Kein Wohnsitz im Inland trotz der regelmäßigen bis zu sechswöchigen Nutzung einer Eigentumswohnung zu Ferien- und Urlaubszwecken;
Weiteranwendung der verfassungswidrigen Einheitswerte bei beschränkter Erbschaftsteuerpflicht bis Ende 1995; nur anteilige
Gewährung des Pauschbetrags nach § 10 Abs.5 Nr.3 ErbStG 1974 von 10000 DM bei beschränkter Erbschaftsteuerpflicht; Durchführung
der mündlichen Verhandlung in Abwesenheit des erkrankten Klägers bei vorheriger Anordnung der persönlichen Anwesenheit
Leitsatz
1. Auch wenn eine vor über 50 Jahren nach Venezuela ausgesiedelte (unverheiratete, kinderlose) Steuerpflichtige mit doppelter
Staatsbürgerschaft im Inland eine einfach ausgestattete , aber zur jederzeitigen Nutzung geeignete Eigentumswohnung gekauft
und sich dort bis zu ihrem Tod regelmäßig jährlich einmal (ohne Unterbrechung) fünf bis sechs Wochen zu Ferien-, Erholungs-
und Urlaubszwecken aufgehalten hat, hat sie dadurch keinen Wohnsitz i.S. von § 8 AO 1977 im Inland unterhalten.
2. Das gilt jedenfalls dann, wenn sich aus der maßgeblichen Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls ergibt, dass
-sich der berufliche Lebensschwerpunkt der Steuerpflichtigen in Veneuzuela befand, da sie dort bis zu ihrem Tod in dem von
ihr mitaufgebauten, von ihr als Lebensinhalt betrachteten Familienunternehmen in maßgeblicher Funktion mitgearbeitet hat
- sich ihr privater Lebensmittelpunkt in der Wohnung ihres Neffen in Venezuela befand, in der sie mit dessen Familie in einem
Haushalt lebte
- die Steuerpflichtige im Inland engen sozialen Kontakt nur noch mit einer ihr aus gemeinsamen Jahren in Venezueala bekannten,
zwischenzeitlich nach Deutschland rückübersiedelten Familie hatte und sich während ihrer Deutschlandaufenthalte überwiegend
im Haushalt dieser Familie aufhielt. Die Anmeldung im für ihre Eigentumswohnung zuständigen Einwohnermeldeamt und der Umstand,
dass sie wegen der unsicheren Verhältnisse in Venezuela erhebliche Geldbeträge im Inland angelegt und über entsprechende Konten
verfügt hatte, sind insoweit unbeachtlich.
3. Auch bei beschränkter Erbschaftsteuerpflicht ist inländischer Grundbesitz bis zum weiterhin mit dem Einheitswert
anzusetzen.
4. Ist bei beschränkter Erbschaftsteuerpflicht nur ein Teil des im Inland befindlichen Vermögens steuerpflichtig, so ist
der Pauschbetrag nach § 10 Abs.5 Nr.3 ErbStG 1974 von 10000 (ohne Nachweis) nur anteilig, nach dem Verhältnis der Verkehrswerts
des steuerpflichtigen Inlandsvermögens zum Verkehrswert des gesamten Inlandsvermögens zu gewähren.
5. Auch wenn das persönliche Erscheinen des -von einem Bevollmächtigten vertretenen- Steuerpflichtigen angeordnet war, zwingt
die Nichtteilnahme des -laut ärztlichem Attest nicht reisefähigen- Steuerpflichtigen jedenfalls dann nicht zu einer Verlegung
des Termins zur mündlichen Verhandlung, wenn der Steuerpflichtige zuvor schon die Möglichkeit zur Teilnahme an einem Erörterungstermin
bzw. zur Stellungnahme zu der anlässlich des Erörterungstermins gefertigten Niederschrift hatte.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n): XAAAB-06602
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Online-Dokument
FG Baden-Württemberg, Urteil v. 01.03.1996 - 9 K 276/93
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