Suchen Barrierefrei
BVerwG Beschluss v. - 1 WB 39.24

Feststellung der Rechtswidrigkeit von durch Feldjäger erteilten Befehlen; Durchsuchung und Bewachung

Leitsatz

Aus der Pflicht des Soldaten zum treuen Dienen (§ 7 SG) folgt die grundsätzliche Pflicht, Sicherheitsmaßnahmen zu dulden, die der Sicherheit der Streitkräfte, anderer Staatsorgane und der an der Erfüllung ihrer Aufgaben beteiligten Personen dienen.

Gesetze: § 7 SG, § 10 Abs 4 SG, § 11 Abs 1 SG, Art 2 Abs 1 GG, § 3 SVorgesV

Instanzenzug: Truppendienstgericht Nord Az: N 3 BLa 39.24 Beschluss

Tatbestand

1Der Antragsteller begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit von ihm von Feldjägern bei Gelegenheit seiner Befragung durch das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD) erteilten Befehlen.

2Der ... geborene Antragsteller ist Berufssoldat. Er wurde zuletzt Anfang 2017 zum Hauptfeldwebel befördert und in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 8 Z eingewiesen. Seit Mitte 2017 ist er Berufssoldat. Ab 2011 und zum Zeitpunkt des Beschwerdeanlasses wurde er als Feldjäger verwendet. Derzeit ist er Angehöriger der Teileinheit ...

3Am wurden bundesweit mehrere Befragungen von Verdachtspersonen mit mutmaßlichem rechtsextremistischem Hintergrund durch Mitarbeiter des BAMAD durchgeführt. Auch der Antragsteller wurde in B. von zwei Mitarbeitern des BAMAD befragt, die durch vier Feldjäger begleitet wurden. Diese trugen während des Einsatzes Feldanzug und Schwarzzeug Feldjäger einschließlich Pistole, Ersatzmagazinen, Scharnierhandschließen und Einsatzstock. Ihre Gesichter waren mit Sturmhauben verhüllt.

4Vor der Befragung befahlen die Feldjäger dem Antragsteller, seine Taschen zu leeren, übergaben das dabei herausgegebene Messer an die damalige Disziplinarvorgesetzte des Antragstellers und tasteten ihn anschließend ab. Bei der Befragung des Antragstellers waren sie nicht zugegen, sondern befanden sich vor der Tür des Befragungsraums. Zu Toilettengängen während der Befragung begleiteten sie ihn.

5Am legte der Antragsteller Beschwerde ein. Aufgrund des martialischen Auftretens und des Vorgehens ihm gegenüber fühle er sich nicht nur in der Kompanie, sondern auch darüber hinaus öffentlich bloßgestellt und unwürdig behandelt. Hierbei wolle er insbesondere die Durchsuchung vor der Vernehmung/​Befragung sowie die klar eingeschränkte Bewegungsfreiheit durch die ständige Überwachung, selbst beim Gang auf die Toilette, erwähnen. Es sei für ihn nicht mehr zu erkennen gewesen, ob es sich um eine Vernehmung oder eine freiwillige Befragung gehandelt habe, da er sich wie ein Schwerverbrecher gefühlt habe. Er bat um eine Prüfung der Rechtmäßigkeit sowie der Verhältnismäßigkeit des Vorgehens während der gegen ihn durchgeführten Maßnahme und um Prüfung, ob es sich um ein Dienstvergehen handele.

6Mit hier nicht streitgegenständlichem Bescheid vom wies das BAMAD die Beschwerde zurück, soweit sie die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Befragung durch das BAMAD betraf. Davon zu trennen seien sowohl die Prüfung der Rechtmäßigkeit des Verhaltens der Feldjägerkräfte als auch die Prüfung etwaiger Dienstpflichtverletzungen durch diese. Dafür sei das BAMAD nicht zuständig. Die Befragung sei rechtmäßig gewesen. Es sei zuständig gewesen und die Befragung sei zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich gewesen. Der Antragsteller sei vor der Befragung ausdrücklich auf den Zweck der Erhebung seiner personenbezogenen Daten und die Freiwilligkeit seiner Angaben hingewiesen sowie eingehend darüber belehrt worden. Rechtsmittel gegen den Bescheid legte der Antragsteller nicht ein.

7Mit Schreiben vom teilte der Antragsteller mit, dass er aufgrund neuer Erkenntnisse aus der Vernehmung eines bei einer der Befragungen eingesetzten Feldjägers seine Beschwerde konkretisieren und erneut einreichen wolle, da diese bereits vom BAMAD abgewiesen und von Seiten der Feldjäger nicht mehr bearbeitet worden sei. Das Vernehmungsprotokoll sei ihm anonym per Post zugesendet worden und zeige ganz klar, dass das Vorgehen ihm gegenüber vom BAMAD instruiert worden sei. Er bat erneut - neben der Prüfung des Vorgehens des BAMAD - um Prüfung des Vorgehens der Feldjäger vor Ort ihm gegenüber, dabei "im Detail" um Prüfung der Rechtmäßigkeit der körperlichen Durchsuchung, der Abnahme seiner persönlichen Gegenstände, der IT-forensischen Durchsuchung seines Mobiltelefons und der Einschränkung seiner Bewegungsfreiheit über sieben Stunden.

8Mit Schreiben vom legte der Antragsteller Untätigkeitsbeschwerde ein. Seine Beschwerde sei nicht fristgerecht bearbeitet worden.

9Mit Schreiben vom stellte der Antragsteller beim Truppendienstgericht Nord Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Weder seine Beschwerde, noch seine Untätigkeitsbeschwerde seien bislang bearbeitet worden. Die Feldjäger seien nicht nur zum Schutz der Mitarbeiter des BAMAD eingesetzt worden, sondern auch ganz gezielt, um ihn einzuschüchtern bzw. Druck aufzubauen. Dies sei in dem Wissen geschehen, dass er "keinen Dreck am Stecken" gehabt habe. Bei seinen Toilettengängen habe kein Bedürfnis bestanden, ihn zum Schutz der Mitarbeiter des BAMAD durch bewaffnete Feldjäger zu begleiten. Er sei zu keinem Zeitpunkt der Befragung darüber belehrt oder darauf hingewiesen worden, dass er die Befragung jederzeit hätte beenden können.

10Mit Beschluss vom hat das Truppendienstgericht Nord sich für sachlich unzuständig erklärt und das Verfahren an das Bundesverwaltungsgericht verwiesen.

11Der Antragsteller hat keinen ausdrücklichen Sachantrag gestellt.

12Der Generalinspekteur der Bundeswehr trägt vor, dass der Antrag zulässig, aber unbegründet sei. Die Gesichtsverhüllung der Feldjäger sei aus dienstlichen Gründen zum Eigenschutz erforderlich gewesen. Aufgrund des in Bezug auf den Antragsteller angenommenen Gefährdungspotentials hätten anschließende Vergeltungsaktionen nicht ausgeschlossen werden können. Da der Antragsteller ebenfalls Feldjäger sei, habe er die seine Befragung absichernden Feldjäger kennen oder andernfalls später leicht deren Identität in Erfahrung bringen können.

13Auftrag der Feldjäger sei der Schutz der Mitarbeiter des BAMAD gewesen, nicht die Einschüchterung des Antragstellers. Sie hätten weder die Befragung des Antragstellers durchgeführt, noch seien sie bei der Befragung selbst zugegen gewesen. Sie hätten dem Antragsteller vor der Befragung befohlen, seine Taschen auszuleeren. Auf diesen Befehl hin habe der Antragsteller ein Messer auf den Tisch gelegt. Dieses sei für die Dauer der Befragung der damaligen Disziplinarvorgesetzten des Antragstellers übergeben worden. Darüber hinaus habe der Antragsteller seine Feldbluse ablegen müssen und sei von einem Feldjäger abgetastet worden, nachdem er das Messer auf den Tisch gelegt habe. All diese Maßnahmen hätten ihre Rechtsgrundlagen im Befehlsrecht des Soldatengesetzes. In Ausübung des Feldjägerdienstes seien die Feldjäger Vorgesetzte im besonderen Aufgabenbereich nach § 3 VorgV gegenüber dem Antragsteller und ihm gegenüber zur Wahrnehmung ihrer Aufgabe, hier der Sicherung der Mitarbeiter des BAMAD, befehlsbefugt. Rechtsgrundlage für die Aufforderung zur Entleerung der Taschen sowie zum Ablegen der Feldbluse sei § 10 Abs. 4 SG gewesen. Das anschließende Abtasten des Antragstellers sei auf Grundlage von § 10 Abs. 5 SG zur Durchsetzung des Befehls, alle gefährlichen Gegenstände abzulegen, erfolgt. Ausgehend von der Gefährdungslage habe nicht ausgeschlossen werden können, dass der Antragsteller weiterhin gefährliche Gegenstände am Körper getragen habe.

14Auch die Begleitung des Antragstellers durch Feldjäger bei seinen Toilettengängen sei aus Gründen der Auftragserfüllung erfolgt. Ohne Begleitung habe der Antragsteller sich gefährlicher Gegenstände bemächtigen können, was aufgrund des von ihm ausgehenden Gefährdungspotentials nicht habe ausgeschlossen werden können. Sämtliche Maßnahmen seien auch verhältnismäßig gewesen.

15Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

Gründe

16Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat teilweise Erfolg.

171. Der Antragsteller hat lediglich den prozessualen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt, ohne einen konkreten Sachantrag zu formulieren. Sein Rechtsschutzbegehren ist im Lichte seines Sachvortrages, dass Maßnahmen der Mitarbeiter des BAMAD nicht zur Überprüfung gestellt werden sollten, dahin auszulegen (§ 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 86 Abs. 3, § 88 VwGO), dass er die Feststellung der Rechtswidrigkeit der ihm von den Feldjägern am erteilten Befehle begehrt. Das umfasst die Anordnungen, seine Taschen zu leeren, seine Feldbluse abzulegen und sich abtasten zu lassen, den vorübergehenden Besitzverlust an seinem Klappmesser zu dulden und bei seinen die Befragung unterbrechenden Toilettengängen die Begleitung durch maskierte Feldjäger zu dulden.

182. Der Zulässigkeit des gerichtlichen Antrages steht nicht entgegen, dass bislang weder über die Beschwerde, noch über die Untätigkeitsbeschwerde des Antragstellers entschieden wurde. Nach § 17 Abs. 1 Satz 2 WBO wird bei einem - wie hier - auf Untätigkeit gestützten gerichtlichen Antrag die Entscheidungskompetenz auf das zuständige Wehrdienstgericht - hier jedenfalls aufgrund von § 18 Abs. 3 WBO das Bundesverwaltungsgericht - verlagert. Das hat zur Folge, dass die Bescheidungspflicht über die Beschwerde und die weitere Beschwerde (hier in Form der Untätigkeitsbeschwerde im Sinne von § 16 Abs. 2 WBO) entfällt. Der anhängig gemachte Untätigkeitsantrag enthält gleichsam den konkludenten Verzicht auf die offene weitere behördliche Bescheidung zugunsten einer schnelleren Einleitung des gerichtlichen Verfahrens (vgl. 1 WB 46.24 - NVwZ-RR 2025, 715 Rn. 24).

19Der Zulässigkeit des Antrages steht auch nicht entgegen, dass es sich bei den vom Antragsteller beanstandeten Maßnahmen um solche nach der Wehrdisziplinarordnung gehandelt hätte (vgl. 1 WNB 3.23 - juris Rn. 5). Das Kommando Feldjäger der Bundeswehr hat in einem in der Beschwerdeakte befindlichen Schreiben klargestellt, dass alle Maßnahmen der Feldjäger dem Eigenschutz bzw. dem Schutz der Mitarbeiter des BAMAD gedient hätten.

203. Der Antrag ist teilweise nicht begründet. Die an den Antragsteller gerichteten Befehle, seine Taschen zu leeren, seine Feldbluse abzulegen und sich durchsuchen zu lassen sowie den vorübergehenden Besitzverlust an seinem Klappmesser zu dulden, waren rechtmäßig. Die eingesetzten Feldjäger waren Vorgesetzte des Antragstellers (hierzu a)). Sie durften auch innerhalb eines militärischen Sicherheitsbereichs tätig werden (hierzu b)). Die grundsätzliche Pflicht des Antragstellers, dienstliche Sicherheitsbefehle zu befolgen und Sicherheitskontrollen zu dulden, ergibt sich aus der Pflicht zum Gehorsam aus § 11 Abs. 1 SG und zum treuen Dienen aus § 7 SG (hierzu c)). Die in Konkretisierung dieser Pflicht erteilten Befehle genügten auch den Anforderungen von § 10 Abs. 4 SG (hierzu d)).

21a) Die eingesetzten Feldjäger waren vorliegend militärische Vorgesetzte des Antragstellers. Nach § 1 Abs. 3 SG ist derjenige Vorgesetzter, der befugt ist, Soldaten Befehle zu erteilen. Nach § 3 VorgV hat ein Soldat, dem nach seiner Dienststellung ein besonderer Aufgabenbereich zugewiesen ist, im Dienst die Befugnis, anderen Soldaten Befehle zu erteilen, die zur Erfüllung seiner Aufgaben notwendig sind. Nach Nr. 109 der Allgemeinen Regelung AR A-256/1 "Feldjäger" (Stand November 2020) werden Feldjäger im Rahmen ihres "besonderen Aufgabenbereichs" im Feldjägerdienst eingesetzt. Sie sind in Ausübung des Feldjägerdiensts Vorgesetzte mit besonderem Aufgabenbereich nach § 3 VorgV gegenüber allen Soldaten der Bundeswehr mit Ausnahme derjenigen Soldaten, denen militärische Wachaufgaben übertragen worden sind oder die nach den §§ 1, 3 und 5 VorgV ihrerseits Vorgesetzte der Feldjäger sind (Nr. 301). Dass sich die eingesetzten Feldjäger "im Feldjägerdienst" befanden, ergibt sich unter anderem daraus, dass sie während des Einsatzes "Schwarzzeug Feldjäger" gemäß Nr. 151 AR A-256/1 trugen.

22b) Dem Tätigwerden der Feldjäger stand auch nicht entgegen, dass diese nach Nr. 309 AR A-256/1 innerhalb militärischer Sicherheitsbereiche nur unter bestimmten Voraussetzungen zum "Einschreiten" befugt sind. Dabei handelt es sich - worauf der Generalinspekteur zutreffend hinweist - nicht um eine örtliche, sondern um eine sachliche Zuständigkeitsabgrenzung, namentlich zwischen der Wahrnehmung von Wachaufgaben und der von Sicherheitsaufgaben. Die Feldjäger wurden vorliegend zur Erfüllung von in Nr. 124 AR A-256/1 genannten Sicherheits-, insbesondere Schutzaufgaben tätig (zur Abgrenzung von Wachaufgaben und Sicherheitsaufgaben auch Stauf, Unmittelbarer Zwang-Gesetz Bundeswehr (UZwGBw), 2012, § 1 Rn. 1 f.). Auch die Bundesregierung hat das vorliegende Tätigwerden der Feldjäger als Wahrnehmung von Sicherheitsaufgaben eingeordnet (Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der CDU/CSU - BT-Drs. 20/3388 - BT-Drs. 20/3801, S. 4).

23c) Die grundsätzliche Pflicht des Antragstellers, dienstliche Sicherheitsbefehle zu befolgen, ergibt sich aus der Pflicht zum Gehorsam nach § 11 Abs. 1 SG. Die Pflicht, Sicherheitsmaßnahmen im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit der Bundeswehr zu dulden, ergibt sich aus der Pflicht zum treuen Dienen aus § 7 SG. Nach § 6 SG hat der Soldat die gleichen staatsbürgerlichen Rechte wie jeder andere Staatsbürger. Seine Rechte werden im Rahmen der Erfordernisse des militärischen Dienstes durch seine gesetzlich begründeten Pflichten beschränkt. Die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit des Antragstellers findet - auch in ihrer Ausprägung als allgemeines Persönlichkeitsrecht - ihre Schranke an der verfassungsmäßigen Ordnung, zu der auch die aufgrund des Art. 87a GG erlassenen Vorschriften des Soldatengesetzes gehören (vgl. - BVerfGE 57, 29 <35 f.>). Einrichtung und Funktionsfähigkeit der Bundeswehr haben verfassungsrechtlichen Rang (vgl. u. a. - BVerfGE 28, 243 <261>, vom - 2 BvF 1/77 u. a. - BVerfGE 48, 127 <159> und vom - 2 BvF 2/83 u. a. - BVerfGE 69, 1 <21>).

24Bei den hier gegenständlichen Befehlen handelte es sich um Konkretisierungen der gesetzlichen Grundpflicht des Soldaten, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen (§ 7 SG). Aus der Pflicht des Soldaten zu treuem Dienst lassen sich die wesentlichen soldatischen Pflichten ableiten. Dazu gehört die Pflicht zur Loyalität gegenüber dem Staat, seinen Organen und seiner Rechtsordnung ( 2 WD 35.01 - NZWehrr 2002, 257 <257>). Aus ihr folgt auch die Pflicht, zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Bundeswehr beizutragen und alles zu unterlassen, was diese in ihrem durch die Verfassung und diese konkretisierende Gesetze festgelegten Aufgabenkreis schwächen könnte (vgl. 2 WD 12.04 - BVerwGE 127, 302 <355> m. w. N. und vom - 2 WD 1.17 - juris Rn. 66).

25Das beinhaltet auch die grundsätzliche Pflicht, dienstliche Maßnahmen zu dulden, die der Sicherheit der Streitkräfte, anderer Staatsorgane und der an der Erfüllung ihrer Aufgaben beteiligten Personen dienen (vgl. Dahl, NZWehrr 1999, S. 106 <114 f.>). Um solche Personen handelt es sich bei Mitarbeitern des BAMAD im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung. Fordert das BAMAD - wie hier - im Wege der Amtshilfe (Art. 35 Abs. 1 GG) Feldjäger zum Schutz ihrer Ermittler bei einer Befragung an, können die Feldjäger andere Soldaten zum Schutz der Mitarbeiter des BAMAD und zum Eigenschutz Befehle erteilen. Aus § 7 SG folgt die grundsätzliche Pflicht, solchen Sicherheitsbefehlen zu folgen und Sicherheitskontrollen zu dulden. Ob die jeweiligen, diese Pflicht konkretisierenden Befehle rechtmäßig sind, ist im Einzelfall am Maßstab von § 10 Abs. 4 SG zu prüfen.

26d) Die Befehle genügten auch den Anforderungen aus § 10 Abs. 4 SG, wonach ein Befehl nur zu dienstlichen Zwecken und nur unter Beachtung der Regeln des Völkerrechts, der Gesetze und der Dienstvorschriften erteilt werden darf.

27Ein Befehl ist dann "zu dienstlichen Zwecken" erteilt, wenn ihn der militärische Dienst erfordert, um die durch die Verfassung festgelegten Aufgaben der Bundeswehr zu erfüllen (vgl. 2 WD 12.04 - BVerwGE 127, 302 <311>). Das war vorliegend hinsichtlich sämtlicher Befehle gegeben.

28Die Feldjäger sind die Militärpolizei der Bundeswehr (Nr. 101 AR A-256/1). Zu ihren Kernaufgaben gehören Sicherheitsaufgaben (Nr. 118). Durch deren Wahrnehmung unterstützen sie die zuständigen Vorgesetzten bei der Abwehr von Straftaten gegen die Bundeswehr gemäß § 3 UZwGBw und der Beseitigung rechtswidriger Störungen der dienstlichen Tätigkeit, welche die Einsatzbereitschaft, Schlagkraft oder Sicherheit der Truppe gefährden. Besondere Bedeutung kommt dabei unter anderem dem Schutz, insbesondere dem Schutz von besonders gefährdeten Personen, zu (Nr. 124), was auch den Schutz anlassbezogen schutzbedürftiger Personen umfasst (vgl. Nr. 3 der Anlage 5.1 AR A-256/1).

29Die Befehle dienten dem Schutz der die Befragung des Antragstellers durchführenden Mitarbeiter des BAMAD vor möglichen Angriffen des Antragstellers mit gefährlichen Gegenständen und der Eigensicherung der sie begleitenden Feldjäger. Die Befragung selbst diente wiederum entsprechend § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MADG der Sammlung von Informationen über Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind.

30e) Die genannten Befehle entsprachen auch dem aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) abgeleiteten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, weil sie nicht über das erforderliche Maß hinaus in die Freiheitssphäre des Untergebenen eingriffen (vgl. 1 WB 102.96 - juris Rn. 16, 23; Eichen/​Metzger/​Sohm, in: Eichen/​Metzger/​Sohm, SG, 4. Aufl. 2021, § 10 Rn. 83).

31(aa) Die Befehle an den Antragsteller, seine Taschen auszuleeren und seine Feldbluse abzulegen, waren geeignet, festzustellen, ob der Antragsteller gefährliche Gegenstände bei sich führte. Ein milderes Mittel, als diesen selbst zunächst seine Taschen leeren und anschließend die Feldbluse ablegen zu lassen, ist nicht erkennbar. Die Maßnahme war angesichts der den Feldjägern vom BAMAD dargestellten Gefährdungslage - der vom Antragsteller nicht bestrittenen Verbindung zur Gruppe "..." einerseits und seiner spezifischen Ausbildung als Personenschützer andererseits - auch angemessen. Da der "..." als Kampfsportgruppe auftrat und die Gewaltbereitschaft dieser rechtsextremen Gruppe sowie ihres Umfeldes schwer einzuschätzen war, lag nach der im Gefahrenabwehrrecht maßgeblichen Ex-ante-Betrachtung eine konkrete Gefahr vor. Die Feldjäger durften nach pflichtgemäßer Würdigung des Sachverhalts vom Vorliegen einer vom Antragsteller ausgehenden potentiellen Gefährdung der Mitarbeiter des BAMAD ausgehen. Zudem gab einer der beteiligten Feldjäger an, dass der Antragsteller keinen Feldanzug Grundform angehabt habe, sondern taktische Bekleidung, die darauf hingewiesen habe, dass er an einem in der Kompanie angesetzten Schießen habe teilnehmen sollen und eventuell schon eine Waffe empfangen haben konnte.

32Es ist nicht feststellbar, dass die hier in Rede stehenden Maßnahmen nur den Zweck verfolgt hätten, den Antragsteller einzuschüchtern oder unter Druck zu setzen. Dies ergibt sich insbesondere nicht aus dem vom Antragsteller vorgelegten Protokoll einer Zeugenvernehmung eines an einem anderen Ort im Rahmen der Gesamtaktion beteiligten Feldjägers. Zwar berichtete dieser Äußerungen aus einem Zwiegespräch mit einem BAMAD-Mitarbeiter, dass der Antragsteller "keinen Dreck am Stecken" habe "und nur mit Teilen des '...' herumhänge", man diesen aber "gezielt unter Druck setzen und vor den Bug schießen [wolle], um über ihn an Informationen zu den anderen Personen zu gelangen". Die zwei am Einsatz beteiligten Feldjäger gaben in ihren Vernehmungen jedoch an, dass es keine besonderen Anforderungen des BAMAD, "etwa zum Auftreten", gegeben habe und dass das Vorgehen der Ausbildung entsprochen habe bzw. dass die Absprache mit dem BAMAD gewesen sei, "professionell, ruhig und bestimmt" aufzutreten. Der Senat glaubt diesen in sich stimmigen Angaben. Denn es ist plausibel und nachvollziehbar, dass vor dem Hintergrund von Ermittlungen gegen mutmaßlich gewaltbereite Rechtsextremisten die Sicherung von Ermittlern im Fokus steht und nicht die Einschüchterung potentieller Zeugen.

33(bb) Auch das anschließende Abtasten des Antragstellers war verhältnismäßig. Damit war jedenfalls die konkludente Erteilung des Befehls verbunden, diese Maßnahme zu dulden. Ein Befehl unterliegt keinen formalen Voraussetzungen und kann nach § 2 Nr. 2 WStG auch "in anderer Weise", also etwa durch schlüssiges Verhalten und damit konkludent erteilt werden (vgl. 2 C 45.17 - BVerwGE 163, 129 Rn. 24).

34Der Befehl diente - ebenso wie die ausdrückliche Aufforderung, die Feldbluse abzulegen - ebenfalls dem dienstlichen Zweck der Sicherung der Mitarbeiter des BAMAD und der Eigensicherung der sie begleitenden Feldjäger. Er war auch verhältnismäßig, da die eingesetzten Feldjäger, auch nachdem der Antragsteller bereits freiwillig ein Messer herausgegeben hatte, angesichts der ihnen vorliegenden Informationen nicht ausschließen konnten, dass sich in seiner Kleidung weitere gefährliche Gegenstände befanden. Auch nach dem Bundespolizeigesetz und anderen Polizeigesetzen der Länder ist eine Durchsuchung von Personen (anlässlich einer Identitätsfeststellung) zum Selbstschutz und zum Schutz Dritter gegen eine Gefahr für Leib oder Leben zulässig, wenn sich Anhaltspunkte für das Mitführen gefährlicher Gegenstände aus Informationen durch Dritte ergeben (vgl. W. R. Schenke, in: Schenke/​Graulich/​Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, BPolG § 43 Rn. 16). In Anbetracht der gefährdeten Schutzgüter Leben und Gesundheit, die verfassungsrechtlich Höchstrang genießen (Art. 2 Abs. 2 GG), fällt die erforderliche Abwägung regelmäßig zugunsten der Notwendigkeit einer Durchsuchung aus. Dies gilt sowohl für den Durchsuchenden, im gleichen Maße aber auch für den unbeteiligten Dritten, der durch die Durchsuchung geschützt werden soll (vgl. Schmidbauer, in: Schmidbauer/​Steiner, Polizeiaufgabengesetz Polizeiorganisationsgesetz, 6. Aufl. 2023, PAG Art. 23 Rn. 30; s. a. VGH Mannheim, Urteil vom - 1 S 1468/17 - juris Rn. 162 ff.; - juris Rn. 34).

35Das Abtasten erfolgte durch eine Person gleichen Geschlechts (vgl. zu diesem dem Schutz des Schamgefühls der zu durchsuchenden Person dienenden Grundsatz etwa § 43 Abs. 4 BPolG, § 39 Abs. 3 PolG NRW). Das Ablegen der Feldbluse als Oberbekleidung führte nach unwidersprochener Darstellung des Generalinspekteurs auch nicht zu einer Entblößung des Antragstellers. Eine mit einer Entkleidung verbundene Durchsuchung, die ein schwerwiegender Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Antragstellers gewesen wäre (vgl. - NJW 2015, 3158 Rn. 33 m. w. N.), wurde also nicht durchgeführt.

36(cc) Auch die Übergabe des Messers des Antragstellers an dessen Kompaniechefin für die Dauer der Befragung, genauer der durch dieses Vorgehen konkludent erteilte Befehl zur Duldung des vorübergehenden Verlusts des unmittelbaren Besitzes, diente der Sicherung der Mitarbeiter des BAMAD. Die geringe Intensität des nur vorübergehenden Eingriffs (falls es sich nicht ohnehin um einen Dienstgegenstand gehandelt haben sollte) stand nicht außer Verhältnis zu diesem Zweck. Dass dem Antragsteller über das Messer hinaus von den Feldjägern weitere persönliche Gegenstände abgenommen worden wären, behauptet dieser zwar allgemein, benennt jedoch keine konkreten Gegenstände. Auch in den Vernehmungen der eingesetzten Feldjäger ist nur von dem Messer die Rede.

374.) Die Bewachung des Antragstellers durch Feldjäger mit Gesichtsverhüllung, insbesondere bei seinen Toilettengängen, war hingegen rechtswidrig. Darin lag der jedenfalls konkludent erteilte Befehl, diese Begleitung zu dulden, bzw. sich während der Fortdauer der Befragung durch die Mitarbeiter des BAMAD nicht unbegleitet zu bewegen. Auch diese Maßnahme diente zwar dem dienstlichen Zweck der Sicherung der Mitarbeiter des BAMAD. Sie war jedoch unverhältnismäßig.

38Auf Nachfrage des Gerichts, "welche Umstände/​Erkenntnisse konkret hinsichtlich des Antragstellers zu der Einschätzung geführt haben, dass die Mitarbeiter des BAMAD der Absicherung durch die Feldjäger bedurften und diese sich durch die Gesichtsverhüllung schützen mussten", hat der Generalinspekteur mit Schriftsatz vom lediglich mitgeteilt, dass es sich bei den Verdachtspersonen des BAMAD, zu deren Kreis auch der Antragsteller gezählt habe, um Angehörige der Gruppierung "..." gehandelt habe, die im Umfeld eines behördenbekannten, gewaltgeneigten Rechtsextremisten gemeinsame Aktivitäten (Kampfsport, Riten der heidnischen Germanen etc.) unternommen hätten. Die Gesamtgemengelage ("unterschiedliches Personenpotenzial mit Gewaltbezügen, Bezüge zur organisierten Kriminalität ohne konkretere Kenntnis über Strukturen, mögliche Einbindung von Verdachtspersonen wie der Antragsteller") habe zur damaligen Bewertung geführt, dass bei allen Verdachtspersonen ein möglicher Übergriff auf BAMAD-Personal nicht auszuschließen sei. Beim Antragsteller sei die dienstliche Tätigkeit als Personenschützer der Feldjäger mit entsprechender Nahkampfausbildung noch hinzugetreten.

39Daraus ergibt sich jedoch keine Notwendigkeit der Gesichtsverhüllung und keine Angemessenheit der Bewachungsmaßnahmen während der Befragung. Der bloße Umstand, dass die Bundeswehr selbst den Antragsteller im Nahkampf ausgebildet hat, kann eine von diesem ausgehende Gefährdung, die die fortlaufende Bewachung durch vier mit Schusswaffen und Schlagstöcken ausgerüstete Feldjäger gerechtfertigt hätte, ohne weitere konkrete Anhaltspunkte nicht begründen. Eine permanente Bewachung durch vier Feldjäger wäre allenfalls angemessen gewesen, wenn die Verhaftung des Antragstellers möglich gewesen wäre und Fluchtgefahr bestanden hätte. Hier ging es jedoch um eine freiwillige Befragung durch Mitarbeiter des BAMAD, die der Antragsteller jederzeit abbrechen durfte. Da der Antragsteller freiwillig mitwirkte und bereits auf gefährliche Gegenstände abgesucht worden war, bestand während des Gesprächs keine erhöhte Gefahrenlage für die beiden Ermittler des BAMAD mehr. Es wurde auch nicht vorgetragen, dass gerade hinsichtlich des Antragstellers Anhaltspunkte für eine außergewöhnliche Gefährlichkeit, Kriminalität oder Gewaltgeneigtheit vorgelegen hätten. Er hatte zum Zeitpunkt der Bewachungsmaßnahmen bereits die anderen der Sicherheit der BAMAD-Mitarbeiter dienenden Befehle umstandslos befolgt. Von deren unmittelbarer Gefährdung gingen offensichtlich auch die vor Ort anwesenden Personen zu diesem Zeitpunkt nicht mehr aus, weil die Feldjäger im Vernehmungsraum selbst nicht anwesend waren, sondern lediglich vor der Tür Wache standen.

40Hinzu tritt, dass durch die Begleitung bei den Toilettengängen, das Wache stehen vor der Tür sowie die Gesichtsverhüllung der Feldjäger die Gesamtsituation ein der zwangsweisen Vorführung ähnliches Gepräge erhielt; angesichts dessen kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Antragsteller in seiner Willensbildung hinsichtlich des Abbruchs der freiwilligen Befragung beeinflusst wurde, obwohl bei Befragungen des BAMAD keinesfalls der Eindruck einer Auskunftsverpflichtung erweckt werden darf (vgl. Roth, in: Schenke/​Graulich/​Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, BVerfSchG § 8 Rn. 12). Zwar sind Gefühlsbeeinträchtigungen keine (Grund-)Rechtseingriffe (vgl. Barczak, in: Dreier, GG, 4. Aufl. 2023, Art. 2 Abs. 1 Rn. 101), abschreckende Wirkungen staatlicher Maßnahmen auf den (Grund-)Rechtsgebrauch können jedoch bei der Gewichtung der Eingriffstiefe im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung berücksichtigt werden (vgl. etwa u. a. - BVerfGE 125, 260 <334 f.>; - BVerfGE 156, 11 Rn. 109, 112).

41Schließlich begründet sich die Unangemessenheit der Bewachungsmaßnahmen auch aus dem damit verbundenen Stigmatisierungseffekt. Sie erweckten den Eindruck, dass es sich beim Antragsteller um eine gefährliche und gewaltbereite Person handelte, obwohl spezifisch auf ihn bezogen keine entsprechenden Hinweise vorlagen. Vielmehr muss mit Rücksicht auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen aus Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG auch bei der Sicherung von Ermittlungsmaßnahmen des BAMAD alles vermieden werden, was zu einer nicht durch den Zweck des Ermittlungsverfahrens bedingten Bloßstellung des Befragten führen kann (vgl. Nr. 4a der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren - RiStBV).

425. Die Kostenentscheidung beruht auf § 21 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 20 Abs. 1 Satz 1 WBO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2025:280825B1WB39.24.0

Fundstelle(n):
GAAAK-06274