden, beruflich besser voranzukommen und Aufstiegsmöglichkeiten im Unternehmen wahrnehmen zu können. Da das Studium auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet war, sind hiermit im Zusammenhang stehende Aufwendungen dem Grunde nach als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehbar.
Die Sache ist jedoch nicht spruchreif. Da das FG —aus seiner Sicht zu Recht— zu den einzelnen vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen keine Feststellungen getroffen hat, war die Sache an das FG zurückzuverweisen. Dieses wird die Grundsätze des Urteils vom VI R 86/99 (BStBl II 2003, 749) zu beachten haben. Insbesondere wird zu würdigen sein, ob angesichts der häufigen Fahrten des Klägers zur Universität (z.B. 200 Fahrten im Streitjahr 1997) diese als weitere regelmäßige Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG anzusehen ist.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
AAAAB-13781