Mangelhafte Begründung einer Rechtsbeschwerde
Leitsatz
1. Die hinreichende Begründung einer Rechtsbeschwerde in Personalvertretungssachen (§ 108 Abs. 2 BPersVG i. V. m. § 94 Abs. 2 Satz 2 ArbGG) verlangt bei einer Sachrüge, den oder die Rechtsfehler der Vorinstanz so aufzuzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Angriffs der Rechtsbeschwerde erkennbar sind. Der Rechtsbeschwerdeführer muss darlegen, warum er die Begründung der Vorinstanz für unrichtig hält und wie die angeblich verletzte Rechtsnorm richtig auszulegen ist. Hat die Vorinstanz ihre Entscheidung auf mehrere selbstständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Rechtsbeschwerdebegründung alle Erwägungen angreifen.
2. Über die Verwerfung der Rechtsbeschwerde wegen ihrer mangelnden Begründung entscheidet das Bundesverwaltungsgericht außerhalb der mündlichen Anhörung im Wege des Beschlusses in der Besetzung von drei Richtern.
Instanzenzug: Az: 72 K 3/23 PVB Beschluss
Gründe
I
1Die Verfahrensbeteiligten streiten darum, ob der Antragsteller (Personalrat eines Jobcenters) seine Zustimmung zur dauerhaften Übertragung der zusätzlichen Aufgabe der Abwesenheitsvertretung der Teamleitung an eine Angestellte der Bundesagentur für Arbeit in beachtlicher Weise mit der Begründung verweigern kann, die Übertragung verstoße ohne ein zuvor durchgeführtes aufgabenbezogenes Interessenbekundungsverfahren gegen den Grundsatz gleichen Zugangs zu öffentlichen Ämtern nach Art. 33 Abs. 2 GG.
2Die Beteiligte (die Geschäftsführerin des Jobcenters als Dienststellenleiterin) erbat am die Zustimmung des Antragstellers zur Übertragung einer höher zu bewertenden Tätigkeit und zur Höhergruppierung der Frau N. durch die dauerhafte Übertragung der zusätzlichen Aufgabe "Abwesenheitsvertretung der Teamleitung" im Team 620 bis auf Widerruf; damit sei die Gewährung einer zusätzlichen Funktionsstufe 1 "Abwesenheitsvertretung" verbunden. Am verweigerte der Antragsteller schriftlich seine Zustimmung und begründete dies damit, dass kein aufgabenbezogenes Interessenbekundungsverfahren stattgefunden habe. Damit verstoße die Maßnahme gegen Art. 33 Abs. 2 GG, was sich auch aus der obergerichtlichen Rechtsprechung ergebe. Die Beteiligte erklärte die Zustimmungsverweigerung für unbeachtlich und führte die Maßnahme durch.
3Der Antragsteller hat im Beschlussverfahren die Feststellung beantragt, dass die Dienststellenleitung sein Mitbestimmungsrecht nach § 78 Abs. 1 Nr. 3 und 4 BPersVG dadurch verletzt habe, dass sie die beabsichtigte Maßnahme durchgeführt habe, ohne dass er ihr zuvor zugestimmt habe. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag abgelehnt. Für die Zustimmungsfiktion nach § 70 Abs. 3 Satz 4 BPersVG komme es darauf an, ob es nach der Begründung des Personalrats möglich erscheine, dass der angesprochene Verweigerungsgrund erfüllt sei. Allerdings müsse es bei einer immer wiederkehrenden Konstellation schon im Beschlussverfahren möglich sein, klären zu lassen, ob eine Argumentation unbeachtlich sei. Wie die mündliche Anhörung klarstellend ergeben habe, wende sich der Antragsteller allein gegen die Übertragung einer höher zu bewertenden Tätigkeit und rüge nur einen Verstoß gegen Art. 33 Abs. 2 GG. In der verfassungsrechtlichen Literatur werde zwar vertreten, dass vor der Übertragung eines höherwertigen Dienstpostens seine Ausschreibung stattzufinden habe. Indes werde nicht definiert, was einen höherwertigen Dienstposten ausmache. Der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Mitbestimmung bei der Gewährung von Funktionsstufen im Fall von Angestellten der Bundesagentur für Arbeit sei keine Aussage zur Zuordnung zu den öffentlichen Ämtern im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GG zu entnehmen. Im Übrigen ergebe sich aus der obergerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass bloße Dienstposten bzw. Aufgabenbereiche grundsätzlich nicht Art. 33 Abs. 2 GG unterfielen. Zwar sei Art. 33 Abs. 2 GG nicht allein auf Ämter für Beamte beschränkt. Doch beziehe er sich im Angestelltenbereich auch nur auf Statuspositionen im Sinne von Entgeltgruppen bzw. Tätigkeitsebenen. Anders könne es sich verhalten, wenn die Aufgabenübertragung eine Vorauswahl für die Vergabe einer höheren Statusposition treffe. Darum gehe es bei der Übertragung einer Abwesenheitsvertretung bis auf Widerruf aber nicht. Auch das Bundesarbeitsgericht zähle die (höhere) Vergütung einer besetzten Stelle nach Maßgabe tariflicher Entgeltregelungen nicht zum Anwendungsbereich des Art. 33 Abs. 2 GG. Selbst wenn die Abwesenheitsvertretung einer Teamleitung zu den öffentlichen Ämtern im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GG zu zählen wäre, wäre die Zustimmungsverweigerung nur beachtlich, wenn sich aus Art. 33 Abs. 2 GG eine Ausschreibungspflicht ergäbe. Das sei höchstrichterlich jedoch schon anders entschieden. Soweit sich der Antragsteller demgegenüber auf obergerichtliche Rechtsprechung berufe, überzeuge diese aus näher dargelegten Gründen nicht. Gleiches gelte, soweit eine verbreitete Literaturauffassung annehme, dass aus Art. 33 Abs. 2 GG eine grundsätzliche Ausschreibungspflicht folge.
4Mit seiner vom Verwaltungsgericht zugelassenen und mit Zustimmung der Beteiligten erhobenen Sprungrechtsbeschwerde macht der Antragsteller geltend, es werde die angefochtene Entscheidung in der Weise gerügt, dass die dauerhafte Übertragung der Zusatzaufgabe einer Abwesenheitsvertretung einer Teamleitung, die zur Gewährung einer Funktionszulage führe, zu den öffentlichen Ämtern im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GG gehöre, der für solche Ämter eine Ausschreibungspflicht begründe. Dies werde, wie auch in der Entscheidung des Verwaltungsgerichts dargestellt sei, von einem beachtlichen Teil des Schrifttums ebenso gesehen. Teamleitungen hätten bei der Beteiligten Personalverantwortung für ca. 15 Beschäftigte in dem jeweiligen Team, Bereichsleitungen seien verantwortlich für zum Teil mehr als 100 Beschäftigte, inklusive Führungskräfte. Jedenfalls bei der Übertragung von Teamleitungs- und Bereichsleitungsaufgaben seien, auch im weiteren Sinne einer Beförderung bzw. Bewährungschance, die Grenzen zu Art. 33 Abs. 2 GG entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts überschritten. Eine Ausschreibungspflicht könne sich auch unabhängig von Art. 33 Abs. 2 GG aus dem "Handbuch Personalrecht/Gremien" der Bundesagentur für Arbeit ergeben. Der Antragsteller habe ein großes Interesse an der Klärung dieser Fragen, weil es zu dieser Art Personalmaßnahmen bei der Beteiligten immer wieder komme und auch in Zukunft kommen werde. Parallel liefen deshalb weitere Verfahren vor dem Verwaltungsgericht bzw. seien für die Zeit dieses Verfahrens ruhend gestellt worden, bei denen es um Maßnahmen in leicht abgewandelten Konstellationen gehe.
5Die Beteiligte hält die Rechtsbeschwerde mangels hinreichender Begründung schon für unzulässig und verteidigt im Übrigen die angefochtene Entscheidung.
II
6Die in Gestalt der Sprungrechtsbeschwerde (§ 96a Abs. 1 Satz 1 ArbGG i. V. m. § 108 Abs. 2 BPersVG) erhobene Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht innerhalb der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist in der gesetzlich vorgeschriebenen Form begründet worden ist (1.). Sie ist deshalb nach § 94 Abs. 2 Satz 3, § 74 Abs. 2 Satz 2 ArbGG, § 552 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 108 Abs. 2 BPersVG zu verwerfen. Hierüber entscheidet der Senat außerhalb der mündlichen Anhörung in der Besetzung mit drei Richtern (2.).
71. Nach § 94 Abs. 2 Satz 2 ArbGG i. V. m. § 108 Abs. 2 BPersVG muss die Rechtsbeschwerdebegründung angeben, inwieweit die Abänderung des angefochtenen Beschlusses beantragt wird, welche Bestimmungen verletzt sein sollen und worin die Verletzung bestehen soll. Den sich daraus ergebenden Anforderungen genügt die Begründung der Sprungrechtsbeschwerde durch den Antragsteller nicht.
8a) § 94 Abs. 2 Satz 2 ArbGG verlangt bei einer Sachrüge, die Rechtsfehler der Vorinstanz so aufzuzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Angriffs der Rechtsbeschwerde erkennbar sind. Dies erfordert eine Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen des angefochtenen Beschlusses. Der Rechtsbeschwerdeführer muss darlegen, warum er die Begründung der Vorinstanz für unrichtig hält und wie die angeblich verletzte Rechtsnorm richtig auszulegen ist (vgl. 6 P 6.11 - PersV 2012, 301 <302>; BAG, Beschlüsse vom - 1 ABR 4/20 - BAGE 174, 87 Rn. 10 und vom - 7 ABR 81/13 - EzA § 23 BetrVG 2001 Nr. 8 Rn. 10, jeweils m. w. N.). Auszuführen ist auch, dass und inwieweit der Fehler sich auf die angefochtene Entscheidung ausgewirkt hat (vgl. - EzA § 94 ArbGG 1979 Nr. 2 = juris Rn. 14 m. w. N.; Rehak, in: Lorenzen/Gerhold/Schlatmann u. a., BPersVG, Stand August 2025, § 108 BPersVG 2021 Rn. 395). Zwar wird dem Beschwerdeführer nicht abverlangt, jeder einzelnen Auslegungserwägung im angefochtenen Beschluss argumentativ entgegenzutreten ( 6 P 6.11 - PersV 2012, 301 <302>). Es muss aber erkennbar sein, dass dieser den angefochtenen Beschluss im Hinblick auf das Rechtsmittel überprüft und mit Blickrichtung auf die Rechtslage durchdacht hat (vgl. - EzA § 23 BetrVG 2001 Nr. 8 Rn. 10 m. w. N.). Hat die Vorinstanz ihre Entscheidung auf mehrere voneinander unabhängige, selbstständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Rechtsbeschwerdebegründung zudem alle Erwägungen angreifen. Setzt sie sich mit einer der selbstständig tragenden Erwägungen nicht auseinander, ist das Rechtsmittel insgesamt unzulässig ( - BAGE 174, 87 Rn. 10 m. w. N.).
9b) Dies zugrunde gelegt hat der Antragsteller keine ordnungsgemäße Sachrüge erhoben.
10aa) In der Sache hat das Verwaltungsgericht seine Entscheidung schon äußerlich erkennbar auf zwei selbstständig nebeneinanderstehende Begründungen gestützt. Zum einen unterfalle die Übertragung einer Abwesenheitsvertretung auf einen Angestellten, auch wenn sie zur Gewährung einer Zulage führe, (schon) nicht Art. 33 Abs. 2 GG. Es handele sich bei einer solchen zusätzlichen Aufgabe nicht um ein öffentliches Amt im Sinne von Art. 33 Abs. 2 GG, obgleich sie personalvertretungsrechtlich als Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit anzusehen sei. Zum anderen ergebe sich aus Art. 33 Abs. 2 GG aber jedenfalls keine Ausschreibungspflicht, selbst wenn man die Übertragung der Aufgabe der Abwesenheitsvertretung einer Teamleitung als öffentliches Amt ansehen wolle.
11(1) Der Antragsteller geht bereits nicht in annähernd zureichender und sich mit der tragenden Begründung des Verwaltungsgerichts auseinandersetzender Weise auf die Frage ein, ob die Übertragung der Abwesenheitsvertretung einer Teamleitung auf einen Angestellten überhaupt dem Anwendungsbereich des Art. 33 Abs. 2 GG unterfällt. Das Verwaltungsgericht hat seine Auffassung maßgeblich mit einer durch obergerichtliche und höchstrichterliche Rechtsprechung gestützten Parallelwertung zum Beamtenrecht begründet, wonach sich der gleiche Zugang zu einem öffentlichen Amt im Sinne von Art. 33 Abs. 2 GG grundsätzlich nur auf Statusämter im Sinne des Beamtenrechts beziehe, nicht aber auf bloße Dienstposten. Der Antragsteller legt nicht in Auseinandersetzung damit dar, dass diese Auslegung des Art. 33 Abs. 2 GG unrichtig sein soll. Er wendet lediglich gewissermaßen stichwortartig in einem Halbsatz ein, die Grenze zum Art. 33 GG sei "bei der Übertragung von Teamleitungs- und Bereichsleitungsaufgaben, auch im weiteren Sinne einer Beförderung bzw. Bewährungschance" überschritten. Weder erläutert der Antragsteller, weshalb in rechtlicher Hinsicht aus der dauerhaften Übertragung einer Abwesenheitsvertretung einer Teamleitung in einem Jobcenter auf eine Angestellte eine "Beförderung bzw. Bewährungschance" folgen sollte und welchen konkreten Inhalt diese habe, noch führt er unter Berücksichtigung der Ausführungen des Verwaltungsgerichts aus, weshalb eine solche "Beförderung bzw. Bewährungschance" die Annahme eines öffentlichen Amts und damit die Anwendbarkeit des Art. 33 Abs. 2 GG begründen sollte.
12(2) Ebenso mangelt es an einer den Anforderungen an die Begründung einer Rechtsbeschwerde gerecht werdenden Auseinandersetzung des Antragstellers mit der weiteren tragenden Begründung des Verwaltungsgerichts, nach der Art. 33 Abs. 2 GG jedenfalls nicht verfassungsunmittelbar eine Ausschreibungspflicht für die Übertragung der Abwesenheitsvertretung einer Teamleitung auf einen Angestellten entnommen werden könne. Er wendet hiergegen lediglich ein, dass weite Teile des verfassungsrechtlichen Schrifttums Art. 33 Abs. 2 GG in dessen Anwendungsbereich eine generelle Ausschreibungspflicht annähmen. Auf das für das Verwaltungsgericht zentrale Argument, dass das Gegenteil bereits höchstrichterlich entschieden sei, und die Auseinandersetzung des Verwaltungsgerichts mit der anderslautenden Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte Magdeburg und Münster zur Aufgabenübertragung in Jobcentern geht der Antragsteller in keiner Weise ein.
13bb) Abgesehen davon hat der Antragsteller nicht ansatzweise dargelegt, dass und inwieweit sich die vermeintlichen Rechtsfehler auf die angefochtene Entscheidung ausgewirkt haben können. Insbesondere fehlt es insoweit an einer erkennbaren Argumentation anhand der sich für die Prüfung der Beachtlichkeit einer Zustimmungsverweigerung aus § 70 Abs. 3 Satz 4, § 78 Abs. 5 BPersVG ergebenden Grundsätze (vgl. nur 5 P 6.18 - BVerwGE 166, 285 Rn. 15 m. w. N.). Eine solche ist auch dann nicht vollständig entbehrlich, wenn mit Blick auf die in der angefochtenen Entscheidung angeführte Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte Magdeburg und Münster hier eine solche Beachtlichkeit naheliegen mag.
14Ebenso wenig hat der Antragsteller die Relevanz seiner Argumentation erläutert, eine Ausschreibungspflicht könne sich unabhängig von Art. 33 Abs. 2 GG auch aus dem "Handbuch Personalrecht/Gremien" der Bundesagentur für Arbeit ergeben. Denn er legt nicht dar, inwiefern hierin ein Rechtsfehler der Vorinstanz liegen soll, obwohl mit diesem Argument nach der Auslegung seiner Erklärung vom durch das Verwaltungsgericht die Zustimmungsverweigerung nicht begründet wurde (vgl. auch BVerwG, Beschlüsse vom - 6 P 4.83 - BVerwGE 74, 273 <277> und vom - 5 P 8.20 - NZA-RR 2022, 654 Rn. 26) und ein Nachschieben von Gründen für diese auch als nicht mehr möglich angesehen wird (vgl. Gerhold, in: Lorenzen/Gerhold/Schlatmann u. a., BPersVG, Stand August 2025, § 70 BPersVG 2021 Rn. 85).
152. Über die Unzulässigkeit der Rechtsbeschwerde entscheidet der Senat nach Maßgabe von § 94 Abs. 2 Satz 3, § 74 Abs. 2 Satz 3 ArbGG. Letztere Vorschrift ist dabei unter Berücksichtigung der für das Bundesverwaltungsgericht maßgeblichen gerichtsverfassungsrechtlichen Regel in § 10 Abs. 3 Halbs. 2 VwGO dahingehend anzuwenden, dass außerhalb der mündlichen Anhörung der Beschluss über die Verwerfung durch den Senat in der Besetzung von drei Richtern ergeht (vgl. 7 P 13.77 - juris Rn. 3 sowie allgemein zum Rückgriff auf § 10 Abs. 3 Halbs. 2 VwGO: Beschluss vom - 6 P 10.01 - BVerwGE 115, 223 <224 f.> m. w. N.).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2025:231025B5P9.23.0
Fundstelle(n):
KAAAK-06277