Grunderwerbsteuer | Aufhebung der Grunderwerbsteuerfestsetzung bei Rückgängigmachung eines nicht ordnungsgemäß angezeigten Erwerbsvorgangs (FG)
War der erste (rückgängig gemachte)
Erwerbsvorgang nicht steuerbar und erfüllt erst die Rückgängigmachung dieses
Erwerbsvorgangs den Tatbestand der Steuerbarkeit, ist
§ 16 Abs. 5
GrEStG nicht anwendbar. Der Aufhebung der
Grunderwerbsteuerfestsetzung nach
§ 16 Abs.
2 Nr. 1 GrEStG steht dann nicht entgegen, dass der
ursprüngliche Erwerbsvorgang nicht ordnungsgemäß angezeigt worden war
(;
Revision anhängig, BFH-Az. II R 30/24).
Hintergrund: Erwirbt der Veräußerer das Eigentum an dem veräußerten Grundstück zurück, wird nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG auf Antrag sowohl für den Rückerwerb als auch für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang die Steuer nicht festgesetzt oder eine bereits erfolgte Steuerfestsetzung aufgehoben, wenn der Rückerwerb innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang stattfinde.
Sachverhalt: Die Klägerin, eine gemeinnützige Stiftung, war Alleingesellschafterin der Firma 1 (inzwischen umfirmiert zu Firma 2) mit Sitz in der Stadt A. Mit notariellem Vertrag vom veräußerte die Klägerin einen Geschäftsanteil von 16 % an die Firma 3 (inzwischen umfirmiert zu Firma 4) und trat den Geschäftsanteil ab. In derselben Urkunde wurde der Klägerin das Recht eingeräumt, den Geschäftsanteil mit Wirkung zum für den identischen Kaufpreis zurück zu erwerben. Die Klägerin übte diese Option mit Wirkung zum sofort aus, der verkaufte Anteil wurde an die Klägerin (unter der aufschiebenden Bedingung der Kaufpreiszahlung) zurück abgetreten. In dem Vertrag wurde vereinbart, dass die Finanzämter der Stadt A (Grunderwerbsteuerstelle, Körperschaftsteuerstelle), der Stadt C (Grunderwerbsteuerstelle) und der Stadt D (Grunderwerbsteuerstelle) Abschriften des Vertrags erhalten sollten.
Am ging eine Abschrift des Vertrags beim FA der Stadt C ein (ohne nähere Bezeichnung der konkreten Dienststelle), gegenüber dem beklagten FA erfolgte die Anzeige der Anteilsübertragungen erst nach vorheriger telefonischer Nachfrage im Mai 2020. Der vom FA für den Rückerwerb der Anteile erlassene Grunderwerbsteuerbescheid wurde bestandskräftig.
Mit einem weiteren notariellen Vertrag im Jahr 2021 vereinbarten die Klägerin und die Firma 3 den notariellen Vertrag vom dahingehend abzuändern, dass die (Rück-)Abtretung des Geschäftsanteils mit Wirkung zu dem Zeitpunkt erfolgen sollte, in welchem ein weiterer Kaufpreis von ... € von der Klägerin entrichtet wurde. Der sich dadurch ergebende Gesamtkaufpreis sei sofort fällig.
Die Klägerin beantragte sodann, den Grunderwerbsteuerbescheid nach § 16 Abs. 2 GrEStG aufzuheben. Durch die Änderungsvereinbarung sei der ursprüngliche Zustand in vollem Umfang innerhalb der gesetzlichen Zweijahresfrist wieder hergestellt worden. Diesen Antrag lehnte das FA ab und führte zur Begründung aus, dass der Erwerbsvorgang nicht ordnungsgemäß angezeigt worden sei. § 16 Abs. 5 GrEStG stehe daher der Aufhebung der Grunderwerbsteuerfestsetzung entgegen.
Die Klage hatte Erfolg:
Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG sind im Streitfall erfüllt. Mit der durch die Klägerin im notariellen Vertrag vom ausgeübten Rückerwerbsoption hat die Klägerin den Anspruch auf Übertragung von 16 % der Anteile an der Firma 1 erworben. Da sie zu diesem Zeitpunkt bereits 84 % der Anteile an der Gesellschaft gehalten hat, führt der erworbene Übertragungsanspruch dazu, dass sich in der Hand der Klägerin zukünftig (wieder) unmittelbar 100 % der Anteile an der Firma 1 vereinigen. Hierdurch wird – auch zwischen den Beteiligten unstreitig – der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG verwirklicht.
Jedoch hat die Klägerin einen Anspruch auf Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheids nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG.
§ 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG betrifft über seinen Wortlaut hinaus auch Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 2 bis 3a GrEStG. Dies folgt aus § 16 Abs. 5 GrEStG, wonach § 16 Abs. 1 bis 4 GrEStG nicht gilt, wenn einer der in § 1 Abs. 2 bis 3a GrEStG bezeichneten Erwerbsvorgänge rückgängig gemacht wird, der nicht ordnungsgemäß angezeigt worden ist. Diese Regelung setzt die grundsätzliche Anwendbarkeit der Begünstigungsvorschrift des § 16 GrEStG auch auf die Tatbestände des § 1 Abs. 3 GrEStG voraus.
§ 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG setzt nicht voraus, dass der rückgängig gemachte Erwerb steuerbar gewesen ist.
Nach der Rechtsprechung des BFH ist § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG einschlägig, wenn auf einen steuerbaren Erwerb durch Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG ein Rückerwerb folgt, der zwar für sich nicht steuerbar ist, der aber bewirkt, dass das für die Steuerbarkeit der Anteilsvereinigung maßgebende Quantum von 95 % unterschritten wird.
Nach Ansicht des erkennenden Senats gilt dies auch für den hier vorliegenden umgekehrten Fall (fehlende Steuerbarkeit des ersten Erwerbs, Steuerbarkeit des Rückerwerbs).
Der BFH hat früher in vergleichbaren Fällen (inhaltsgleiche Regelungen zu § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG nach alter Rechtslage) entschieden, dass es nicht erforderlich ist, dass der rückgängig gemachte Vorgang der Grunderwerbsteuer unterlegen hat. Für die Steuerbefreiung genügt es, dass in Bezug auf das Grundstück der bisherige Zustand wieder hergestellt wird.
Dieser Auffassung folgt der Senat. Dem Grunde nach liegen daher die Voraussetzungen für die Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheides nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG vor. Der Klägervertreter hat mit Schreiben vom den erforderlichen Antrag auf Aufhebung der Steuerfestsetzung gestellt. Vor der mit notariellem Vertrag vom erfolgten Veräußerung von 16 % der Gesellschaftsanteile an der Firma 1 ist die Klägerin die Alleingesellschafterin der Firma 1 gewesen. Nach der Veräußerung dieser Gesellschaftsanteile von der Firma 3 zurück an die Klägerin ist die Klägerin wieder Alleingesellschafterin der Firma 1 geworden. Der Rückerwerb der Gesellschaftsanteile an der Firma 1 durch die Klägerin ist mit (Rück-)Abtretung der Anteile an der Firma 1 am XX.XX.2021 (Zahlung des Kaufpreises) und damit innerhalb von zwei Jahren abgeschlossen worden. Zudem sind sämtliche von dem Rückerwerb betroffenen Grundstücke bereits bei dem ersten Erwerb der Anteile der Firma 1 am durch die Firma 3 der Firma 1 und damit im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. GrEStG der Klägerin grunderwerbsteuerrechtlich zuzuordnen.
Der Rückgängigmachung nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG steht nicht entgegen, dass der ursprüngliche Erwerbsvorgang nicht ordnungsgemäß angezeigt worden ist.
Nach Auffassung des erkennenden Senats kommt es im vorliegenden Fall nicht auf eine fristgerechte und in allen Teilen vollständige Anzeige des rückgängig gemachten Erwerbsvorgangs an, da § 16 Abs. 5 GrEStG bereits nach seinem Wortlaut nicht anwendbar ist. Dieser setzt voraus, dass einer der in § 1 Abs. 2 bis 3a GrEStG bezeichneten Erwerbsvorgänge rückgängig gemacht wurde. Im Streitfall handelt es sich bei dem ersten und damit rückgängig gemachten Erwerbsvorgang um einen nicht steuerbaren Erwerb. Erst die Rückgängigmachung dieses nicht in § 1 Abs. 2 bis 3a GrEStG bezeichneten Erwerbsvorgangs durch die Rückveräußerung der Gesellschaftsanteile an die Klägerin hat den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG verwirklicht. Eine direkte Anwendung des § 16 Abs. 5 GrEStG kommt daher nicht in Betracht.
Für diese Auslegung spricht auch der Sinn und Zweck des § 16 Abs. 5 GrEStG. Die Norm ist daher auch nicht analog anzuwenden. Sie dient einerseits der Sicherung der Anzeigepflichten aus §§ 18 und 19 GrEStG und soll andererseits dem Anreiz entgegenwirken, durch Nichtanzeige einer Besteuerung den in dieser Vorschrift genannten Erwerbsvorgängen zu entgehen. Den Beteiligten soll die Möglichkeit genommen werden, die dort benannten Erwerbsvorgänge ohne weitere steuerliche Folgen wieder aufheben zu können, sobald den Finanzbehörden ein solches Geschäft bekannt wird. Diese Missbrauchsmöglichkeit besteht bei der hier vorliegenden Fallkonstellation, bei der der Ersterwerb nicht steuerbar, dessen Rückgängigmachung jedoch nach § 1 Abs. 2 bis 3a GrEStG steuerpflichtig ist, gerade nicht.
Käme es dem Steuerpflichtigen auf die Steuerfreiheit des zweiten Erwerbsvorgangs an, so müsste er nicht dessen Anzeige nach §§ 18 bzw. 19 GrEStG pflichtwidrig unterlassen, er könnte nach dem (allein steuerpflichtigen) zweiten Erwerbsvorgang einfach einen Antrag auf Nichtfestsetzung der Steuer gem. § 16 Abs. 2 GrEStG stellen.
Die Revision gegen die Entscheidung ist beim BFH unter dem Az. II R 30/24 anhängig.
Quelle: FG Baden-Württemberg, Newsletter 2/2025 (il)
Fundstelle(n):
OAAAK-06951