Leitsatz
1. Zum Gründen einer terroristischen Vereinigung durch Erteilung einer für das Vereinigungsziel bedeutsamen Zusage.
2. Die Rädelsführerschaft ist ein tatbezogenes und kein besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 2 StGB.
Gesetze: § 28 Abs 2 StGB, § 129a Abs 1 Alt 1 StGB, § 129a Abs 4 Alt 1 StGB
Instanzenzug: Az: 5 - 2 StE 7/20
Gründe
1Das Oberlandesgericht hat verurteilt
2- den Angeklagten S. wegen rädelsführerschaftlicher Gründung einer terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung und mit Waffendelikten zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren,
3- die Angeklagten B., H., N. und W. wegen Gründung und tateinheitlicher „Mitgliedschaft“ in einer terroristischen Vereinigung sowie ebenfalls tateinheitlich hierzu begangener, jeweils näher bezeichneter Verstöße gegen das Waffengesetz zu Freiheitsstrafen zwischen drei Jahren und neun Monaten sowie vier Jahren und sechs Monaten,
4- die Angeklagten Wo. und K. wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, Wo. zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten, Kr. außerdem wegen „vorsätzlichen unerlaubten“ Besitzes von Patronenmunition zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten sowie
5- den Angeklagten B. wegen Beihilfe zur rädelsführerschaftlichen Gründung einer terroristischen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.
6Gegen dieses Urteil haben die Angeklagten Revisionen eingelegt, die sie teilweise mit Verfahrensrügen und ansonsten mit Sachbeanstandungen begründet haben.
7Die Verfahrensrügen dringen aus den vom Generalbundesanwalt in seinen Antragsschriften dargelegten Gründen nicht durch. Auch die sachlichrechtliche Nachprüfung des Urteils hat, wie vom Generalbundesanwalt ebenfalls zutreffend ausgeführt, keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Erörterung bedürfen lediglich die Verurteilungen wegen – im Fall des Angeklagten S. rädelsführerschaftlicher, hinsichtlich der Angeklagten Ba., H., N. und W. einfacher – Gründung einer terroristischen Vereinigung beziehungsweise der Beihilfe dazu (Angeklagter B.).
81. Das Oberlandesgericht hat, soweit hierfür von Bedeutung, folgende Feststellungen getroffen:
9Die Angeklagten verband eine rechtsextremistische und fremdenfeindliche Einstellung. Sie teilten die Angst davor, dass Ausländer in Deutschland die Macht an sich reißen. Ab dem Jahr 2019 wollte der Angeklagte S. dieser empfundenen Bedrohung durch Gewalttaten entgegenwirken. Über rechtsradikale Gruppen und das Internet trat er gemeinsam mit einem Nichtrevidenten nach und nach an die anderen Angeklagten heran, die damals bereits weitgehend in extremistisch ausgerichteten Bündnissen organisiert waren, und prüfte ihre Eignung für ein entsprechendes Vorgehen. Im August 2019 eröffnete er eine Chatgruppe bei Telegram, in der sich die Angeklagten konspirativ unter anderem über ihren Fremdenhass austauschten. Im September und im Oktober 2019 initiierte er persönliche Treffen, die dem gegenseitigen Kennenlernen dienten und an denen die Mehrzahl der Angeklagten und die drei Nichtrevidenten teilnahmen. Bereits dort erwähnte S. gegenüber dem Angeklagten B., dass er Gewalttaten plane und der Angeklagte H. eventuell dafür Waffen besorgen könne. B. bestärkte ihn in diesem Plan und versicherte ihm, immer bereit zu sein.
10Im Zuge der zweiten Zusammenkunft bestellte S. beim Angeklagten K. für sein Vorhaben spezielle Waffen, worüber er B. ebenfalls ins Bild setzte. Spätestens jetzt erkannte dieser, dass S. eine Gruppe gründen wollte, die sich mittels Gewalttaten unter Einsatz von Schusswaffen der empfundenen Bedrohung durch Muslime entgegenstellt. B. bezeichnete S. daraufhin als „Bruder im Geiste“. Er sicherte ihm erneut seine Unterstützung zu, bot ihm seine handwerkliche Hilfe als Schweißer bei der Verbesserung der von K. zu liefernden Waffen an, stellte regelmäßige Zusammenkünfte mit Gleichgesinnten in seiner Region in Aussicht und kündigte unter anderem seine finanzielle Beteiligung für den Fall an, dass für Gruppentreffen bei S. Kosten anfielen. Dieses Verhalten bestärkte S. in seinem Vorhaben. Er ging davon aus, von B. maßgebliche Unterstützung zu erhalten, und erklärte ihn zu „unser(em) Mann, was den S. Raum angeht“. Ähnliches wiederholte sich im Dezember 2019.
11Im Folgenden fielen verschiedene, bereits verbindlich von S. anberaumte weitere Treffen der Witterung oder seiner spontanen terminlichen Verhinderung zum Opfer. Schließlich versammelte er außer B. alle Angeklagten, die Nichtrevidenten sowie zwei verstorbene ehemalige Mitbeschuldigte erfolgreich am im Haus des Angeklagten N. in M.. Das Treffen stand unter polizeilicher Beobachtung. Ba., H., N. und W. rechneten bereits im Vorfeld damit, dass gewaltsame Umsturzpläne besprochen werden, was dann auch geschah:
12S. bestimmte den Ablauf der Zusammenkunft und moderierte das Gespräch. Er begann mit einer Vorstellungsrunde, in der die Anwesenden erklären sollten, ob sie „offensiv“ oder „defensiv“ seien. Allen Beteiligten war bewusst, dass es dabei der Sache nach um die Frage ging, wer bereit sei, sich an gewaltsamen Anschlägen zu beteiligen. H., N. und W. sowie zwei Nichtrevidenten äußerten vor diesem Hintergrund, sie seien „offensiv“. Im Folgenden erläuterte S. seinen Plan, auf längere Dauer Anschläge auf Moscheen zu begehen, um so mit der Zeit einen Bürgerkrieg auszulösen. Es seien kleinere Moscheen auszuwählen, die einen bedeutenden Imam hätten, und es sollten fünf, sechs Anschläge nacheinander verübt werden, denen jeweils eine Vielzahl von Personen zum Opfer falle (UA S. 143, 1157, 1175). Dann sei auf muslimischer Seite mit einer besonders großen Empörung und einer Gegenreaktion zu rechnen. H., N., W. und zwei Nichtrevidenten stimmten diesen Plänen ausdrücklich zu. Die übrigen anwesenden Angeklagten billigten sie stillschweigend.
13Anschließend kam S. auf das Thema Waffen zu sprechen. Hierzu wandte er sich an B.. Dieser bestätigte, dass er Waffen für die Gruppe besorgen könne, dafür aber mindestens 50.000 € benötige. Auf S. Frage, wer bereit sei, sich finanziell zu beteiligen, sagten unter anderem H., N., W. und Wo. eine Zahlung von jeweils 5.000 € zu, Ba. und K. zumindest 500 €. K. und Wo. erkannten, dass ihre Zahlungsbereitschaft den Zusammenhalt der Anwesenden förderte und sie in der Realisierbarkeit ihrer Planungen bestärkte. S. selbst wollte mindestens 5.000 € beisteuern. Er kündigte an, über die Modalitäten des Einsammelns der Gelder später zu entscheiden.
14Im Folgenden brachten die Angeklagten auf S. Aufforderung ihre jeweiligen Waffenwünsche vor, darunter (Maschinen-)Pistolen, Gewehre und Handgranaten. H. bot an, Pistolen in Tschechien zu beschaffen und nach Deutschland zu schmuggeln. Danach beschlossen die Anwesenden, dass Ba. für die Besorgung der Langwaffen sowie Handgranaten und H. gemeinsam mit S. für die der Kurzwaffen verantwortlich sei. W. erklärte sich im Einverständnis aller dazu bereit, sich um schusssichere Westen für die Anschläge zu kümmern. Als Abholtermin für die von Ba. zu bestellenden Waffen wurde der bestimmt. Für die Zeit danach kündigte S. ein weiteres Treffen an, bei dem die konkreten Anschlagsziele vereinbart werden. Daran sollten, so S., nur diejenigen Personen teilnehmen, die sich eigenhändig an den Anschlägen beteiligen – neben ihm selbst H., N. und W. sowie zwei Nichtrevidenten.
15In den kommenden Tagen entfalteten zumindest S., Ba., H., N. und W. im Einzelnen näher dargelegte weitere Aktivitäten im Hinblick auf die geplanten Anschläge unter erneuter Einbeziehung B.. K. und Wo. hielten ihre Zusagen aufrecht. Am wurden die Angeklagten verhaftet.
162. Die vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen sind durch eine rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung belegt.
17Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Die revisionsgerichtliche Prüfung ist darauf beschränkt, ob ihm Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen ein Denkgesetz oder einen gesicherten Erfahrungssatz verstößt. Anderenfalls hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung nähergelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre. Die Schlussfolgerungen des Tatgerichts brauchen dabei nicht zwingend zu sein; es genügt vielmehr, dass sie möglich sind. Die Urteilsgründe müssen allerdings erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruht und die vom Tatgericht gezogenen Schlüsse nicht bloße Vermutungen sind (st. Rspr.; s. etwa , StV 2020, 77 Rn. 11 f.; Beschluss vom – 4 StR 416/20, BGHSt 66, 66 Rn. 11).
18Bei Anlegung dieser rechtlichen Maßstäbe ist gegen die Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts zur dargelegten Beteiligung der Angeklagten an der konkreten Planung von konzertierten terroristischen Anschlägen zwecks Auslösung eines Bürgerkriegs in Deutschland sachlichrechtlich nichts zu erinnern. Die vom Staatsschutzsenat gewählte Form der Darstellung der Beweiswürdigung führt zwar zu einem nicht gebotenen und der Lesbarkeit abträglichen außergewöhnlichen Umfang der Urteilsgründe. Das gilt zum einen für die 250 Seiten umfassende Wiedergabe der Einlassungen der Angeklagten, zum anderen für die sich anschließende schrittweise Mitteilung der Überzeugungsbildung zu jeder einzelnen objektiven Feststellung (s. bereits , BGHSt 66, 226 Rn. 31; s. ferner , juris Rn. 22 mwN). Dies macht die Entscheidung aber entgegen den Ausführungen der Revisionsführer nicht rechtsfehlerhaft. Der Gesamtheit der Urteilsgründe ist insbesondere eine hinreichende Begründung für die Überzeugung des Staatsschutzsenats dahin zu entnehmen, dass und warum sich die Angeklagten S., Ba., H., N. und W. sowie zwei Nichtrevidenten am ernsthaft untereinander jedenfalls konkludent und von ihrem subjektiven Willen umfasst darauf verständigten, von nun an gemeinsam innerhalb eines organisatorischen Gefüges unter der Führung des Angeklagten S. an der Umsetzung von Anschlagsplänen auf Moscheen mitzuwirken und/oder sich an diesen eigenhändig zu beteiligen.
193. Vor diesem Hintergrund tragen die Urteilsfeststellungen die Verurteilung von S., Ba., H., N., W. und B. wegen des ihnen zur Last liegenden jeweils unterschiedlichen Grades der Beteiligung an der Gründung einer terroristischen Vereinigung nach § 129a Abs. 1 Variante 1, Abs. 4 Variante 1 StGB. Im Einzelnen:
20a) Die Voraussetzungen einer Vereinigung nach § 129 Abs. 2 StGB sind erfüllt bei einem auf längere Dauer angelegten, von einer Festlegung von Rollen der Mitglieder, der Kontinuität der Mitgliedschaft und der Ausprägung der Struktur unabhängigen organisierten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen zur Verfolgung eines übergeordneten gemeinsamen Interesses (vgl. dazu BT-Drucks. 18/11275 S. 11). Danach müssen ein organisatorisches, ein personelles, ein zeitliches und ein interessenbezogenes Element gegeben sein. Das Tätigwerden in einem übergeordneten gemeinsamen Interesse muss über die bezweckte Begehung der konkreten Straftaten und ein Handeln um eines persönlichen materiellen Vorteils willen hinausgehen (vgl. im Einzelnen , BGHSt 66, 137 Rn. 19 ff.; Beschlüsse vom – 3 StR 61/21, BGHR StGB § 129 Abs. 2 Vereinigung 2 Rn. 8; vom – 3 StR 33/21, NStZ 2022, 159 Rn. 5; vom – 3 StR 403/20, juris Rn. 9 f.).
21Hieran gemessen erfüllte der beim Treffen am ins Leben gerufene Personenverband die Merkmale einer Vereinigung im Sinne des § 129 Abs. 2 StGB. Er bestand aus mehr als zwei Personen (personelles Element), war auf längere Dauer angelegt (zeitliches Element), verfügte über eine zumindest rudimentäre Organisationsstruktur (organisatorisches Element) und verfolgte mit dem Ziel, durch Terroranschläge einen Bürgerkrieg auszulösen, ein übergeordnetes gemeinsames Interesse (interessenbezogenes Element). Nach den vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen führten die Angeklagten auf ihrer Versammlung in M. entgegen den Ausführungen in der Revisionsbegründungsschrift des Angeklagten S. nicht nur eine allgemeine Diskussion über mögliche Ziele. Vielmehr vereinbarten zumindest er, Ba., H., N. und W. sowie zwei Nichtrevidenten untereinander verbindlich, wer welche zur Vorbereitung der Gewalttaten nötigen konkreten Aufgaben übernehmen und wer selbst Anschläge ausführen wird. In dieser Absprache liegt nicht nur – vergleichbar einer Bandenabrede – die Abmachung, künftig zusammen an der gemeinsamen Sache zu arbeiten, sondern zugleich die Schaffung eines Organisationsgrads, der zur Gründung einer Vereinigung genügt (vgl. hierzu näher etwa u.a., BGHR StGB § 129 Vereinigung 9 Rn. 24 mwN).
22Der Zusammenschluss der Angeklagten war gerichtet auf die Verübung von Anschlägen, bei denen eine Vielzahl von Menschen getötet werden sollten, mithin darauf, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) zu begehen. Somit waren auch die Tatbestandsvoraussetzungen einer terroristischen Vereinigung nach § 129a Abs. 1 StGB erfüllt. Hierfür ist unerheblich, dass es zum Zeitpunkt der Zerschlagung der Gruppe am noch nicht zu Anschlägen gekommen war und solche noch nicht konkret geplant oder vorbereitet waren. Für eine Strafbarkeit genügt die Intention des Zusammenschlusses, derartige Delikte zu verwirklichen. Eine solche Absicht braucht nicht bis zur Vorbereitung einzelner Taten konkretisiert zu sein; auch der konkreten Planung einer bestimmten Tat bedarf es nicht (, juris Rn. 36; MüKoStGB/Anstötz, 5. Aufl., § 129 Rn. 49, 51 mwN).
23b) Gründer im Sinne von § 129a Abs. 1 Alternative 1 StGB (oder § 129 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 StGB) sind solche Personen, die den Gründungsakt führend und richtungsweisend bewirken (s. , NJW 1954, 1254 LS; vom – 3 StR 427/77 [S], BGHSt 27, 325, 327). Dies setzt keine organisatorische Führungsrolle voraus. Vielmehr ist nur eine wesentliche Förderung der Gründung erforderlich, mithin ein für das Zustandekommen der Vereinigung weiterführender und richtungsweisender Beitrag, auch wenn er im Verhältnis zu den Beiträgen anderer Gründer von untergeordneter Bedeutung ist (st. Rspr.; s. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 263/05, BGHR StGB § 129a Gründen 2 Rn. 15; vom – AK 49/19, juris Rn. 17; vom – AK 3/21 u.a., NStZ-RR 2021, 136, 137).
24Der bloße Beitritt als am Gründungsakt beteiligtes Mitglied „der ersten Stunde“ erfüllt deshalb das Tatbestandsmerkmal des Gründens noch nicht (vgl. Zöller, Terrorismusstrafrecht, 2009, S. 529; SK-StGB/Stein/Greco, 9. Aufl., § 129 Rn. 41). Denn mangels notwendiger wesentlicher Förderung des Zustandekommens der Vereinigung genügt die Teilnahme an der Gründungszusammenkunft nicht ohne Weiteres, ebenso wenig die dort im Einverständnis der Anwesenden erklärte bloße Bereitschaft, der Vereinigung beizutreten (s. NK-StGB/Eschelbach, 6. Aufl., § 129 Rn. 58; LK/Krauß, StGB, 13. Aufl., § 129 Rn. 94 mwN). Das gilt selbst dann, wenn die Vereinigung nur aus drei Personen besteht, die Beteiligung eines jeden somit ausschlaggebend für die Mindestzahl der Mitglieder ist. Das rechtliche Erfordernis eines Zusammenschlusses von mehr als zwei Personen (§ 129 Abs. 2 StGB) ist von der Frage zu trennen, wer einen für dessen Zustandekommen weiterführenden und richtungsweisenden Beitrag leistet.
25In welchem Verhalten ein solcher Beitrag liegt, bedarf der wertenden Betrachtung im Einzelfall. Im Kern kommt es auf eine wesentlich fördernde Mitwirkung an den zum Zustandekommen der Vereinigung führenden Planungen, Absprachen oder Betätigungen an, etwa durch die Auswahl und Gewinnung von Mitgliedern sowie die aktive Einflussnahme auf das Organisationskonzept (vgl. u.a., juris Rn. 20; LK/Krauß, StGB, 13. Aufl., § 129 Rn. 94; ferner Scheiff, Wann beginnt der Strafrechtsschutz gegen kriminelle Vereinigungen [§ 129 StGB]? 1997, S. 93 ff. [mit weiteren Fallgruppen]; Zöller, Terrorismusstrafrecht, 2009, S. 529). Auszuscheiden haben Handlungen und Erklärungen von geringem Gewicht, die weder auf die Struktur der Vereinigung noch auf deren deliktische Zielsetzung eine erhebliche Wirkung haben (vgl. Scheiff aaO, S. 92; LK/Krauß aaO; NK-StGB/Eschelbach, 6. Aufl., § 129 Rn. 58). Ausreichen kann hingegen, dass ein am Gründungsakt Beteiligter eine Zusage macht, die diese Zielsetzung betrifft. So kann es in Fällen liegen, in denen sich der Mitwirkende zur eigenhändigen Begehung derjenigen Straftaten bereiterklärt, welche die kriminellen Vereinigungszwecke bilden (vgl. , BGHR StGB § 129a Gründen 2 Rn. 16), aber auch in Fällen, in denen er verspricht, die für die Straftaten notwendigen Voraussetzungen zu schaffen. Für die konkrete Beurteilung ist allerdings stets von Belang, ob einer derartigen individuellen Zusage für die im Entstehen begriffene Vereinigung eine maßgebende Bedeutung zukommt (s. insgesamt , juris).
26Nach diesen Maßstäben waren die Angeklagten Ba., H., N. und W. Gründer der terroristischen Vereinigung. Die Urteilsfeststellungen belegen ihre wesentlich fördernde Mitwirkung am Gründungsgeschehen. Alle vier billigten die von S. vorgestellten Pläne. H., N. und W. wollten selbst Anschläge verüben und sagten beim Treffen am ernsthaft ihre entsprechende Bereitschaft zu. Die Angeklagten Ba. und H. übernahmen die für die Vereinigung wesentliche Aufgabe der Beschaffung von Waffen, ohne die die Anschläge nicht durchführbar gewesen wären. Alle vier Angeklagten versprachen damit bewusst und gewollt einen für das Gelingen des Gesamtvorhabens entscheidenden Beitrag. Das Erreichen des Zwecks des Bündnisses, die Auslösung eines Bürgerkriegs in Deutschland, stand und fiel mit ihren zugesagten Handlungen. Ohne die Zusicherungen wäre die Gruppe am weitgehend ergebnislos auseinandergegangen. Nach alldem hing der Gründungsakt vom Verhalten der Angeklagten maßgeblich ab.
27Hinzu kommt, dass alle vier Angeklagten aufgrund ihrer im Urteil näher dargelegten rechtsextremistischen Einstellung ein starkes Interesse an der Gründung des Bündnisses hatten. Nach den vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen identifizierten sie sich mit dem Ziel, im politischen Kampf zur Anwendung von Waffengewalt zu greifen sowie in Deutschland lebende Muslime und Ausländer durch Anschläge beziehungsweise im Rahmen eines Bürgerkriegs zu töten oder zu vertreiben. Dieser Umstand ist hier nicht nur für das Vorliegen der Vereinigung und ihren Charakter bedeutsam, sondern spricht zugleich für die Täterschaft der Angeklagten beim Gründen.
28c) Der Angeklagte S. gründete die Vereinigung als Rädelsführer. Rädelsführer im Sinne des § 129a Abs. 4 Variante 1 StGB ist, wer in der Vereinigung dadurch eine führende Rolle spielt, dass er sich in besonders maßgebender Weise für sie betätigt, wobei nicht der Umfang, sondern das Gewicht, das der geleistete Beitrag für die Vereinigung hat, von Bedeutung ist. Besonders maßgebend ist eine Tätigkeit dann, wenn sie von Einfluss ist auf die Führung der Vereinigung im Ganzen oder in wesentlichen Teilen, wenn also der Täter, falls er nicht schon selbst zu den Führungskräften gehört, doch durch sein Tun gleichsam an der Führung mitwirkt. Der vom Täter ausgeübte Einfluss muss der Sache nach beträchtlich sein und sich auf die Vereinigung als solche richten, mithin etwa die Bestimmung der Organisationszwecke, -tätigkeiten oder -ziele, die ideologische Ausrichtung der Vereinigung, deren Organisationsstruktur oder sonstige Belange mit für die Vereinigung wesentlicher Bedeutung betreffen. Eine rein formale Stellung innerhalb eines Führungsgremiums reicht für sich genommen noch nicht aus (s. , BGHSt 57, 160 Rn. 8 f.; vom – 3 StR 236/17, juris Rn. 140; Beschlüsse vom – 3 StR 10/20, juris Rn. 78; vom – 3 StR 394/22, StV 2023, 744, 745; Urteile vom – 3 StR 306/22, juris Rn. 69; vom – 3 StR 173/24, juris Rn. 45).
29Das Qualifikationsmerkmal der Rädelsführerschaft gilt dabei nicht nur für die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung, sondern auch für deren Gründung (st. Rspr.; s. etwa BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 263/05, NJW 2006, 1603 Rn. 16; vom – AK 27/20, juris Rn. 19; vom – AK 3/21 u.a., NStZ-RR 2021, 136, 137). Es ist insoweit dann erfüllt, wenn der Täter beim Gründungsakt eine führende Rolle im aufgezeigten Sinne einnimmt.
30Diesen Anforderungen wird das vom Oberlandesgericht festgestellte Verhalten S. gerecht. Als Ideengeber und Initiator der Gruppe rief er sie unter hohem zeitlichen Einsatz und in organisatorisch und inhaltlich leitender Funktion ins Leben. Damit gründete er die Vereinigung nicht lediglich als einfacher Täter, sondern als Rädelsführer.
31d) Den Angeklagten B., der als einziger der Angeklagten und Nichtrevidenten nicht am Treffen vom teilnahm, hat das Oberlandesgericht schließlich rechtsfehlerfrei wegen Beihilfe zur rädelsführerschaftlichen Gründung einer terroristischen Vereinigung verurteilt.
32aa) Eine Beihilfe zur Gründung einer Vereinigung ist in Anwendung der zu § 27 Abs. 1 StGB entwickelten Grundsätze verwirklicht, wenn der Täter vorsätzlich das tatbestandsmäßige und rechtswidrige Verhalten des Haupttäters, mithin eines Gründers, fördert oder erleichtert. Dies war hier der Fall. B. wusste um die Pläne S., begrüßte sie und bestärkte ihn in der näher dargelegten Weise bewusst und gewollt in diesen. Damit leistete er psychische Beihilfe zu dessen Tat (zu den Voraussetzungen einer psychischen Beihilfe s. etwa BGH, Beschlüsse vom – 2 StR 84/95, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 14; vom – 1 StR 344/15, NStZ-RR 2016, 136, 137).
33Unerheblich ist insoweit, dass die Handlungen B. im Vorfeld der Gründung stattfanden. Denn eine Hilfeleistung ist auch durch einen Tatbeitrag im Vorbereitungsstadium möglich, wenn der Haupttäter das Delikt anschließend plangemäß begeht und der Beitrag dabei fortwirkt (st. Rspr.; s. etwa , BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 37 Rn. 15). So liegt es bei psychischer Beihilfe durch Bestärken des Haupttäters geradezu typischerweise. Selbst ein – hier nicht festgestelltes – inneres Lossagen des Gehilfen von der Tat vor deren Ausführung ist dann rechtlich wirkungslos. Wird die Tat vollendet, ist er an der vollendeten Tat beteiligt (, NStZ 2022, 605 Rn. 14 mwN). Diese Voraussetzungen sind beim Handeln des Angeklagten B. erfüllt. Sein Tatbeitrag wirkte auf den Gründungsakt fort. Denn S. hielt B. auch Anfang Februar 2020 weiterhin für nützlich (UA S. 129) und blieb mit ihm über den hinaus in Kontakt (UA S. 152).
34An den Vorsatz des Gehilfen sind geringere Anforderungen als an den des Haupttäters zu stellen. Wer lediglich eine fremde Tat fördert, braucht deren Einzelheiten nicht zu kennen und keine bestimmten Vorstellungen von ihr zu haben. Es ist nur ein Mindestmaß an Konkretisierung erforderlich, das die zentralen Merkmale der Haupttat umfasst, namentlich den wesentlichen Unrechtsgehalt und die wesentliche Angriffsrichtung. Diese muss der Hilfeleistende im Sinne eines bedingten Vorsatzes zumindest für möglich halten und billigen (st. Rspr.; s. etwa BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 448/89, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Vorsatz 6; vom – 3 StR 420/10, NStZ 2011, 399, 400; vom – 3 StR 272/17, juris Rn. 33). Entgegen den Ausführungen in seiner Revisionsbegründung erfüllte B. diese Voraussetzungen. Nach den vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen wusste er von gewaltsamen Umsturzplänen S. mittels Waffen und dessen gezielter Suche nach Gleichgesinnten zur gemeinsamen Umsetzung dieser Pläne innerhalb eines konspirativ agierenden Bündnisses. Überdies war ihm klar, dass ein solches Bündnis von Anfang an unter S. Führung stehen wird. Das genügt für die Tatkonkretisierung. Dass B. keine konkreten Anschlagsziele kannte, steht dem nicht entgegen, zumal spezielle Tatorte selbst bei der Gründungsversammlung der Vereinigung am noch nicht feststanden.
35bb) Ohne Rechtsfehler ist zudem die Verurteilung B. wegen Beihilfe zur qualifizierten Tat der rädelsführerschaftlichen Gründung nach § 129a Abs. 1 und 4, § 27 Abs. 1 StGB. Denn eine solche qualifizierte Haupttat beging S., was B. wusste und wollte. Die Rädelsführerschaft kennzeichnet ein besonders gefährliches Verhalten und kein personales Unrecht. Sie ist ein tatbezogenes und kein besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 2 StGB (MüKoStGB/Anstötz, 5. Aufl., § 129a Rn. 58 und § 84 Rn. 30; LK/Krauß, StGB, 13. Aufl., § 129a Rn. 88; TK-StGB/Schittenhelm/Weißer, 31. Aufl., § 129a Rn. 23 mwN). Hierzu im Einzelnen:
36Die Strafe des Teilnehmers richtet sich grundsätzlich nach der für die Haupttat geltenden Strafandrohung. § 28 Abs. 2 StGB enthält Ausnahmen von diesem Grundsatz der akzessorischen Teilnehmerhaftung und führt zu einer Tatbestandsverschiebung, wenn beim Täter oder Teilnehmer besondere persönliche Merkmale vorliegen, welche die Strafe schärfen, mildern oder ausschließen. Für die Anwendbarkeit der Vorschrift ist zwischen täterbezogenen Umständen, die als besondere persönliche Merkmale nach § 28 StGB behandelt werden, und tatbezogenen Merkmalen zu differenzieren, für die § 28 StGB nicht gilt. Die Abgrenzung hängt davon ab, ob das betreffende Merkmal im Schwergewicht die Persönlichkeit des Täters oder die Tat kennzeichnet. Täterbezogenheit eines Merkmals ist anzunehmen, wenn es Motive und Gesinnungen betrifft, die die Persönlichkeit des Täters beschreiben. Umstände, die eine besondere Gefährlichkeit des Täterverhaltens anzeigen oder die Ausführungsart des Delikts beschreiben, sind dagegen in der Regel tatbezogen (st. Rspr.; s. etwa , BGHSt 55, 229 Rn. 4 f. mwN; MüKoStGB/Scheinfeld, 5. Aufl., § 28 Rn. 16 mwN).
37Nach diesen Maßstäben ist die Rädelsführerschaft kein besonderes persönliches Merkmal. Sie wird, wie unter 2. c) näher ausgeführt, nicht durch eine formale Stellung des Täters innerhalb einer Vereinigung gekennzeichnet. Vielmehr stellt sie eine Modalität der Tatausführung dar. Entscheidend für die Rädelsführerschaft ist die maßgebende Einflussnahme auf Gründung oder Wirken der Vereinigung. Die Qualifikation erfordert ein Verhalten des Täters, das Belange mit für die Vereinigung wesentlicher Bedeutung prägt. Zweck der Straferhöhung ist somit nicht, die Motive oder Gesinnung eines Rädelsführers zu sanktionieren, sondern die außergewöhnliche Gefährlichkeit seines Tuns. Damit kennzeichnet die Rädelsführerschaft nicht den Täter, sondern die Tat. Es handelt sich somit um ein tatbezogenes Merkmal, auf das § 28 Abs. 2 StGB keine Anwendung findet.
38cc) Die Strafe für den Angeklagten B. hat das Oberlandesgericht § 129a Abs. 5 Satz 1 Variante 1 StGB entnommen. Dabei hat es sich von der Überlegung leiten lassen, dass der dort normierte Strafrahmen – Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren – unterschiedslos für alle Fälle der Unterstützung gilt, also unabhängig davon, ob der Täter die vereinigungsbezogene Tätigkeit eines einfachen Vereinigungsmitglieds oder eines Rädelsführers fördert. Anders liegt es bei einer Beihilfe zur Gründung. Erleichtert der Täter das einfache Gründen im Sinne des § 129a Abs. 1 Variante 1 StGB, richtet sich seine Strafe nach dem gemäß § 27 Abs. 2 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen dieser Norm. Hilft er dagegen – wie hier – einem Rädelsführer bei der Gründung, ist er aus dem nach § 27 Abs. 2 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 129a Abs. 4 StGB zu bestrafen, mithin mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu elf Jahren und drei Monaten. Der Strafrahmen für die Beihilfe zur rädelsführerschaftlichen Gründung ist damit höher als derjenige für eine – zur Täterschaft hochgestufte – Beihilfe zur rädelsführerschaftlichen Beteiligung als Mitglied an einer terroristischen Vereinigung. Hierin hat das Oberlandesgericht einen Wertungswiderspruch gesehen.
39Ob in dem gesetzlichen Sanktionsgefüge tatsächlich ein solcher Wertungswiderspruch liegt oder ob den unterschiedlichen Strafrahmen eine sachliche Rechtfertigung zugrunde liegt, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn der Angeklagte ist durch die Anwendung des milderen Strafrahmens jedenfalls nicht beschwert.
40dd) Abschließend ist auf Folgendes hinzuweisen:
41Rechtlich zutreffend hat der Staatsschutzsenat B. Verhalten nicht als Unterstützung im Sinne des § 129a Abs. 5 Satz 1 StGB gewürdigt. Denn diese Begehungsform setzt ebenso wie das Werben um Mitglieder oder Unterstützer angesichts des klaren Wortlauts der Norm eine bereits bestehende Vereinigung voraus (s. etwa MüKoStGB/Anstötz, 5. Aufl., § 129 Rn. 128).
42Das Oberlandesgericht hätte hinsichtlich der Angeklagten K. und Wo. in Bedacht nehmen können, dass auch sie sich – neben der für sie abgeurteilten Unterstützung einer terroristischen Vereinigung nach § 129a Abs. 5 Satz 1 StGB – einer tateinheitlichen Beihilfe zur (rädelsführerschaftlichen) Gründung einer solchen strafbar gemacht haben könnten. Die Nichtannahme einer entsprechenden Strafbarkeit beschwert diese Revisionsführer allerdings nicht.
Schäfer Berg Erbguth
Kreicker Munk
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:200825B3STR100.25.0
Fundstelle(n):
LAAAK-06764