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Online-Nachricht - Donnerstag, 18.12.2025

Grunderwerbsteuer | Anwendbarkeit des § 1 Abs. 2b GrEStG bei Verlängerung der Beteiligungskette (FG)

Dekorative
		  GrafikDer Steuertatbestand des § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG ist auch erfüllt, wenn nur die Beteiligungskette verlängert wird (hier: Ausgliederung zur Aufnahme einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft aus einem Einzelunternehmen auf eine personenidentische Personengesellschaft). Für Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 2b GrEStG kommt eine Steuerbefreiung nach § 5 GrEStG nicht in Betracht (; Revision anhängig, BFH-Az. II R 16/24).

Sachverhalt: Die Klägerin ist eine grundbesitzende GmbH, deren Anteile zu 100 % vom Einzelunternehmer A gehalten wurden. Im Jahr 2021 gründete A die C-GmbH & Co. KG (C-KG), an er als alleiniger Kommanditist beteiligt ist. Mit notariellem Vertrag aus dem Jahr 2021 wurde das gesamte einzelkaufmännische Unternehmen des A mit allen Aktiva und Passiva auf die C-KG ausgegliedert. Gegenstand der Ausgliederung waren u. a. sämtliche Geschäftsanteile an der Klägerin. Dies führte dazu, dass die C-KG anstelle des A an der Klägerin beteiligt wurde. Die Ausgliederung wurde im Jahr 2022 im Handelsregister eingetragen.

Das beklagte Finanzamt (FA) setzte Grunderwerbsteuer fest. Durch die Ausgliederung sei die C-KG neue Alleingesellschafterin der Klägerin geworden. Infolgedessen seien die Grundstücke fiktiv auf die Klägerin als neue Kapitalgesellschaft i. S. des § 1 Abs. 2b GrEStG übergegangen. Die Klägerin war der Auffassung, es läge lediglich eine nicht nach § 1 Abs. 2b GrEStG steuerbare Verlängerung der Beteiligungskette vor, hilfsweise sei die Übertragung auf die C-KG nach § 5 oder § 6a GrEStG steuerfrei.

Die Richter des FG Baden-Württemberg wiesen die Klage ab:

  • Die Ausgliederung der Klägerin von dem Einzelunternehmen des A auf die C-KG erfüllt den Tatbestand des § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG. Gehört zum Vermögen einer Kapitalgesellschaft ein inländisches Grundstück und ändert sich innerhalb von zehn Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt, dass mindestens 90 vom Hundert der Anteile der Gesellschaft auf neue Gesellschafter übergehen, gilt dies nach § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG als ein auf die Übereignung eines Grundstücks auf eine neue Kapitalgesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft.

  • Die Vorschrift des § 1 Abs. 2b GrEStG ist gem. § 23 Abs. 18 GrEStG auf Erwerbsvorgänge nach dem – und demzufolge auch auf den vorliegenden Fall – anwendbar.

  • Der Gesellschafterbestand der Klägerin hat sich mit der Eintragung der Ausgliederung ins Handelsregister im Jahr 2022 zu 100 % unmittelbar geändert. A ist als Einzelunternehmer unmittelbarer Altgesellschafter der Klägerin und daher mit Ablauf des zu 100 % an der Klägerin beteiligt gewesen.

  • Durch die Ausgliederung ist die C-KG als neue Alleingesellschafterin der Klägerin als unmittelbare Neugesellschafterin i.S. des § 1 Abs. 2b GrEStG anzusehen. Es liegt somit ein unmittelbarer Gesellschafterwechsel vor.

  • Es spielt keine Rolle, dass lediglich die Beteiligungskette verlängert worden und der letztlich beteiligte Gesellschafter A identisch geblieben ist. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG setzt entweder eine unmittelbare oder eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes voraus. Liegt eine unmittelbare Änderung vor, ist es irrelevant, dass der Altgesellschafter den Neugesellschafter beherrscht.

  • Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH kommt es bei der hier vorliegenden unmittelbaren Änderung des Gesellschafterbestands allein darauf an, ob ein zivilrechtlich wirksamer Übergang eines Mitgliedschaftsrechts einschließlich der anteiligen sachenrechtlichen Mitberechtigung am Gesellschaftsvermögen vorliegt. Wirtschaftliche Gesichtspunkte sind in diesem Fall ohne Bedeutung.

  • Lediglich bei der mittelbaren Änderung scheidet eine Anknüpfung an das Zivilrecht aus, da es zivilrechtlich keine mittelbare Änderung eines Gesellschafterbestandes gibt. Insofern ist die wirtschaftliche Betrachtungsweise bei der Beurteilung, ob eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes vorliegt, durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt und stellt keinen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG dar.

  • Auch ist § 5 Abs. 2 Satz 1 GrEStG bereits nach dem Wortlaut nicht auf den vorliegenden Fall anwendbar. Die streitgegenständlichen Grundstücke bleiben zwar zivilrechtlich im Eigentum der Klägerin. Grunderwerbsteuerrechtlich fingiert § 1 Abs. 2b GrEStG jedoch einen Erwerbsvorgang an den Grundstücken von der Kapitalgesellschaft vor Änderung des Gesellschafterbestands auf die Kapitalgesellschaft nach Änderung des Gesellschafterbestands. Ist an diesem (fiktiven) Vorgang keine Gesamthandsgemeinschaft beteiligt, kommt eine Steuerbefreiung nach § 5 GrEStG im Rahmen des § 1 Abs. 2b GrEStG nicht in Betracht.

  • § 5 Abs. 2 Satz 1 GrEStG ist auch nicht analog anzuwenden. Eine planwidrige Regelungslücke liegt nicht vor. Wie sich aus der Gesetzesbegründung zu § 1 Abs. 2b GrEStG ergibt, hat der Gesetzgeber die Ungleichbehandlung von Personen- und Kapitalgesellschaften erkannt und sich bewusst dafür entschieden, dass die personenbezogenen Steuerbefreiungstatbestände und Nichterhebungsregelungen auf Kapitalgesellschaften keine Anwendung finden sollen.

  • Es liegt (jedenfalls zum hier maßgeblichen Zeitpunkt) auch kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Grundgesetz (GG) vor. Der BFH hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass die Beschränkung der Steuerbefreiungen aus § 5 GrEStG auf Gesamthandsgemeinschaften verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist.

  • Auch eine Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG kommt nicht in Betracht.

  • Zwar betrifft § 1 Abs. 1 Nr. 2 UmwG die im Streitfall vorliegende Ausgliederung. Die Nichterhebung der Steuer setzt nach § 6a Satz 3 GrEStG jedoch auch voraus, dass an dem Umwandlungsvorgang ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und ein oder mehrere von diesem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften oder mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften beteiligt sind. Abhängig im Sinne von § 6a Satz 3 GrEStG ist nach § 6a Satz 4 GrEStG eine Gesellschaft, an deren Kapital oder Gesellschaftsvermögen das herrschende Unternehmen innerhalb von fünf Jahren vor dem Rechtsvorgang und fünf Jahren nach dem Rechtsvorgang unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar zu mindestens 95 vom Hundert ununterbrochen beteiligt ist.

  • § 6a Satz 4 GrEStG ist dahingehend auszulegen, dass die dort genannten Fristen nur insoweit eingehalten werden müssen, als sie aufgrund eines begünstigten Umwandlungsvorgangs auch eingehalten werden können. Bei Umwandlungsvorgängen zwischen einer abhängigen Gesellschaft und einem herrschenden Unternehmen muss daher in Fällen der Ausgliederung zur Neugründung nur die Nachbehaltensfrist eingehalten werden.

  • Im Streitfall lieg keine Ausgliederung zur Neugründung, sondern eine Ausgliederung zur Aufnahme (§ 123 Abs. 3 Nr. 1 UmwG) vor. Die C-KG ist nicht erst durch die Eintragung der Ausgliederung in das Register am Sitz des übertragenden Rechtsträgers neu gegründet worden. Vielmehr ist sie schon drei Wochen vor der notariellen Beurkundung des Ausgliederungsvertrages gegründet worden. Insofern ist die Einhaltung der Vorbehaltensfrist im Streitfall nicht aus Rechtsgründen aufgrund des Umwandlungsvorgangs unmöglich. Sie muss somit beachtet werden.

  • Die Vorbehaltensfrist wird im Streitfall bezüglich der C-KG nicht eingehalten. A ist als herrschendes Unternehmen im Sinne des § 6a GrEStG noch keine fünf Jahre vor dem Ausgliederungsvorgang an der C-KG mittelbar oder unmittelbar zu mindestens 95 vom Hundert beteiligt gewesen. Die C-KG ist nur drei Wochen vor dem Ausgliederungsvorgang gegründet worden und kein abhängiges Unternehmen im Sinne des § 6a Satz 4 GrEStG.

  • Infolgedessen sind an dem streitgegenständlichen Umwandlungsvorgang nicht ausschließlich mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften beteiligt gewesen.

Hinweis:

Die Revision gegen die Entscheidung ist beim BFH unter dem Az. II R 16/24 anhängig.

Quelle: FG Baden-Württemberg, Newsletter 2/2025 (il)

Fundstelle(n):
AAAAK-06934