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BGH Urteil v. - 1 StR 467/24

Instanzenzug: Az: 2 KLs 660 Js 18915/22

Gründe

1Das das Verfahren gemäß § 260 Abs. 3 StPO eingestellt. Hiergegen hat die Staatsanwaltschaft zu Ungunsten der Angeklagten Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts. Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Rechtsmittel haben Erfolg.

I.

2Dem Einstellungsurteil des Landgerichts ging folgendes prozessuales Geschehen voraus:

31. Mit Anklageschrift vom hat die Staatsanwaltschaft Karlsruhe dem Angeklagten B. 45, dem Angeklagten M. 14 und dem Angeklagten D. drei Fälle der gewerbs- und bandenmäßigen Geldwäsche gemäß § 261 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Nr. 4, Abs. 5, § 25 Abs. 2, § 53 StGB zur Last gelegt.

4In dem Anklagesatz wird den Angeklagten vorgeworfen, spätestens ab Februar 2022 ein Geschäftsmodell entwickelt zu haben, das vorsah, dass ihre Kunden illegal erwirtschaftetes Geld auf die Geschäftskonten näher bezeichneter Scheingesellschaften der Angeklagten überwiesen, die als austauschbare Unternehmen ohne operatives Geschäft einzig der Vermögensverschiebung dienten. Wenn die Zahlungseingänge einen gewissen Umfang erreichten, sei ein meist sechsstelliger Geldbetrag zunächst weiter auf ein als Durchlaufkonto genutztes Geschäftskonto einer der anderen Scheingesellschaften und von dort in Absprache mit dem Angeklagten B. zeitnah weiter auf eines der Geschäftskonten der X. GmbH überwiesen worden. Sodann hätten B. oder M. sowie in späteren Fällen auch D. und der gesondert verfolgte U. absprachegemäß die eingehenden Beträge umgehend in bar abgehoben oder für Feingoldkäufe genutzt. Das Bargeld sei anschließend nach Be. verbracht und abzüglich einer Provision wieder an die Kunden ausgezahlt worden.

5Der Anklagesatz teilt ferner für jede der den Angeklagten zur Last gelegten Einzeltaten mit, wann und in welcher Höhe Gelder von einer der Gesellschaften an eine der anderen Gesellschaften transferiert wurden und wer die Überweisung veranlasste. Zudem werden überwiegend Kontostände und Zahlungseingänge bei der Erstüberweiserin sowie die Verwendung der Gelder bei der letzten Überweisungsempfängerin dargestellt. Im Fall von Barabhebungen werden Uhrzeit, Abhebungsbetrag und Auszahlungsort mitgeteilt. Soweit die Gelder für Goldkäufe verwendet wurden, werden Kaufpreis und Verkäufer genannt. Zur Herkunft der transferierten Gelder wird ausgeführt, dass diese von den Kunden illegal erwirtschaftet worden seien.

6Im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen werden die an den Kettenbuchungen beteiligten Gesellschaften näher beschrieben, insbesondere die Vertretungsverhältnisse, der jeweilige Sitz und die Geschäftsräume. Des Weiteren wird dort dargestellt, auf welche Umstände sich die Annahme stützt, dass eine legale Herkunft der transferierten Gelder ausgeschlossen sei. Hierzu wird vor allem auf die ermittelte Struktur der X. GmbH sowie der weiteren involvierten Unternehmen, das Konstrukt der Verschiebung von Vermögenswerten in Überweisungsketten durch bloße Durchlaufkonten, das Fehlen einer ordnungsgemäßen Buchhaltung sowie die durch Zeugenaussagen und die Auswertung von Datenträgern nachvollziehbare Ausstellung von Scheinrechnungen abgestellt. Weiter wird ausgeführt, dass es einerseits aufgrund des Ermittlungsstandes im Zeitpunkt der Anklageerhebung sowie der Komplexität der Zahlungsflüsse über die Konten einzelner Unternehmen als Sammelbecken zahlreicher Geldgeber nicht möglich war, die illegale Herkunft der Gelder aus den einzelnen Tatziffern jeweils einer konkreten rechtswidrigen Vortat zuzuordnen, andererseits dennoch Bezüge zu Vermögensdelikten zu erkennen sind, die ein weiteres beträchtliches Indiz für die illegale Herkunft sämtlicher Gelder seien. Schließlich wird mitgeteilt, dass auf den als Sammelbecken genutzten Konten der hier als Geldgeber auftretenden Unternehmen ohne plausiblen wirtschaftlichen Hintergrund Zahlungen in Höhe von 6.301.367,86 Euro durch diverse Betreiber von Corona-Teststellen eingingen, wobei zum Zeitpunkt der Anklageerhebung gegen mehrere der geldgebenden Betreiber der Teststellen Ermittlungsverfahren unter anderem wegen des Verdachts des Betruges anhängig waren. Außerdem finden sich im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen eine nach Fällen gegliederte tabellarische Zusammenstellung u.a. der jeweiligen Kontosalden bei den Erstüberweiserinnen, der inkriminierten Geldeingänge bei der X. GmbH, der Kontosalden bei der X. GmbH vor der jeweiligen Verwendungshandlung und das Verhältnis von inkriminiertem Geldeingang zum Kontosaldo.

72. Das das Hauptverfahren eröffnet und die Anklage unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen, welche vom bis zum an zehn Tagen stattgefunden hat.

83. Im Hauptverhandlungstermin vom hat das Landgericht das Verfahren mit Urteil gemäß § 260 Abs. 3 StPO eingestellt, weil die Anklageschrift nicht die in § 200 Abs. 1 Satz 1 StPO normierte Umgrenzungsfunktion erfülle. Der von der Staatsanwaltschaft zunächst gezogene pauschale Schluss von der Art des Umgangs mit den transferierten Geldbeträgen innerhalb der Scheingesellschaften und der X. GmbH auf deren Bemakelung sei nicht haltbar. Die gesamte Gestaltung könne genauso dem Transfer legal erwirtschafteter Gelder gedient haben.

II.

9Die Revisionen der Staatsanwaltschaft haben Erfolg. Ein Verfahrenshindernis liegt nicht vor, weil die Anklage ihrer Umgrenzungsfunktion genügt.

101. Eine Anklage ist nur dann unwirksam mit der Folge, dass das Verfahren wegen Fehlens einer Prozessvoraussetzung einzustellen ist, wenn etwaige Mängel ihre Umgrenzungsfunktion betreffen (st. Rspr.; vgl.  Rn. 17 ff.). Liegt dem Angeklagten Geldwäsche (§ 261 StGB) zur Last, ist zudem zu berücksichtigen, dass es sich um ein sogenanntes Anschlussdelikt handelt, mithin die Begehung einer strafbaren Vortat ein wesentliches Merkmal der Strafbarkeit ist. Die Vortat versieht das Geld, mit dem der Geldwäschetäter umgeht, mit dem Makel, der einer an sich neutralen, sozialtypischen Handlung (z.B. Geldzahlung an einen anderen) das Unwerturteil der Strafbarkeit zuweist (vgl. Rn. 41). Als Tatgegenstand der Geldwäsche sind sämtliche Rechtsobjekte zu sehen, denen ein Vermögenswert zukommt. So fallen auch Forderungen und Buchgeld unter diesen weiten Begriff des Gegenstandes (vgl. BT-Drucks. 12/989 S. 27). Die Frage der Umgrenzung eines Sachverhalts ist hierbei stets von den Feststellungen in einem Urteil und der Nachweisbarkeit eines solchen Sachverhalts zu trennen (vgl. zu den Anforderungen an die Urteilsfeststellungen bei Geldwäsche, insbesondere zur Abgrenzung von Nichtkatalogtaten gemäß § 261 StGB aF: Rn. 45 und vom – 5 StR 100/18 Rn. 25 f.).

11Die Darstellungsmaßstäbe, die an ein Urteil zu stellen sind, sind nicht identisch mit den Darstellungserfordernissen einer Anklage (vgl. , BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 27 Rn. 11; Beschlüsse vom – 1 StR 296/12 unter 1. und vom – 1 StR 665/08 Rn. 3). Der Anklagesatz muss bei dem Tatvorwurf der Geldwäsche nach § 261 StGB im Hinblick auf die Vortat erkennen lassen, welche Tatgegenstände aus einer solchen rechtswidrigen Tat herrühren. Einer näheren Beschreibung der Vortat bedarf es nur insoweit, wie dies nach den Umständen des Einzelfalls zur Eingrenzung des dem Strafvorwurf zugrundeliegenden Lebenssachverhalts erforderlich ist. Insbesondere durch den nunmehr geltenden „all-crimes-Ansatz“ des § 261 StGB (BT-Drucks. 19/24180, S. 42) sind nähere Schilderungen, die vormals zur Abgrenzung einer Katalogtat von anderen Straftaten erforderlich waren, für die bloße Umgrenzung des Lebenssachverhaltes einer Geldwäschetat nicht mehr zwingend erforderlich. Für die Darstellung der inkriminierten Herkunft und für die – nunmehr nach Streichung des § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB aF erforderliche – Abgrenzung zur Ersparnis von Aufwendungen ist es hingegen unerlässlich, dass der Tatgegenstand in der Anklageschrift so genau bezeichnet wird, dass keine Unklarheit darüber möglich ist, dass eben dieser Gegenstand der bemakelte ist. Die Schilderung muss umso konkreter sein, je größer die Möglichkeit ist, dass auch ein anderer Gegenstand als Tatgegenstand in Betracht kommt (vgl. zur Tathandlung: , BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 27 Rn. 10). Die Behauptung, dass ein konkreter Tatgegenstand aus einer Straftat stammt, genügt jedenfalls für eine ausreichende Umgrenzung des Sachverhaltes, wenn dieser Gegenstand durch die Anklage eindeutig beschrieben und individualisierbar ist. Ob dieser tatsächlich eine inkriminierte Herkunft aufweist, ist eine Frage der in der Hauptverhandlung zu klärenden Nachweisbarkeit und strikt von der Umgrenzung eines historischen Sachverhaltes zu trennen. Durch die bestimmte Angabe eines bemakelten Gegenstandes ist die Anklage so deutlich, dass sich die Verteidigung hierauf in ausreichendem Maße einstellen kann.

122. Nach diesen Maßstäben sind sowohl die Anklage als auch der Eröffnungsbeschluss wirksam.

13a) Der zugrundeliegende Lebenssachverhalt wird nach den sich aus der Anklageschrift ergebenden Gesamtumständen durch Tatort, Tatzeit und Tatmodalitäten in ausreichendem Maße dargestellt.

14aa) Die Anklage beschreibt sowohl den modus operandi der Angeklagten als auch die ihnen zur Last gelegten 45 Einzeltaten hinreichend detailliert. Da für jede Tat mitgeteilt wird, an welchem Tag die Überweisungen ausgeführt wurden, und bei den Abhebungen zusätzlich die Uhrzeit, sind die den Anklagevorwürfen zugrundeliegenden Lebenssachverhalte zeitlich hinreichend eingegrenzt. Dass jeweils die beteiligten Bankkonten mit Kontonummer und die kontoführende Filiale beziehungsweise bei den Abholungen die auszahlende Filiale sowie die Person des Abhebenden angegeben werden, grenzt die Fälle nochmals von vergleichbaren Ereignissen ab. Durch die Angabe, welchen Saldo das Konto der X. GmbH vor den jeweiligen Abhebungen auswies, wird eine weitere Individualisierung erreicht. Für einen Teil der Taten wird darüber hinaus angegeben, wie die auf dem Konto der X. GmbH eingegangenen Gelder verwendet wurden. Auch mit Blick auf die Herkunft der Gelder aus rechtswidrigen Taten ist der Anklagesatz hinreichend genau. Denn es wird mehrfach klargestellt, dass sämtliche vorgeworfenen Transaktionen Gelder betreffen sollen, die illegal erwirtschaftet wurden, mithin aus Straftaten stammen. Insgesamt wird damit für alle Taten der jeweils zugrundeliegende Lebenssachverhalt so genau beschrieben, dass die Angeklagten ihre Verteidigung darauf einstellen konnten.

15bb) Die vorgenannten Umstände hat die Strafkammer bei ihrer Entscheidung zwar vollständig in den Blick genommen. Sie verkennt jedoch, dass es der von ihr darüber hinaus verlangten präziseren Beschreibung der jeweiligen Vortat nicht bedurfte, weil diese nicht zu einer weiteren Umgrenzung des zugrundeliegenden Lebenssachverhalts geführt hätte. Sie hätte allenfalls der Plausibilisierung gedient, dass die Gelder aus einer rechtswidrigen Tat stammen, was jedoch keine Frage der Umgrenzungsfunktion, sondern des hinreichenden Tatverdachts bzw. der richterlichen Überzeugungsbildung (§ 261 StPO) ist und bereits bei der Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens zu bedenken gewesen wäre. Einer Fehleinschätzung des Tatverdachts beziehungsweise dem Fehlen der Möglichkeit eines Tatnachweises kann auch deshalb nicht mit einer Einstellung des Verfahrens begegnet werden, weil der Angeklagte einen vorrangigen Anspruch hat, von den ihm zur Last gelegten Vorwürfen bei mangelnder Nachweisbarkeit freigesprochen zu werden (st. Rspr.; vgl. , BGHSt 13, 268, 273; vom  – AnwSt(R) 6/69 Rn. 12, BGHSt 23, 259; vom , 5 StR 169/99, BGHSt 20, 333, 335; vom  – 5 StR 14/04 Rn. 42, BGHSt 50, 30 und vom  – 3 StR 474/19 Rn. 43, BGHSt 66, 89; Beschlüsse vom – 3 StR 126/04 Rn. 2 und vom – 5 StR 383/06 Rn. 20).

16b) Ergänzend ist anzumerken, dass die Anklage auch ihrer Informationsfunktion genügt. Die Staatsanwaltschaft hat das wesentliche Ergebnis ihrer Ermittlungen so ausführlich und nachvollziehbar dargestellt, dass es den Angeklagten insbesondere möglich war, zu erkennen, auf welche Beweisgrundlage sich der erhobene Anklagevorwurf stützen soll (vgl.  Rn. 19, 20, BGHSt 40, 390, 392). Ob es – auch mit Blick auf Art. 6 Abs. 3 lit. a EMRK – Fälle geben kann, in denen gravierende Informationsmängel, z.B. das Fehlen des in § 200 Abs. 2 Satz 1 StPO vorgeschriebenen wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen oder dessen unzureichende Darstellung, ausnahmsweise zur Unwirksamkeit der Anklage führen können, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Ein solcher Fall liegt ersichtlich nicht vor.

III.

17Der Senat weist für das weitere Verfahren darauf hin, dass die Einziehungsbeteiligung der X. GmbH fortbesteht.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:230725U1STR467.24.0

Fundstelle(n):
SAAAK-06471