Grunderwerbsteuer | Anwendbarkeit des § 1 Abs. 2b GrEStG bei Verkürzung der Beteiligungskette (FG)
Die nach dem
erfolgte Veräußerung aller Anteile an einer grundbesitzenden GmbH (Enkel-GmbH)
durch ihre Alleingesellschafterin (Mutter-GmbH) an die Alleingesellschafterin
der Mutter-GmbH (Großmutter-GmbH) unterliegt als sog. „Verkürzung der
Beteiligungskette“ nach
§ 1 Abs. 2b
GrEStG der Grunderwerbsteuer. Liegt eine unmittelbare
Änderung des Gesellschafterbestandes einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft
vor, spielen die mittelbaren Beteiligungsverhältnisse im Anwendungsbereich des
§ 1 Abs. 2b
GrEStG keine Rolle (; Revision anhängig, BFH-Az. II
R 24/24).
Sachverhalt: Die Klägerin ist eine grundbesitzende GmbH. An der Klägerin war zunächst die D-GmbH zu 100 % beteiligt. Alleinige Gesellschafterin der D-GmbH ist seit dem Jahr 2019 die F-GmbH. Sie erwarb 2019 sämtliche Geschäftsanteile an der D-GmbH. Für die durch diesen Geschäftsanteilserwerb bewirkte Vereinigung aller Anteile an der D-GmbH in der Hand der F-GmbH setzte das beklagte Finanzamt (FA) gegenüber der F-GmbH Grunderwerbsteuer fest.
Mit Wirkung zum trat die D-GmbH ihre Geschäftsanteile an der Klägerin an die F-GmbH ab. Das beklagte Finanzamt (FA) schätzte den Grundbesitzwert und setzte gegenüber der Klägerin nach § 1 Abs. 2b GrEStG Grunderwerbsteuer fest. Nach Ansicht der Klägerin erfüllen der Verkauf und die Übertragung aller Geschäftsanteile an einer grundbesitzenden GmbH durch die Gesellschafterin (Muttergesellschaft) auf deren Gesellschafterin (Großmuttergesellschaft) als sog. „Verkürzung der Beteiligungskette“ nicht den Tatbestand nach § 1 Abs. 2b GrEStG oder nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG. Eine bereits mittelbar über eine weitere Kapitalgesellschaft (Muttergesellschaft) an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft zu 100 % beteiligte Person (Großmuttergesellschaft) sei nicht Neugesellschafter i.S. des § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG. Sie sei deren Altgesellschafter.
Die Richter des FG Baden-Württemberg wiesen die Klage ab:
Der (unmittelbare) Erwerb von 100 % der Geschäftsanteile an der grundbesitzenden Klägerin durch die F GmbH unterliegt gemäß § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG der Besteuerung.
Die Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG und Eigentümerin inländischer Grundstücke. § 1 Abs. 2b GrEStG ist nach § 23 Abs. 18 GrEStG auf Erwerbsvorgänge nach dem und damit auf den vorliegenden Vorgang anwendbar. Ausschlaggebend ist das dingliche Erfüllungsgeschäft und damit der notariell vereinbarte Übergangsstichtag .
Ursprünglich ist die D-GmbH bei Ablauf des als Alleingesellschafterin unmittelbare Altgesellschafterin der Klägerin gewesen. Überträgt die D-GmbH sämtliche Geschäftsanteile auf die F-GmbH, wird diese neue Alleingesellschafterin der Klägerin. Die F-GmbH ist mithin als Neugesellschafterin i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG anzusehen. Es liegt ein unmittelbarer Gesellschafterwechsel vor, für den § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG das Vorliegen eines auf Übereignung eines Grundstücks auf eine neue Kapitalgesellschaft gerichteten Rechtsgeschäfts fingiert.
Nichts anderes ergibt sich im Hinblick darauf, dass die F-GmbH bereits über die D-GmbH mittelbar zu 100 % an der Klägerin beteiligt gewesen und im Zuge der Anteilsübertragung lediglich die Beteiligungskette verkürzt worden ist. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG setzt seinem Wortlaut nach entweder eine unmittelbare oder eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes voraus.
Liegt eine unmittelbare Änderung im Gesellschafterbestand vor, spielen die mittelbaren Beteiligungsverhältnisse für die Frage der Tatbestandsmäßigkeit des Vorgangs keine Rolle und sind nicht mehr zu prüfen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH kommt es bei der hier vorliegenden unmittelbaren Änderung des Gesellschafterbestands allein darauf an, ob ein zivilrechtlich wirksamer Übergang eines Mitgliedschaftsrechts vorliegt. Wirtschaftliche Gesichtspunkte sind in diesem Fall ohne Bedeutung.
Eine Anknüpfung an das Zivilrecht scheidet – lediglich – in diesen Fällen aus, weil es zivilrechtlich keine mittelbare Änderung eines Gesellschafterbestandes gibt. Daher ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise bei der Beurteilung, ob eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes vorliegt, durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt. Für die dem Wortlaut nach weitgehend dem § 1 Abs. 2a GrEStG entsprechende Vorschrift des § 1 Abs. 2b GrEStG kann insoweit nichts anderes gelten.
Für eine Auslegung dahingehend, dass die F-GmbH mit Blick auf die zuvor bestehende mittelbare Beteiligung als Altgesellschafterin anzusehen ist und der Erwerb der 100%-igen unmittelbaren Beteiligung nicht dem Tatbestand des § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG unterfällt - besteht kein Raum.
Eine solche Auslegung widerspricht den vorgenannten höchstrichterlichen Grundsätzen der Anwendung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Es liegt auch keine für solche eine vom Wortlaut abweichende Auslegung erforderliche Regelungslücke vor.
Nach dem Willen des Gesetzgebers (vgl. Gesetzesbegründung BT-Drucks. 19/13437) soll § 1 Abs. 2b GrEStG aus Gründen der Missbrauchsverhinderung unter den gleichen Voraussetzungen wie § 1 Abs. 2a GrEStG Anteilseignerwechsel an Kapitalgesellschaften mit inländischem Grundbesitz erfassen. Besteuert wird die Gesellschaft, die wegen des Anteilseignerwechsels grunderwerbsteuerrechtlich nicht mehr als dieselbe Kapitalgesellschaft anzusehen ist.
Der Gesetzgeber möchte Umgehungen der Besteuerung vermeiden. Berücksichtigt werden daher neben unmittelbaren auch mittelbare Gesellschafterwechsel bei der Ermittlung der maßgeblichen Grenze.
Der Gesetzgeber hat gesehen, dass sich durch § 1 Abs. 2b GrEStG der Anwendungsbereich der Vorschrift des § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG verkleinern wird. Er hat diese Norm trotzdem unter Verweis auf die unterschiedlichen Berechnungsmethoden in § 1 Abs. 2b GrEStG und § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG sowie die im Rahmen des § 1 Abs. 2b GrEStG erforderliche Qualifizierung als Alt- oder Neugesellschafter eingefügt. Hieraus schließt das Gericht, dass der Gesetzgeber, der von Ergänzungstatbeständen spricht, den ausdrücklichen Willen gehabt hat, die Besteuerung von Rechtsvorgängen wie den vorliegenden sicherzustellen.
Auch etwaige Doppelbelastungen lassen nicht auf eine Regelungslücke schließen, die der Gesetzgeber bei der Einführung des § 1 Abs. 2b GrEStG übersehen hat. Der Gesetzgeber hat den Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2b (und Abs. 2a) GrEStG gegenüber demjenigen des § 1 Abs. 3 GrEStG zugunsten eines Vorrangs der Absätze 2a und 2b abgegrenzt. Insoweit tritt eine Doppelbesteuerung nicht ein. Der Grunderwerbsteuer als Verkehrssteuer unterliegt der jeweils verwirklichte Rechtsvorgang. Ein bestimmter, tatbestandlich definierter Rechtsvorgang, ggf. aus verschiedenen Gründen und auf verschiedenen Ebenen, wird mit Grunderwerbsteuer belastet.
Dies zeigt sich auch im Streitfall: Für den Rechtsvorgang der vollständigen Vereinigung der Anteile an der D-GmbH in der Hand der F-GmbH erfolgt eine Besteuerung nach § 1 Abs. 3 GrEStG. Steuerschuldnerin ist die F GmbH. Diese wird so behandelt, als habe sie die Grundstücke – bzw. die Sachherrschaft über diese – von der Gesellschaft erworben, deren Anteile sich in ihrer Hand vereinigen. Maßgeblich ist also der fiktive Erwerb der Grundstücke aufgrund der mittelbaren Vereinigung der Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft. § 1 Abs. 3 GrEStG knüpft insoweit an die veränderte Zuordnung der Grundstücke der Gesellschaften an.
§ 1 Abs. 2b GrEStG erfasst den Gesellschafterwechsel an der Klägerin dergestalt, dass die Übertragung der Gesellschaftsgrundstücke von der Klägerin in „alter“ Zusammensetzung auf die Klägerin in „neuer“ Zusammensetzung fingiert wird. Dieser Rechtsvorgang betrifft nicht die Zuordnung der Grundstücke. Er knüpft an die Gesellschaftsebene an.
Zum Vermögen der Klägerin gehören zum Zeitpunkt der zum vollständigen Gesellschafterwechsel führenden Anteilsübertragung inländische Grundstücke. Maßgebend ist die grunderwerbsteuerliche Zurechnung.
Ein inländisches Grundstück gehört danach der Gesellschaft, wenn es ihr im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für den nach § 1 Abs. 2b GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegenden Vorgang aufgrund eines unter § 1 Abs. 1 oder Abs. 2 GrEStG fallenden und verwirklichten Erwerbsvorgang grunderwerbsteuerlich zuzurechnen ist.
Der Klägerin gehören im Zeitpunkt der Entstehung der streitgegenständlichen Steuerschuld nach § 1 Abs. 2b GrEStG inländische Grundstücke. Ihr waren – und sind – die Betriebsgrundstücke aufgrund von (in der Vergangenheit verwirklichten) Erwerbsvorgängen im Sinne von § 1 Abs. 1 GrEStG zuzurechnen.
Denn die Klägerin ist die Eigentümerin der Grundstücke. Zum Zeitpunkt der Verwirklichung der streitgegenständlichen steuerbaren Änderung des Gesellschafterbestandes gemäß § 1 Abs. 2b GrEStG, d.h. bei Wirksamwerden der (dinglichen) Übertragung sämtlicher Gesellschaftsanteile an der Klägerin von der D-GmbH auf die F-GmbH, hat bezüglich dieser Grundstücke kein unter § 1 Abs. 1 oder Abs. 2 fallender Veräußerungsvorgang stattgefunden. Nur in diesem Fall, wenn also ein Dritter vor dem für die Besteuerung maßgeblichen Zeitpunkt der Anteilsübertragung bezüglich der gegenständlichen Grundstücke einen grunderwerbsteuerpflichtigen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 oder Abs. 2 GrEStG verwirklicht hätte, käme die von der Klägerin angesprochene „Wegzurechnung“ in Betracht.
Das Gleichheitsgebot gemäß Art. 3 GG wird nicht verletzt. Im Rahmen der Grunderwerbsteuer als Verkehrssteuer kommt dem Leistungsfähigkeitsgrundsatz geringere Bedeutung zu als im Bereich der Ertragsteuern.
Auch einen Verstoß gegen das Prinzip der Folgerichtigkeit vermochte der Senat nicht zu erkennen. Ziel des neu eingefügten § 1 Abs. 2b GrEStG ist es, unter den gleichen Voraussetzungen wie § 1 Abs. 2a GrEStG, der einen Anteilseignerwechsel bei Personengesellschaften mit inländischem Grundbesitz erfasst, einen Anteilseignerwechsel an Kapitalgesellschaften mit inländischem Grundbesitz zu erfassen.
Die bloße Existenz eines weiteren Ergänzungstatbestandes führt auch nicht zu einer Doppelbelastung. Die unterschiedliche Behandlung bei der Ausgestaltung der tatbestandserfüllenden Merkmale für Personengesellschaften einerseits und Kapitalgesellschaften andererseits ist die Folge aus den mit der jeweiligen Rechtsform verbundenen Besonderheiten in Bezug auf die Verselbständigung des Gesellschaftsvermögens.
Die Revision gegen die Entscheidung ist beim BFH unter dem Az. II R 24/24 anhängig.
Quelle: FG Baden-Württemberg, Newsletter 2/2025 (il)
Fundstelle(n):
KAAAK-06935