Instanzenzug: Az: S 44 KR 408/19 Gerichtsbescheidvorgehend Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht Az: L 10 KR 15/21 Urteil
Tatbestand
1Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung.
2Das Krankenhaus der Klägerin behandelte vom 30.6. bis eine 1928 geborene Versicherte der beklagten Krankenkasse. Die Versicherte wurde mit Übelkeit und Oberbauchbeschwerden bei Cholestase (Gallenstauung) stationär aufgenommen. Sie wurde medikamentös behandelt und in den Gallengang wurde eine Prothese eingelegt. Bei einem Sturz aus dem Krankenhausbett zog sich die Versicherte eine gering dislozierte Fraktur des vorderen Schambeinastes zu. Diese wurde medikamentös behandelt und die Versicherte nachfolgend in eine andere Klinik verlegt.
3Die Klägerin rechnete den Behandlungsfall gegenüber der Beklagten am nach Maßgabe der Fallpauschale (DRG) H41C in Höhe von 6276,69 Euro ab. Dabei kodierte sie (jeweils nach ICD-10-GM) als Hauptdiagnose K83.1 (Verschluss des Gallenganges) und als Nebendiagnose ua S32.5 (Fraktur des Schambeins). Die Beklagte beglich die Rechnung und beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit einer Abrechnungsprüfung und Fragen zur Dauer der stationären Behandlung sowie zur Kodierung der Hauptdiagnose und der Nebendiagnosen. Der MDK gelangte im Rahmen einer Begehung des Krankenhauses zu der Einschätzung, dass als Hauptdiagnose D37.6 (Neubildung unsicheren oder unbekannten Verhaltens: Leber, Gallenblase und Gallengänge) zu kodieren sei. Als Nebendiagnosen seien K83.1, S32.5 und darüber hinaus S73.00 (Luxation der Hüfte, nicht näher bezeichnet), S32.4 (Fraktur des Acetabulums - Hüftgelenkpfanne) sowie S31.84 (Weichteilschaden I. Grades bei geschlossener Fraktur oder Luxation der Lendenwirbelsäule und des Beckens) zu kodieren. Die übrigen von der Klägerin kodierten Nebendiagnosen und die Prozeduren seien "laut Auftrag nicht geprüft" worden. Der MDK bestätigte die DRG H41C, allerdings mit einem geringeren Kostengewicht, da die Versicherte nach der Dokumentation bereits drei Tage früher in die weiterbehandelnde Klinik hätte verlegt werden können. Die Beklagte machte daraufhin gegenüber der Klägerin einen Erstattungsanspruch für drei Tage in Höhe von 553,09 Euro geltend.
4Die Klägerin widersprach der (nicht abrechnungsrelevanten) Bewertung des MDK hinsichtlich der Hauptdiagnose und übersandte der Beklagten eine geänderte Rechnung vom über 11 638,13 Euro auf der Grundlage der DRG H41A. Dabei bezog sie die Nebendiagnosen E87.6 (Hypokaliämie), D68.5 (primäre Thrombophilie) und T84.04 (Mechanische Komplikation durch eine Gelenkendoprothese - Hüftgelenk) ein, die jeweils für sich genommen in die DRG H41A führen. Die Beklagte trat dieser Rechnung entgegen und kürzte sie auf den ursprünglichen Zahlbetrag.
5Das SG hat die Beklagte zur Zahlung von 5914,53 Euro nebst Zinsen verurteilt (Gerichtsbescheid vom ). Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das LSG zurückgewiesen. Die Nachkodierung der Nebendiagnosen E87.6, D68.5 und T84.04 sei in der Sache zutreffend gewesen und weder nach § 7 Abs 5 Prüfverfahrensvereinbarung 2016 (PrüfvV 2016) präkludiert noch verwirkt. Der Prüfauftrag der Beklagten habe die Dauer der stationären Behandlung, die Richtigkeit der Hauptdiagnose K83.1 sowie der DRG-relevanten Nebendiagnose S32.5 umfasst, nicht jedoch die drei nachkodierten Nebendiagnosen zum Prüfgegenstand gehabt. Die Themenkreisüberschneidung der nachkodierten Nebendiagnosen mit der ursprünglich kodierten Nebendiagnose S32.5 schließe die Nachkodierung nicht aus. Dabei sei insbesondere von Bedeutung, dass § 4 Satz 2 PrüfvV 2016 - anders als die PrüfvV 2014 - eine Konkretisierung des Prüfgegenstandes hinsichtlich der beanstandeten Haupt- und/oder Nebendiagnosen bzw Prozeduren verlange, wie sie die Beklagte auch vorgenommen habe (Urteil vom ).
6Die Beklagte rügt mit ihrer Revision sinngemäß eine Verletzung von § 4 und § 7 Abs 5 PrüfvV 2016. Der Nachkodierung der Nebendiagnosen durch die Klägerin habe die materielle Präklusionswirkung des § 7 Abs 5 PrüfvV 2016 entgegengestanden. Prüfgegenstand seien vorliegend ua sämtliche Nebendiagnosen gewesen. § 4 PrüfvV 2016 stehe dem nicht entgegen. Die Vorschrift regele nur inhaltliche Vorgaben an die Prüfanzeige und keine zwingenden Anforderungen an den Prüfauftrag (Verweis auf ).
9Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Gründe
10Die zulässige Revision der beklagten Krankenkasse ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 SGG). Zu Unrecht hat das SG der Klage stattgegeben und das LSG die dagegen gerichtete Berufung zurückgewiesen.
11Streitgegenstand des Verfahrens ist in Höhe von 553,09 Euro eine unstreitige Vergütungsforderung der Klägerin, gegen die die Beklagte ihren im Ergebnis des Prüfverfahrens geltend gemachten Erstattungsanspruch wegen einer Verweildauerkürzung in der genannten Höhe aufgerechnet hat (vgl dazu - SozR 4-2500 § 69 Nr 15 RdNr 10). Im Übrigen, dh in Höhe des Differenzbetrages von 5361,44 Euro zwischen der ursprünglichen Abrechnung des streitigen Behandlungsfalls von 6276,69 Euro und der Korrekturrechnung der Klägerin von 11 638,13 Euro, ist Streitgegenstand des Verfahrens eine (weitere) Vergütungsforderung der Klägerin für die Behandlung der Versicherten.
12Die darauf gerichtete Leistungsklage ist im hier bestehenden Gleichordnungsverhältnis zulässig (stRspr; vgl KR R - BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 9; - BSGE 133, 24 = SozR 4-2500 § 2 Nr 17, RdNr 7) aber unbegründet.
13Der unstreitige Vergütungsanspruch in Höhe von 553,09 Euro ist durch Aufrechnung mit dem aus der Behandlung der Versicherten resultierenden Erstattungsanspruch erloschen (vgl zur Zugrundelegung von Vergütungsansprüchen bei unstrittiger Berechnungsweise - juris RdNr 11 mwN, stRspr; vgl zur Aufrechnung - SozR 4-5562 § 11 Nr 2 und - SozR 4-7610 § 366 Nr 1). Der beklagten Krankenkasse stand ein Erstattungsanspruch in der geltend gemachten Höhe zu. Der über den aufgerechneten Erstattungsbetrag hinausgehende Vergütungsanspruch in Höhe von 5361,44 Euro steht der Klägerin nicht zu. Aus diesen Gründen scheidet auch ein Zinsanspruch aus.
14Die Klägerin hatte in dem streitigen Abrechnungsfall nur Anspruch auf die niedrigere Vergütung nach der DRG H41C unter Berücksichtigung einer um drei Tage gekürzten Verweildauer, nicht auf die mit der Korrekturrechnung vom abgerechnete Vergütung nach der DRG H41A. Die Klägerin durfte die die DRG H41A ansteuernden Nebendiagnosen E87.6, D68.5 und T84.04 nicht nachkodieren.
15Rechtsgrundlage des von der Klägerin wegen der Behandlung der Versicherten geltend gemachten Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V iVm § 17b KHG und § 7 KHEntgG. Der Anspruch wird durch Vereinbarungen auf Bundes- und Landesebene konkretisiert (vgl - SozR 4-1500 § 65d Nr 1 RdNr 16). Die Krankenhausvergütung bemisst sich nach Fallpauschalen auf gesetzlicher Grundlage (vgl dazu - BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 14 ff).
16Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung - abgesehen von einem Notfall - in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und iS von § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (stRspr; vgl - BSGE 130, 73 = SozR 4-2500 § 12 Nr 18, RdNr 11 mwN). Diese Grundvoraussetzungen waren nach den unangegriffenen, den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) vorliegend erfüllt, was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist (vgl zur Zugrundelegung unstreitiger Anspruchsvoraussetzungen - juris RdNr 11 mwN). Allerdings hätte nach den unangegriffenen und den Senat damit bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) die Versicherte drei Tage früher in die weiterbehandelnde Klinik verlegt werden können, dh bereits am .
17Die Beklagte hat den Behandlungsfall der Versicherten hiernach bereits ordnungsgemäß nach Maßgabe der DRG H41C vergütet. Die von der Klägerin nachkodierten Nebendiagnosen E87.6, D68.5 und T84.04 unterliegen nach § 7 Abs 5 PrüfvV 2016 der materiellen Präklusion und waren deshalb nicht zu berücksichtigen.
18Nach § 7 Abs 5 PrüfvV 2016 sind Korrekturen oder Ergänzungen von Datensätzen nur einmalig möglich (Satz 1). Diese hat der MDK nur dann in seine Prüfung einzubeziehen, wenn sie innerhalb von 5 Monaten nach Einleitung des MDK-Prüfverfahrens nach § 6 Abs 2 PrüfvV 2016 an die Krankenkasse erfolgen (Satz 2). Sollte eine Begutachtung durch den MDK vor Ablauf der Frist des Satzes 2 beendet sein, ist eine Korrektur oder Ergänzung von Datensätzen nur bis zum Ende der Begutachtung durch den MDK möglich (Satz 3). In den Fällen der Prüfung vor Ort finden die Sätze 2 und 3 mit der Maßgabe Anwendung, dass eine Korrektur oder Ergänzung nur bis zum Abschluss der Prüfung vor Ort möglich ist (Satz 4).
19§ 7 Abs 5 PrüfvV 2016 bewirkt eine materielle Präklusion mit der Rechtsfolge, dass Änderungen zugunsten des vom Krankenhaus zu Abrechnungszwecken an die Krankenkasse übermittelten Datensatzes nach Ablauf der in der PrüfvV geregelten Änderungsfristen unzulässig sind, soweit der Datensatz Gegenstand des Prüfverfahrens geworden ist (siehe hierzu eingehend - RdNr 17 f, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen; vgl ferner - SozR 4-2500 § 301 Nr 11 RdNr 16; zur PrüfvV 2014 vgl - BSGE 132, 152 = SozR 4-2500 § 301 Nr 10, RdNr 14).
20§ 7 Abs 5 PrüfvV 2016 ist zeitlich auf die im Jahr 2018 durchgeführte Krankenhausbehandlung der Versicherten anwendbar (siehe § 13 Abs 1 PrüfvV 2016). Die Voraussetzungen der Präklusion liegen in Bezug auf die nachkodierten Nebendiagnosen vor (hierzu 1.). Sie sind als Teil des vom Prüfverfahren betroffenen Datensatzes der Diagnosen von der Präklusionswirkung umfasst (hierzu 2. und 3.). Die Nachkodierung erfolgte nicht lediglich zur Umsetzung des MDK-Prüfergebnisses (hierzu 4.).
211. Die Klägerin hat die streitigen Nebendiagnosen E87.6, D68.5 und T84.04 erstmals im Rahmen ihres Widerspruchs gegen das Ergebnis der MDK-Begutachtung am kodiert und damit nach der Beendigung der Begutachtung durch den MDK (§ 7 Abs 5 Satz 3 PrüfvV 2016).
22Diese Feststellung darf der Senat selbst treffen. Die Vorschrift des § 163 SGG, wonach das BSG an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden ist, außer wenn in Bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind, steht dem nicht entgegen.
23Eine widersprüchliche Feststellung des LSG bindet das BSG nicht (stRspr; vgl 5b RJ 50/84 - SozR 2200 § 1246 Nr 139 = juris RdNr 11; - BSGE 134, 184 = SozR 4-2500 § 39 Nr 36, RdNr 25 mwN; vgl speziell zu einem Widerspruch zwischen Tatbestand und Entscheidungsgründen - juris RdNr 21). Einer Zurückverweisung an das LSG wegen widersprüchlicher Feststellungen bedarf es aus Gründen der Prozessökonomie ausnahmsweise aber nicht, wenn durch eine Feststellung des BSG über den Rechtsstreit im Revisionsverfahren abschließend entschieden werden kann. Gleiches gilt für den Fall, dass das LSG überhaupt keine Feststellung getroffen hat. Die Kompetenz des Revisionsgerichts, jenseits genereller Tatsachen selbst Feststellungen im individuellen Fall zu treffen, unterliegt aber sehr engen Voraussetzungen (vgl zu unterschiedlichen Fallgestaltungen, in denen das BSG zur Berechtigung, individuelle Tatsachen festzustellen, auf die Prozessökonomie verwiesen hat: - BSGE 58, 49, 51 = SozR 1300 § 45 Nr 15 S 38; 5/5b RJ 30/87 - SozR 2200 § 1241d Nr 14 = juris RdNr 11 mwN, - SozR 3-4100 § 117 Nr 6 S 40; - SozR 3-4100 § 117 Nr 7 S 47; - SozR 4-7837 § 2 Nr 19 RdNr 40; - SozR 4-2700 § 200 Nr 4 RdNr 39; inzident: - BSGE 97, 144 = SozR 4-1300 § 48 Nr 8, RdNr 48-49).
24Hat das LSG keine Feststellung getroffen oder ist - wie hier - seine Feststellung in Ansehung seiner Urteilsgründe widersprüchlich, darf das BSG aus Gründen der Prozessökonomie selbst Feststellungen treffen, wenn die Interessen der Beteiligten gewahrt werden (vgl - SozR 3-4100 § 117 Nr 6 S 40) und keine aufwändige Beweisaufnahme erforderlich ist (so insgesamt zutreffend Hauck in Zeihe, SGG, Stand Juni 2024, § 163 Anm 4d; ähnlich B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl 2023, § 163 RdNr 5; enger Röhl in Schlegel/Voelzke, juris-PK SGG, 2. Aufl 2022, § 163 RdNr 42, Stand , und wohl auch Meßling in Krasney/Udsching/Groth/Meßling, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 8. Aufl 2022, IX. Kapitel RdNr 458; unklar hinsichtlich der rechtlichen Begründung für die als möglich angesehene Unstreitigstellung von Tatsachen Fichte in Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl 2020, § 163 RdNr 17). Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn die dazu angehörten Beteiligten übereinstimmend den vom BSG festgestellten Sachverhalt als zutreffend bezeichnen, es dabei um Umstände geht, die ihrer jeweiligen - hier betrieblichen - Sphäre entstammen, sich aus den Akten oder aus sonstigen Umständen keine Anhaltspunkte für einen anderen Sachverhalt ergeben und wenn - wie hier - die Beteiligten eine besondere professionelle Kompetenz aufweisen, also sie die tatsächlichen Angaben und ihre rechtlichen Implikationen zutreffend einordnen können (zu letzterem Gesichtspunkt vgl - juris RdNr 11, dort zur Übernahme übereinstimmenden Beteiligtenvortrags hinsichtlich unstreitiger Hauptforderungen bei Aufrechnungssachverhalten). Im Kern geht es darum, eine Zurückverweisung an das LSG zu vermeiden, wenn eine von der einfach zu treffenden Feststellung des BSG abweichende Feststellung des LSG letztlich nur willkürlich sein könnte. So liegt der Fall hier.
25Die vom Senat nunmehr vorgenommene Feststellung hat das LSG im Tatbestand des angegriffenen Urteils so festgestellt und die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat als zutreffend anerkannt. Entsprechend hatte die Beklagte bereits in ihrem Revisionsbegründungsschriftsatz so vorgetragen. Soweit das LSG in den Entscheidungsgründen im Widerspruch dazu ausgeführt hat, die Nebendiagnosen E87.6, D68.5 und T84.4 seien als solche bereits als Gesamtdatensatz computerunterstützt an die beklagte Krankenkasse übermittelt worden und hätten ihr zum Zeitpunkt der Erteilung des Prüfauftrages vom vorgelegen, ist dies nach dem übereinstimmenden Vorbringen der besondere professionelle Kompetenz aufweisenden Beteiligten im Revisionsverfahren nicht zutreffend. Es handelt sich bei dem Zeitpunkt der Kodierung der vorgenannten Diagnosen um Umstände, die der jeweiligen Sphäre der Beteiligten entstammen. Es gibt nach Aktenlage auch keine Anhaltspunkte, die geeignet sein könnten, Bedenken hinsichtlich der Richtigkeit der Beteiligtenäußerungen hervorzurufen.
262. Der sachliche Anwendungsbereich des § 7 Abs 5 PrüfvV 2016 ist beschränkt. Änderungen des Datensatzes sind nur unzulässig, soweit dieser Gegenstand des Prüfverfahrens geworden ist (siehe hierzu eingehend - RdNr 21 ff, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Dies war vorliegend der Fall. Der von der Klägerin um vergütungsrelevante Nebendiagnosen ergänzte Datensatz der Diagnosen war Gegenstand des wirksam eingeleiteten Prüfverfahrens.
27a) Die wirksame Einleitung des Prüfverfahrens erfordert nach § 4 iVm § 6 Abs 3 Satz 4 PrüfvV 2016 die Mitteilung eines hinreichend konkreten Prüfgegenstandes. Mögliche Prüfgegenstände werden in § 4 Satz 2 PrüfvV 2016 beispielhaft - und nicht abschließend (Satz 3) - genannt. Neben der Prüfung der primären und der sekundären Fehlbelegung sind dies die Kodierprüfung und die Prüfung von Fragen zur Voraussetzung bestimmter Maßnahmen. Als weiterer, in der beispielhaften Aufzählung nicht gesondert aufgeführter Prüfgegenstand kommt die Prüfung der abgerechneten Zusatzentgelte in Betracht (siehe - RdNr 30, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Ist kein Prüfgegenstand benannt, liegt keine ein Prüfverfahren einleitende Mitteilung vor (§ 4 Satz 4 PrüfvV 2016).
28Für die Konkretisierung des Prüfgegenstandes ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass dieser hinreichend klar umrissen wird, sodass hinsichtlich Art und Umfang der Prüfung für das Krankenhaus kein vernünftiger Zweifel besteht. Eine Begrenzung des Prüfgegenstandes auf einzelne Leistungen (zB Zusatzentgelte) und/oder Daten (insbesondere Diagnosen und/oder Prozeduren) ist möglich, aber nicht erforderlich. Bei einer Kodierprüfung ist deshalb die Benennung der zu prüfenden Datenkategorie(n) ausreichend, also etwa die Prüfung der Diagnosen und/oder der Prozeduren. Bei einer Prüfung allein der Zusatzentgelte kann die Konkretisierung auch in der Weise erfolgen, dass sämtliche Zusatzentgelte Gegenstand der Prüfung sein sollen (siehe - RdNr 31 ff, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).
29Maßgeblich für die Auslegung des Prüfgegenstandes ist dabei in dem hier nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG vorliegenden Fall der Direktbeauftragung des MDK dessen Prüfanzeige (vgl hierzu - RdNr 26 ff, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).
30Nach den vom LSG getroffenen Feststellungen wurde der Klägerin eine Prüfung des Behandlungsfalles zur Klärung der Fragestellungen "Dauer der stationären Behandlung", "Kodierung", "HD", "ND" angezeigt. Soweit es in dem Tatbestand des LSG-Urteils heißt, dass "die Beklagte" die Klägerin über die Beauftragung des MDK informiert habe, handelt es sich ausweislich der vom LSG in seiner Entscheidung ergänzend in Bezug genommenen Verwaltungsakten der Beklagten um eine offenbare Unrichtigkeit iS von § 138 Abs 1 Satz 1 SGG. Nach der dort befindlichen Prüfanzeige vom hat der MDK der Klägerin die Prüfung angezeigt. Dies hat auch der Bevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung als zutreffend anerkannt.
31Damit wurde der Prüfgegenstand entsprechend den Anforderungen des § 4 PrüfvV 2016 hinreichend konkretisiert und das Prüfverfahren wirksam eingeleitet.
32b) Korrekturen und Ergänzungen von Datensätzen sind nach Ablauf der in § 7 Abs 5 PrüfvV 2016 geregelten Änderungsfristen auch dann ausgeschlossen, wenn nur einzelne Daten des betroffenen Datensatzes Gegenstand der MDK-Prüfung waren (siehe hierzu eingehend - RdNr 39 ff, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Danach war hier die Korrektur oder Ergänzung des vom Prüfverfahren betroffenen Datensatzes der Diagnosen insgesamt ausgeschlossen.
33Die Diagnosen bilden nach § 4 PrüfvV 2016 - wie die Prozeduren und die Zusatzentgelte - eine eigenständige Datenkategorie (siehe - RdNr 43, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Der Datensatz der Diagnosen ist bereits dann Gegenstand des Prüfverfahrens, wenn nur einzelne Nebendiagnosen geprüft werden. Darauf, ob die Beklagte und/oder der MDK mit der Benennung der als auffällig beanstandeten Nebendiagnosen den Prüfgegenstand auf diese Nebendiagnosen beschränken wollten, kommt es insofern nicht an.
343. Mit dem Abschluss der Vor-Ort-Prüfung durch den MDK (§ 7 Abs 5 Satz 3 und 4 PrüfvV 2016) war die Klägerin danach endgültig gehindert, Nebendiagnosen zu korrigieren oder weitere Nebendiagnosen nachzukodieren. Die nachkodierten Nebendiagnosen sind auch im Gerichtsverfahren nicht mehr berücksichtigungsfähig und nicht geeignet, einen höheren oder auch nur gleich hohen Vergütungsanspruch zu begründen (vgl bereits das Beispiel in - BSGE 132, 152 = SozR 4-2500 § 301 Nr 10, RdNr 17; zur eingeschränkten Geltung der Präklusionswirkung in Bezug auf die Hauptdiagnose siehe - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).
354. Die Nachkodierung der Nebendiagnosen war auch nicht deshalb zulässig, weil die Klägerin hiermit lediglich das Ergebnis der MDK-Prüfung umsetzte. Dies machte die Klägerin nicht.
36Die materielle Präklusion des § 7 Abs 5 PrüfvV 2016 greift nicht, wenn der MDK im Prüfergebnis eine Änderung des überprüften Datensatzes für geboten hält und das Krankenhaus dem MDK folgend seinen Datensatz in vollem Umfang ändert. Der Regelungszweck des § 7 Abs 5 PrüfvV 2016 gebietet insoweit eine teleologische Reduktion des zu weit gefassten Wortlauts des § 7 Abs 5 PrüfvV 2016 (vgl dazu im Einzelnen - SozR 4-2500 § 301 Nr 11 RdNr 34 ff).
37Die Nachkodierung der Nebendiagnosen E87.6, D68.5 und T84.4 erfolgte vorliegend nicht in vollständiger Umsetzung des durch den MDK ermittelten Prüfergebnisses. Nach den insoweit unangegriffenen und den Senat damit bindenden Feststellungen des LSG bestätigte der MDK in seinem Gutachten die von der Klägerin ursprünglich kodierte (vergütungsrelevante) Nebendiagnose S32.5. Er bezog ferner - in Abstimmung mit der Klägerin - die Nebendiagnosen S73.00, S32.4 und S31.84 ein. Daraus resultiere ebenfalls die DRG H41C. Zur Kodierfähigkeit von E87.6, D68.5 und T84.4 als weitere Nebendiagnosen trifft das MDK-Gutachten danach keine Entscheidung, sie waren weder Gegenstand der Prüfung noch des Prüfergebnisses. Allein der Umstand, dass sich die Kodierbarkeit möglicherweise der Begründung des MDK-Gutachtens in der Sache entnehmen lassen könnte, genügt hierfür nicht.
385. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 3 Satz 1 sowie § 47 Abs 1 Satz 1 GKG.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2025:160725UB1KR1224R0
Fundstelle(n):
CAAAK-06391